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Aus: Ausgabe vom 14.08.2024, Seite 6 / Ausland
Österreich

Schrei nach mehr Überwachung

Österreich: Nach mutmaßlich vereiteltem Anschlag kocht Debatte hoch
Von Dieter Reinisch, Wien
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Ternitz, der Wohnort des Hauptverdächtigen, im Visier von Behörden und Medien (7.8.2024)

Strengere Regeln und Sicherheitschecks für Sicherheitsfirmen, das wünschen sich die österreichischen Grünen. Und sie zeigen sich offen für mehr Überwachung der Bürger. Denn für Fraktionschefin Sigrid Maurer ist es ein »unhaltbarer Zustand«, dass seit Jahren geredet, aber nichts getan werde. Zum Hintergrund: In der vergangenen Woche waren mehrere Taylor-Swift-Konzerte in Wien abgesagt worden, nachdem die Polizei einen Hauptverdächtigen sowie zwei weitere Personen wegen eines mutmaßlichen Anschlagsplans festgenommen hatte.

Über den angeblich vereitelten Anschlag weiß die Öffentlichkeit wenig. Im Gegensatz zur Sängerin selbst, die seit einer Woche schweigt, obwohl sie ab Donnerstag fünf Konzerte in London absolvieren soll, veranstalten Innenministerium, Polizei und Verfassungsschutz regelmäßige Pressekonferenzen. Auf »Hochtouren« würden die Behörden arbeiten, versicherte Innenminister Gerhard Karner von der konservativen ÖVP. Zwei der Verdächtigen verweigern allerdings die Kooperation mit der Polizei und weisen die Vorwürfe zurück. Der 19jährige Hauptverdächtige zog am Montag auch sein »umfassendes« Geständnis von vergangener Woche zurück – es war ohne rechtlichen Beistand eingeholt worden – und wechselte den Anwalt.

Der neue Anwalt, Werner Tomanek, sagte in einem ersten Interview mit dem TV-Sender Puls 24, sein Mandant sei von Gewaltbereitschaft »weit entfernt«. Er mache eher einen instabilen und unreifen Eindruck und würde sich in seine »religiöse Struktur« zurückziehen. Der 19jährige sei ein »einsamer Wolf«. Und zum angeblichen Sprengstoff: Dieser sei nicht in der Lage gewesen, eine Explosion zu verursachen. Wasserstoffperoxid werde auch zum Haarefärben genommen, bei der Säure handle es sich um Rohrreiniger, so der Anwalt. Swift sei seinem Mandanten »eigentlich nie ein Begriff gewesen«. Die Geschichte würde »gehypt«, weil die Politik »ihre Überwachungsspielsachen« haben wolle.

Vor allem beim letzten Punkt dürfte Tomanek recht behalten, denn der Vorfall wird im aktuellen Wahlkampf besonders von der mit den Grünen regierenden ÖVP instrumentalisiert und das Abhören von Messengerdiensten mittels sogenannten Bundestrojanern gefordert. Bundeskanzler Karl Nehammer will sogar noch weitergehende Maßnahmen einführen: »Der Kampf gegen den politischen Islam als religiös motiviertem Extremismus muss mit aller Härte und Entschlossenheit geführt werden«, zitierte ihn Die Presse am Dienstag. Daher müssten die Sicherheitsbehörden »mit den notwendigen Mitteln« ausgestattet werden.

Geht es nach der Regierung, soll dafür das Vereins- und Versammlungsrecht verschärft werden. Im Visier hat sie dabei Institutionen, »die den Wertvorstellungen und Grundprinzipien eines europäischen demokratischen Staates in schwerwiegender Weise zuwiderlaufen«. Die Überwachungsmöglichkeiten sollen ausgebaut und Grundrechte unterminiert werden – ob es aber tatsächlich konkrete Anschlagspläne jenseits der Wahlkampfrhetorik gab, können die Behörden weiterhin nicht belegen. Nach jüngsten Umfragen führt die ultrarechte FPÖ vor Konservativen und Sozialdemokraten: Am 29. September ist Wahltag.

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