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Aus: Ausgabe vom 13.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Beim Lückenstopfen

SPD-Innenministerin und Wahlen
Von Arnold Schölzel
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Mühsam versucht die SPD drei Wochen vor den Wahlen in Thüringen und Sachsen aus dem Loch ihrer Umfragewerte zu kommen. Sie sei im Osten teilweise nur noch »Splitterpartei«, sagte ARD-Redakteur Matthias Deiß am Sonntag dem Koparteivorsitzenden Lars Klingbeil und fragte: »Warum haben die Menschen den Eindruck, dass die SPD keinerlei Konsequenzen aus den Wahlniederlagen der Vergangenheit zieht?« Klingbeil: »Die SPD kann kämpfen und das wird sie in diesen 13 Monaten zeigen.«

Wenn Wegducken und Hakenschlagen »kämpfen« bedeuten, dann liegen die Sozialdemokraten vorn. Jüngstes Beispiel: Es rumort in der Partei wegen der fast nebenbei angekündigten Stationierung weitreichender US-Waffen, auch weil Verteidigungsminister Boris Pistorius noch vor vier Wochen leugnete, dass damit ein neues Wettrüsten gestartet wird. Wie seit 75 Jahren in der NATO üblich, sagte er etwas von »Fähigkeitslücke« und »Nachholen«. Nun aber verkündet der angeblich beliebteste Minister der Ampel, eine Debatte über das Teufelszeug sei »wichtig«.

Übertroffen werden er und der Kanzler, der die Regierungsform »Aussitzen« zum »Abtauchen« weitentwickelt hat, im politischen Murks noch von der Innenministerin. Wie neigte doch Nancy Faeser noch vor einem Jahr im hessischen Landtagswahlkampf zu Eindeutigkeiten wie dem entschiedene Jein in der Migrationspolitik: einerseits ja zu mehr Grenzkontrollen, andererseits doch nicht. Gebracht hat es zwar ein historisch schlechtes Ergebnis, aber eine Regierungsbeteiligung in Wiesbaden.

Ein Jahr danach könnte die SPD gerade noch in zwei Landtage rutschen – oder auch nicht. Und unentwegt produziert Faesers Ministerium Fragwürdiges. Ob es nun hinter jW her ist oder das Vereinsrecht bemüht, um eine Faschistenzeitschrift loszuwerden – Grundrechte werden nicht erwogen. Gleiches gilt für den Entwurf ihres Hauses, wonach von der Polizei Software für Gesichtserkennung eingesetzt werden darf, nur nicht live. Privatleute erledigen so etwas seit längerem mit Hilfe dessen, was die führenden Konzerne des Überwachungskapitalismus zur Verfügung stellen.

Nun behauptete Faeser am Montag beim Besuch des Bundesverfassungsschutzes, sie werde »in Kürze« einen Gesetzentwurf mit Verboten weiterer Messerarten vorlegen. »In Kürze« bedeutet: Seit Januar 2023 schmort im Kabinett ihr Entwurf für eine Waffenrechtsreform. Das erweiterte Messerverbot aber läuft auf Polizeikontrollen nach Hautfarbe hinaus, »Racial Profiling«. Der bayerische Innenminister träumte am Montag im Deutschlandfunk schon einmal davon. Im Faeser-Grusel fehlte nur noch »der Russe«. Rechtzeitig fiel ihr nun ein, dass der »mit Spionage, Sabotage und Cyberattacken bis hin zum Staatsterrorismus« unterwegs ist. Kriegstüchtigkeit tut not. Faeser, die Verkörperung einer Fähigkeitslücke, fabriziert den Murks dafür. Die nächste Quittung kommt am 1. September.

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