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Aus: Ausgabe vom 13.08.2024, Seite 2 / Ausland
Wahlen in Venezuela

»Über 60 Prozent lehnen beide Seiten ab«

KP Venezuelas kritisiert sowohl Maduro als auch die Rechten und fordert Klarheit über die Wahlergebnisse. Ein Gespräch mit Héctor Alejo Rodríguez
Interview: Carmela Negrete
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Sowohl Rechte als auch Linke fordern eine Veröffentlichung der Wahlprotokolle (Caracas, 30.7.2024)

Seit den Wahlen herrscht Chaos in Venezuela. Wie kam es dazu?

Die Wahlen waren von Anfang an sehr umstritten, da es der Linken nicht erlaubt wurde, Kandidaten aufzustellen. Zuerst gab es die gerichtliche Verfolgung von linken Parteien wie dem PCV oder dem PRT, mit dem Ziel, uns von der Teilnahme an den Wahlen abzuhalten. Außerdem wurden die Wahlen von Dezember auf Juli vorverlegt. Das hat es anderen Kandidaten noch schwerer gemacht, die erforderlichen Schritte zur Wahlteilnahme rechtzeitig zu erfüllen. Wir gründeten die Bewegung EPA, schafften es jedoch nicht fristgemäß, uns registrieren zu lassen.

Für die Leser, die es nicht wissen: Was war in der PCV geschehen?

Vor einem Jahr wurde die Parteiführung von den Behörden abgesetzt und durch Personen ersetzt, die nichts mit der Partei zu tun hatten, um eine Unterstützung für Maduro vorzutäuschen. Es war ein illegales Urteil, da uns das Recht auf Verteidigung verwehrt wurde. Wir erfuhren aus den Medien, dass es ein Verfahren gegen uns gab, basierend auf den Aussagen von Personen, die behaupteten, Mitglieder zu sein, es aber nicht waren.

Wie haben Sie die Wahlen wahrgenommen? Selbst wenn Maduro die Wahlen wirklich manipuliert hat, kann man doch nicht den rechten Kandidaten anerkennen, oder wie sieht das Ihre Organisation?

Unsere Partei musste entscheiden, für wen wir unsere Mitglieder mobilisieren wollten. Um uns nicht zu isolieren, entschieden wir uns, auf Enrique Márquez zu setzen. Er kommt zwar aus der Sozialdemokratie, hatte aber keine Unterstützung der Rechten.

Von Linken wurde der abgesetzten PCV-Führung vorgeworfen, die Rechte zu unterstützen.

Unsere Position wurde falsch dargestellt, weil wir größtmögliche Transparenz und die Veröffentlichung der Wahlprotokolle gefordert haben, wie es normalerweise der Fall wäre. Deshalb hat man es so dargestellt, als hätten wir den rechten Kandidaten Edmundo González unterstützt. Wir haben aber beide Seiten kritisiert, da beide Parteien die Interessen der Bourgeoisie vertreten und wir eine Alternative zu beiden Polen aufbauen müssen. Der Nationale Wahlrat präsentierte am Wahlabend Informationen, die nicht gedruckt wurden, wie es das übliche Verfahren wäre. Auch am nächsten Tag wurden die Ergebnisse nicht veröffentlicht, sondern erst sieben Tage später. Die Webseite der Wahlbehörde ist immer noch nicht erreichbar. Die Rechte hatte derweil selbst Ergebnisse veröffentlicht. Also gab es Zweifel, ob die offiziellen Wahlergebnisse stimmten.

Nun soll ein Gericht die Lage aufklären.

Die Regierung hat die Wahlen vor Gericht angefochten, was heißt, dass jetzt die unabhängige Wahlbehörde nicht mehr zuständig ist. Es gibt keine Möglichkeit zu wissen, ob es einen Hackerangriff auf die Wahlbehörde gab, da keine IT-Prüfung dazu durchgeführt wurde. Es ist eine komplizierte Situation, weil der normale Wahlprozess und die Sicherungskette der Stimmzettel unterbrochen wurden. Im Jahr 2013 gewann Maduro mit knappem Vorsprung, woraufhin die rechte Opposition behauptete, sie habe gewonnen. Die Partei von Maduro veröffentlichte damals die Protokolle und bewies so, dass das gelogen war. Dieses Mal hat sie die Protokolle jedoch nicht vorgelegt.

Wie können Antiimperialisten in diesen Stunden Venezuela am besten unterstützen?

Man muss die verzerrte Wahrnehmung überwinden, es gebe nur zwei Kräfte, den PSUV und die Rechte. Laut Umfragen lehnen über 60 Prozent der Bevölkerung beide Seiten ab: die Korruption und Kürzungspolitik der Regierung und auf der Seite der Opposition die Forderungen nach ausländischer Einmischung und Sanktionen. Wir möchten, dass alle Wahldokumente vorgelegt werden und dass der Wille des Volkes respektiert wird.

Gegen Sie wird derzeit ein Gerichtsprozess geführt, den Sie als Repression bezeichnen.

Ich arbeite in der Erdölindustrie und bin Sekretär für internationale Beziehungen der Partei. Ich habe mich gegen den Abbau von Arbeiterrechten ausgesprochen, daraufhin wurde ich ohne jegliche Beweise beschuldigt, Treibstoff abgezweigt zu haben, damit extrem rechte Gruppen die Wahlen sabotieren können. Wir glauben, dass es sich um eine politische Inszenierung handelt.

Héctor Alejo Rodríguez ist der von den venezolanischen Behörden abgesetzte Sekretär für internationale Beziehungen der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV).

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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  • Leserbrief von Michael Bolz aus Müncheberg (13. August 2024 um 21:59 Uhr)
    Die Kritik mag zwar erst einmal richtig sein, aber kein Wort zu der Situation in der Millionen Venezolaner heute verarmt leben durch die Blockade der USA und ihrer rechten Helfer in anderen Ländern. Von einer linken Partei verlange ich mehr; dass sie den Klassencharakter der Auseinandersetzungen auf zeigt. Ein großes Manko!

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