75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Dienstag, 17. September 2024, Nr. 217
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 13.08.2024, Seite 7 / Ausland
Rechte Gewalt in Großbritannien

Nordirland mobilisiert gegen Rassismus

Großdemonstration in Belfast gegen ultrarechte Randalierer. Ausschreitungen in England abgeflaut
Von Dieter Reinisch
Belfast, Friday 9_8_24
Die ultrarechten Randalierer sind in der Minderzahl, wie sich auch am Freitag in Belfast zeigte (9.8.2024)

Nordirlands Regierungschefin Michelle O’Neill von der republikanischen Partei Sinn Féin und ihre loyalistische Stellvertreterin Emma Little-Pengelly sind sich einig. Am Montag verurteilten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme die rassistischen Übergriffe in dem Landesteil: »Sie sind ein schändlicher Ausdruck von Kriminalität und durch nichts zu rechtfertigen.«

Während probritische Loyalisten weiterhin muslimische Einrichtungen in Nordirland angreifen, hat vor allem eine Großdemonstration am Sonnabend in der Hauptstadt Belfast ein Zeichen gegen rechte Hetze gesetzt. 15.000 Menschen waren dem Aufruf mehrerer linker Initiativen, darunter der linkssozialistischen Partei People Before Profit (PBP) und der Initiative »United Against Racism« (UAR), gefolgt. Unter dem Motto »Belfast Welcomes Diversity« zogen die Protestierenden durch das Stadtzentrum und hielten Banner hoch, auf denen stand: »Belfast sagt nein zum Rassismus.«

Die UAR-Vorsitzende Fiona Doran sagte zum Belfast Telegraph: »Heute war eine großartige Feier all dessen, was an unserer vielfältigen Stadt gut ist.« Mehr als 160 Organisationen hätten zum Marsch aufgerufen. »Die überwiegende Mehrheit in Nordirland ist gegen den Hass der extremen Rechten. Dies sind unsere Straßen, und wir werden sie nicht den Rassisten überlassen.«

Der PBP-Abgeordnete Gerry Carroll sagte auf der Demonstration: »Wir sind hier, um nein zum Rassismus und zum Gift des Faschismus zu sagen. Wir sind hier, um zu sagen, dass Migranten willkommen sind, dass Flüchtlinge nicht der Feind sind und dass diese Stadt eine antifaschistische Stadt ist.« Er versprach: »Die Faschisten werden nicht gewinnen.«

Am Freitag hatten rechte Gruppen zu einer islamfeindlichen Kundgebung vor dem Rathaus aufgerufen, doch gekommen waren nur wenige hundert Teilnehmer. Ihnen stand auch hier mehr als das Zehnfache an Gegendemonstranten gegenüber. Eine Woche zuvor war es nach einer Kundgebung der Rechten in Belfast zu nächtelangen Ausschreitungen und Angriffen auf migrantische Geschäfte und Kulturzentren im Süden der Stadt gekommen.

Am vergangenen Wochenende blieben die Ausschreitungen kleiner, setzten sich aber in ganz Nordirland fort. In Newtownards östlich von Belfast, einer Hochburg der North Antrim UDA, einer der einflussreichsten loyalistischen Gruppen von Paramilitärs, kam es in der Nacht zu Sonnabend zu einem Brandanschlag auf eine Moschee. Auf den Aufnahmen einer Videokamera ist zu sehen, wie Männer Brandbeschleuniger vor dem Gebäude verschütten, danach wird von der anderen Straßenseite ein Brandsatz geworfen. Der Brandbeschleuniger zündete nicht.

Im Süden von Belfast wurden am Wochenende mehrere Geschäfte migrantischer Eigentümer mit rassistischen Slogans beschmiert und bei kleineren Randalen Autos in Brand gesetzt. In der Grafschaft Down wurde ein Mann am Sonntag abend von sechs Jugendlichen mit Steinen beworfen und rassistisch beschimpft, als er in einem Park spazierenging, berichtete die Irish News am Montag.

Zu Zusammenstößen kam es auch in Nordirlands zweiter Stadt Derry. Doch hier aus anderen Gründen: Am Rande des Stadtzentrums wurde die Polizei PSNI am Eindringen in ein von Republikanern dominiertes Wohnviertel gehindert. Mehrere Dutzend Jugendliche warfen Brandsätze. Laut Polizeiangaben wurden dabei zehn Beamte verletzt.

In England blieb es am Wochenende dagegen weitgehend ruhig. In Southport fand das Begräbnis für Alice da Silva Aguiar statt. Sie ist eines der drei Mädchen, die vor zwei Wochen durch ein Messerattentat ums Leben gekommen waren. Hundert Einwohner nahmen am Prozessionszug am Sonntag teil, darunter auch mehrere Sanitäter, die als erste am Ort des Attentats eingetroffen waren. Acht weitere Kinder, die bei dem Angriff am 29. Juli Verletzungen erlitten hatten, wurden inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen. Ein 18jähriger ist wegen dreifachen Mordes und zehnfachen versuchten Mordes angeklagt.

Kurz nach dem Angriff waren im Internet falsche Behauptungen über die Identität und den Hintergrund des mutmaßlichen Täters verbreitet worden, was zu islamfeindlichen Unruhen im ganzen Land führte. Mehr als 770 Menschen wurden wegen der Gewalttaten festgenommen, weitere 340 angeklagt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Auch zahlreiche Linke, Gewerkschafter, Anwohner und Arbeiter sin...
    08.08.2024

    Gewerkschaften gegen rechts

    Großbritannien: Arbeiterorganisationen positionieren sich gegen rassistische Krawalle und Hetze. Gewerkschaftsmitglieder organisieren Protest
  • Opfer der rechten Gewalt: Ladenbesitzer in Belfast vor seinem be...
    07.08.2024

    Rechte Menschenjagd

    Großbritannien brennt weiter: Messerattacke von Southport dient als Vorwand für Angriffe gegen Muslime

Regio: