75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Dienstag, 17. September 2024, Nr. 217
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 13.08.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Tiefseebergbau

Begehrte Knollen

Am Grunde der Ozeane schlummern für Rohstoffunternehmen ungehobene Schätze. Meeresforscher warnen vor irreparablen Schäden
Von Daniel Bratanovic
15.jpg
Sollen nach dem Willen etlicher Staaten en masse vom Meeresboden geerntet werden: Manganknollen

Das Studienergebnis wirkte wie bestellt. Wenige Tage bevor Anfang August die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) in Kingston zu ihrer Generalversammlung zusammenkam, hatte ein Forschungsteam um Andrew Sweetman von der Scottish Association for Marine Science (SAMS) in der Fachzeitschrift Nature Geoscience berichtet, dass Manganknollen auf dem Meeresboden große Mengen Sauerstoff produzieren. Danach erhöhen die Knollen die Sauerstoffkonzentration im Meerwasser auf Werte, die selbst diejenigen von algenreichem Oberflächenwasser übersteigen.

Was hat das mit der Tagung der ISA zu tun? In Kingston trafen sich Staaten, die ein Interesse an der Ausbeutung des Meeresgrundes haben. Geregelt werden sollte, wer zu welchen Bedingungen die als wertvoll erachteten Rohstoffe profitabel abbauen darf. Einige Staaten verlangten ein Moratorium für die Extraktion metallischer Rohstoffe wie Kobalt, Kupfer, Nickel und Mangan, konnten sich damit aber nicht durchsetzen. Das in Kanada ansässige Unternehmen The Metals Company (TMC) steht eigenen Angaben zufolge schon in den Startlöchern, will noch in diesem Jahr eine Abbauerlaubnis beantragen und hat sich dafür die Unterstützung des pazifischen Inselstaats Nauru gesichert, der sich davon eine Aufbesserung seiner prekären Finanzlage erhofft.

Im Mittelpunkt des Ausbeutungsbegehrens in Tausenden Metern Tiefe stehen just jene Manganknollen, die von den schottischen Forschern als Sauerstoffproduzenten ausgemacht worden sind. Die pferdeapfelgroßen Knollen sind Ausfällungen von Metalloxiden und enthalten hauptsächlich Eisen und Mangan, gemischt mit beachtlichen Konzentrationen von Nickel, Kupfer und Kobalt. Die größten Vorkommen der begehrten Mineralaggregate finden sich in der im Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii gelegenen Clarion-Clipperton-Zone in einer Tiefe von 4.000 bis 6.000 Metern. Dieser Gürtel ist mit 4,5 Millionen Quadratkilometern größer als die Fläche der Europäischen Union. Die Gesamtmenge der Manganknollen liegt bei geschätzten 25 bis 40 Milliarden Tonnen Nassgewicht. Steigen die Weltmarktpreise für Metalle, wächst der Druck, diese Felder doch endlich ausbeuten zu dürfen. Befürworter wie TMC behaupten, die Förderung am Ozeanboden sei weniger umweltschädlich als der Bergbau an Land. Und generell wird vorgebracht, die Materialien der Knolle würden benötigt für den Einsatz etwa in Batterien für Elektroautos, um so den klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft voranzubringen.

Umweltschützer und Meeresforscher halten den Abbau indessen für keine gute Idee. Tonnenschwere Förderroboter dürften das in Jahrmillionen gewachsene Ökosystem am Meeresboden auf Jahrtausende hin zerstören. Die Manganknollen geben einen kaum ersetzbaren Lebensraum für ganze Tiergruppen ab, Schwämme, Korallen und andere Tiefseebewohner brauchen einen festen Untergrund, um sich darauf anzusiedeln. Aufgewühlter Tiefseeschlamm würde auch das Leben vieler Tiere in mittleren Wassertiefen beeinträchtigen.

Die Studienergebnisse der Forscher von der SAMS liefern den Kritikern nun weiteres Material. Wie genau die Manganknollen Sauerstoff produzieren, woher also die Energie für den chemischen Prozess der Spaltung von Wasser in seine Elemente kommt, konnten die Wissenschaftler bisher noch nicht ausreichend erklären. An der Sauerstoffproduktion selbst besteht aber kein Zweifel. Der Vorgang könnte erhellen, warum die tierische Artenvielfalt in den knollenreichen Gebieten höher ist, »als in den artenreichsten tropischen Regenwäldern«, wie Koautor Franz Geiger sagt. »Dies setzt ein großes Fragezeichen hinter die Strategien für den Tiefseebergbau.« Nicht ausgeschlossen, dass der Sauerstoff manches Leben am Grunde der Meere überhaupt erst möglich gemacht hat. Die Entdeckung wirft zudem die Frage auf, ob sich die ersten komplexen Organismen womöglich in der Tiefsee entwickelt haben. Manche Annahme sei nun zu überdenken, etwa die Frage, »wo das Sauerstoff atmende Leben tatsächlich seinen Ursprung hatte«, sagt Sweetman.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (13. August 2024 um 16:19 Uhr)
    Das GEOMAR bringt hier https://www.geomar.de/entdecken/rohstoffe-aus-dem-ozean/manganknollen und hier https://www.geomar.de/entdecken/miningimpact eine gute Übersicht zur Problematik des Unterseebergbaus. Wie auch die Verfasser von https://www.nature.com/articles/s41561-024-01480-8 betont es die Notwendigkeit weiterer Forschung, da sehr wenig über diesen Bereich bekannt ist. Den potentiellen Profiteuren des Tiefseebergbaus kommt das natürlich nicht gelegen. Frage am Rande: Warum lässt man die Batterien nicht da, wo sie schon sind? Müssen sie unbedingt Feinstaub produzierende Gefährte des Individualverkehrs antreiben? Denn: »Ihre Wachstums­rate beträgt wenige Millimeter in einer Million Jahre, so können größere Knollen mit einer Größe von 15 Zentimetern bis zu 15 Millionen Jahre alt sein.« (GEOMAR, URL siehe oben)

Mehr aus: Natur & Wissenschaft