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Aus: Ausgabe vom 14.08.2024, Seite 4 / Inland
Lobbyismus

Aufwärtstrend bei Transparenz

Korruptionsbekämpfung: NGO veröffentlicht Lobbyranking 2024 von Bund und Ländern
Von Kristian Stemmler
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Verhalten sich angeblich vorbildlich: Politiker im Thüringer Landtag

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) dürfte das Ergebnis kurz vor der Landtagswahl gut in den Kram passen: Im Lobbyranking 2024, das von der Organisation Transparency International Deutschland (TI) am Dienstag veröffentlicht wurde, führt der Freistaat die Liste der Bundesländer an. Mit dem 2021 erstmals erstellten und 2022 aktualisierten Lobbyranking bewertet TI, ob Bund und Bundesländer Fortschritte bei den Regeln für eine »integre und transparente Politik« gemacht haben, also ob sie etwa offenlegen, wenn Konzernlobbyisten Einfluss auf Gesetzesvorhaben nehmen.

Sowohl im Bund als auch in einigen Ländern haben sich in den vergangenen Jahren – nicht zuletzt ausgelöst durch Affären wie den sogenannten Maskenskandal, Wirecard oder Cum-ex – die Transparenz- und Integritätsregeln laut TI »spürbar verbessert«. Der Trend setzt sich fort: Im Lobbyranking 2024 haben sich zwölf der 16 Bundesländer gegenüber dem Lobbyranking 2022 leicht verbessert. Dabei hätten sich die schon 2022 vergleichsweise gut dastehenden Bundesländer wie Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg mit Hilfe neuer Regelungen weiter verbessert, wie Norman Loeckel, Koleiter der Arbeitsgruppe Politik von TI bei einer Onlinepressekonferenz feststellte.

Am unteren Ende des Rankings habe es dagegen kaum oder gar keine Fortschritte gegeben. Länder wie Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen seien »deutlich abgesunken«, weil sie so gut wie gar nichts getan hätten. Es sei »etwas enttäuschend«, dass gerade die Bundesländer, die vorher schon schlecht dastanden, keine Konsequenzen gezogen hätten, so der Experte: »Hier mangelt es an politischem Bewusstsein, dass die Bevölkerung saubere Politik wertzuschätzen weiß.« Mit dieser Inaktivität liefere man den »Populisten von rechts und links« Material, denn diese behaupteten gern, dass das politische Establishment korrupt sei, so seine Form der Hufeisentheorie.

Konkret legt die Organisation bei der Erstellung des Rankings vier Kriterien zugrunde. So wird geschaut, ob ein Lobbyregister existiert, eine öffentliche Liste von Mitgliedern von Verbänden oder Unternehmen, die Einfluss auf die Politik nehmen sollen. Von Interesse ist auch der »legislative Fußabdruck«, also die Benennung aller an einem Gesetzesvorhaben Beteiligter. Das dritte Kriterium ist die Karenzzeit, also ob es eine Sperrfrist für ausgeschiedene Regierungsmitglieder oder Spitzenbeamte vor dem Wechsel in die Privatwirtschaft gibt. Schließlich bewertet TI die Erfüllung von Transparenzpflichten wie die Offenlegung von Nebentätigkeiten.

Thüringen erfüllte 69 Prozent der vorgegebenen Kriterien. Auf den folgenden Plätzen vergrößerten Bayern (54 Prozent) und Baden-Württemberg (53 Prozent) dank neuer Karenzzeitregeln ihren Abstand zum Mittelfeld. In der unteren Hälfte steigt Sachsen (24 Prozent) durch die Einführung von Karenzzeiten für ausscheidende Regierungsmitglieder um fünf Plätze auf, rückt auf Platz 10 vor. Die »rote Laterne« behält Bremen (9 Prozent). Der Bund liegt immer noch vor allen Bundesländern, dank einer, so TI, »insgesamt recht guter Lobby- und Transparenzregeln«. 13 Bundesländer erreichten auch im Lobbyranking 2024 »nicht einmal die Hälfte der möglichen Transparency-Kriterien«.

Welche Partei regiere, sei beim Thema Transparenz nicht entscheidend, wie Loeckel erklärte. So sei Thüringen »rot-rot-grün« regiert, Baden-Württemberg »grün-schwarz« und Bayern von der CSU. Festzustellen sei aber, dass je länger eine bestimmte Partei in einem Bundesland an der Macht sei, »desto weniger offen ist das Bundesland für neue Regeln zur Integrität in der Politik«. Dies sei etwa an Bremen erkennbar, das seit Jahrzehnten von der SPD regiert werde. Bayern sei ein Sonderfall, weil dort viele führende Politiker in den vergangenen Jahren in Skandale wie die »Maskenaffäre« verwickelt gewesen seien. Das habe die CSU veranlasst, mehr zu tun, so Loeckel. In Deutschland sei die Bevölkerung »besonders sensibel«, was das Thema Korruption angehe.

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