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Aus: Ausgabe vom 14.08.2024, Seite 7 / Ausland
Syrien

Öl, Weizen und Souveränität

Syrien: Schwere Kämpfe zwischen von der Armee unterstützten arabischen Stämmen und kurdischen Kämpfern sowie US-Soldaten
Von Wiebke Diehl
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Bereits seit einem Jahr gehen arabische Stammeskämpfer gegen die kurdischen SDK vor

Die USA seien aufgefordert, die Bombardierung von Syrern einzustellen, die Unterstützung kurdischer »separatistischer Milizen« zu beenden und sich unverzüglich aus Syrien zurückzuziehen. Das teilte das syrische Außenministerium am Wochenende mit, nachdem US-amerikanische Kampfflugzeuge laut der Erklärung Ziele bei Deir Al-Sor, Hasaka und Kamischli angegriffen und den Tod zahlreicher syrischer Bürger, darunter Frauen und Kinder, verursacht hatten. Die mit den USA verbündeten, kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) bezeichnet das Außenministerium als »Agenten der US-amerikanischen Besatzung«, die verbrecherische Angriffe verübt hätten.

Die Forderung aus Damaskus ist alles andere als neu – diesmal jedoch erfolgt sie in einer Situation, in der die US-Besatzungstruppen und die SDK erheblich unter Druck stehen. Denn vergangene Woche war es arabischen Stammeskämpfern unter der Führung von Scheich Ibrahim Al-Hafel gelungen, mehrere von den SDK kontrollierte Orte im Osten der Provinz Deir Al-Sor zurückzuerobern und der US-Basis im Omar-Ölfeld gefährlich nahezukommen. Begonnen hatten die bis heute andauernden Kämpfe am vergangenen Mittwoch. An diesem Tag startete eine Koalition arabischer Stämme den größten Angriff auf SDK-Standorte seit Beginn des arabischen Aufstands gegen die Truppe im vergangenen Sommer. Bei den anschließenden heftigen Gefechten zwischen den mit den SDK verbündeten Militärräten in Deir Al-Sor und Hadschin auf der einen und der »Armee der Stämme« auf der anderen Seite kamen zahlreiche Zivilisten ums Leben, oder sie wurden verletzt und vertrieben.

Nach Angaben lokaler Quellen wurden mindestens zehn SDK-Kämpfer gefangengenommen und Waffen in großen Mengen erbeutet. Die SDK verhängten ihrerseits eine vollständige Ausgangssperre über die von ihnen kontrollierten Städte im Umland von Deir Al-Sor. Außerdem schnitten sie die Bewohner von Hasaka und Kamischli in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten von der Versorgung mit Mehl, anderen Nahrungsmitteln und Wasser ab. Darüber hinaus hielten sie mehrere syrische Soldaten fest und griffen Stellungen und Fahrzeuge der Armee an. Am Sonntag wurden bei einem solchen Angriff in der Nähe der ostsyrischen Stadt Bukamal an der Grenze zum Irak etwa 20 syrische Soldaten getötet oder verletzt.

Seit Jahren lehnen sich arabische Stämme, insbesondere in Deir Al-Sor, gegen die SDK und die US-Besatzungstruppen auf. Seit dem vergangenen Sommer aber ist ein neuer Organisationsgrad zu beobachten. Die US-amerikanische Militärmission »Inherent Resolve« spricht in ihrem vierteljährlichen Bericht an den US-Kongress für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2023 von einer »vollwertigen Widerstandsbewegung«, die »ausdrückliche Unterstützung« vom »syrischen Regime und seinen iranischen Verbündeten« erhalte. Auslöser der Proteste von 2023 war die von den SDK durchgeführte Absetzung und Verhaftung von Ahmed Al-Khubail (»Abu Khaula«), dem damaligen Vorsitzenden des SDK-nahen, arabisch dominierten Militärrats von Deir Al-Sor, der eine entscheidende Rolle bei den Militäreinsätzen gegen den »Islamischen Staat« (IS) spielte. Al-Khubail hatte sich vor seiner Verhaftung der syrischen Regierung angenähert.

Auch wenn die Kämpfe seither abgeflaut waren, bleiben deren Ursachen doch bestehen: Bis heute kontrollieren US-Besatzungssoldaten und SDK wichtige syrische Ressourcen und verweigern der Regierung und Bevölkerung den Zugriff darauf. Seit Jahren werden zudem syrisches Erdöl und syrischer Weizen in großem Stil außer Landes geschafft, obwohl die Rohstoffe nicht zuletzt wegen der drakonischen US- und EU-Sanktionen dringend für die Versorgung der Bevölkerung benötigt werden. Unter anderem in den Ölfeldern Al-Omar und Conoco haben die US-Besatzungstruppen Stützpunkte eingerichtet.

Der Angriff der arabischen Stämme erfolgt einen Monat nach der Freilassung Hunderter IS-Kämpfer durch die SDK. Deren Freilassung hat vermutlich zum Ziel, die »Achse des Widerstands«, die sich den Abzug der US-Soldaten aus Syrien und dem Irak zum Ziel gesetzt hat, zu schwächen.

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  • Leserbrief von Holger Voss aus 13587 Berlin (14. August 2024 um 04:57 Uhr)
    Es bleibt zu hoffen, dass sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zur Souveränität und territorialen Integrität der Arabische Republik Syrien bekennt. Für diesen Fall könnte es zu einem Gipfel zwischen Präsident Erdoğan und Staatspräsident Dr. Bashar-Hafiz al-Assad kommen, bei dem die Tatsache, dass US-Besatzungstruppen mit israelischer, britischer, französischer und polnischer Unterstützung in Kooperation mit PKK-nahen Kurden Erdöl aus/von besetzten Ölfeldern im syrischen Nordosten stehlen, thematisiert wird. Ein offizielles Schreiben des 45. US-Präsidenten Donald John Trump landete bei Erdoğan einmal im Mülleimer.

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