Keine halben Sachen
Von Norman PhilippenNein, liebe medioker informierte Musikpresse, das fünfzehneinhalbte wird nicht der Band letztes Album sein. Auch wenn stimmt, dass NOFX nach 41 Jahren derzeit tatsächlich auf Abschiedstournee sind. Und ja, man kann auch als alter Fan den Teufel tun, statt für ein letztes Live-Tschüssitänzchen wie in der Zitadelle Spandau im Juni 90 Euro (bzw. 160 für zwei Tage) exklusive Flüssigkeiten hinzublättern, selbst wenn man so auch die Circle Jerks oder Descendents vielleicht nie wieder sehen wird. Gar nicht mal streng genommen sollte man »Half Album« allerdings auch nicht als Longplayer listen, sondern ihm als NOFX’ 18. EP lauschen – wenn es auch vorgeblich die fünfte Seite vom Doppelundeinhalbalbum sein soll, dessen erste vier Seiten als »Single Album« (2021) und »Double Album« (2022) schon lange erschienen sind.
»Half Album« hätte bereits letztes Jahr gepresst werden sollen, doch behauptet Front-Fatty Mike Burkett, volle fünf Jahre gebraucht zu haben, um vor allem den letzten der fünf Songs (»The Last Drag«) zu seiner Zufriedenheit zu vollenden. »Hat es sich gelohnt?« fragt er. »War es das wert, fünf Jahre damit zu verbringen, die fünf Songs meines Doppelalbumprojekts fertigzustellen, die ich für die schlechtesten des Haufens hielt? War es eine gute Idee, (…) die Schwächsten des Wurfes aufzuziehen? War es eine Fehleinschätzung, als ich einen Song über das Ausmaß meiner Arroganz schrieb? Ich denke, die Antwort auf all diese rhetorischen Fragen könnte man finden, wenn man sich dieses halbseitige Album anhört … aber ich bezweifle es ernsthaft.«
Da Fatty aber ein Jahr braucht, um mit seinen Songs Frieden zu schließen, sollte man besser gar nicht auf ihn, sondern einfach die EP hören. Und feststellen, dass die für vorgebliche Ausschussware der nach Eigenauskunft 60-Prozent-Band ausgezeichnet klingt. Wenn zwar nach nichts Ganzem, dann doch ganz anders, als es halbe Sachen sonst tun. Wer das »Single«, das »Double« und das »Half Album« hintereinander spielt, könnte meinen, die insgesamt 25 Songs fügten sich zum vielleicht besten Doppelalbum der Punkgeschichte. Was zugegeben nicht schwer ist, da Doppelalben im Genre rar sind.
Schwer überhörbar ist jedenfalls die enge Verwandtschaft von »The Big Drag« (Opener von »Single Album«) und dem letzten Song »The Last Drag«. Der sechsminütigen Nummer, die von, na ja, »gefühlvoller Ballade« – »This is my detox and I cry if I want to« – ins rauh Rasende gerät und dem Fünfjahresprojekt so etwas wie eine Klammer gibt, die auch für heutige zänkische Zahnspangenträger noch hörbar sein sollte. Ansonsten gibt’s zu erfahren, wie Fat Mike (»Fake-a-Wish Foundation«) mal einen »case of cancer« heilte, NOFX – wie schon auf Fat Mikes Soloalbum »You’re Welcome«, gemeinsam jetzt aber schneller und rotziger – einer befreundeten »Punkrock-Suffragette« nachtrauern, und dass es sich bei Fat Mike möglicherweise um »The Humblest Man in the World« handeln könnte. Oder (»I’m a Rat«) vielleicht einfach nur um eine Ratte, die einen ursprünglich für die Japaner von Hi-Standard geschriebenen Song dreist nochmals selbst verbrät. Eine finanziell forcierte Rattenfalle also alles? Auch wenn ich damit so klinge wie Mickey Mouse im Video zur ausgekoppelten Single: »I put myself in the trap / And I’m happy about that«. »Half Album« hätte ein feines NOFX-Finale abgegeben. Wären nicht schon lange weitere Veröffentlichungen angekündigt gewesen.
NOFX: »Half Album« (Fat Wreck Chords)
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