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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 1 / Titel
Nord Stream

Untergetaucht

Bundesanwaltschaft erwirkt Haftbefehl wegen Nord-Stream-Anschlägen. Hauptverdächtiger Ukrainer soll in Polen verschwunden sein
Von Reinhard Lauterbach
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3D-Simulation einer der gesprengten Gaspipelines unter der Ostsee

Nach fast zweijährigen Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft einen ersten Haftbefehl wegen der Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines im September 2022 erwirkt. Wie mehrere deutsche »Qualitätsmedien« am Mittwoch mitteilten, soll der Hauptverdächtige ein zuletzt in Polen gemeldeter Tauchlehrer aus der Ukraine sein. Zwei weitere Verdächtige seien ebenfalls ausgebildete Taucher aus der Ukraine. Gegen sie seien aber keine Haftbefehle ergangen. Auch der Europäische Haftbefehl gegen den Hauptverdächtigen habe bisher nicht vollstreckt werden können, weil Polen den Mann nicht habe finden können. Es gab aber offenkundig vorab Kontakt mit ihm, weil er sich in einem Telefonat mit den deutschen Behörden »überrascht« zu den Vorwürfen geäußert haben soll. Wenn das so stimmt, heißt es im Klartext: Die Bundesanwaltschaft hat den Hauptverdächtigen gewarnt und ihm praktisch nahegelegt, abzutauchen – diesmal im übertragenen Sinn.

Dass die polnischen Behörden wiederum wenig Eifer zeigen würden, den aus Karlsruhe kommenden Haftbefehl zu vollstrecken, konnten sich die Spitzenjuristen im Badischen an fünf Fingern abzählen. Schließlich war Polen einer der lautstärksten Kritiker der Gasleitung, die dem Land erhebliche Einbußen bei Transitgebühren einbrachte und außerdem eine materielle Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg des »Modells Deutschland« darstellte.

Sehr schön ist der Hinweis, der Haftbefehl stütze sich auch auf »Informationen eines befreundeten Dienstes«. Dreimal darf man raten, welcher gemeint ist. Die CIA hat alles Interesse daran, von der 2023 durch Seymour Hersh publizierten Version abzulenken, wonach die Sprengungen im Windschatten eines NATO-Manövers in der Ostsee durch Spezialkräfte der US-amerikanischen und der norwegischen Marine verübt worden seien. Und die ganze aus Karlsruhe inspirierte Story über die gecharterte Segelyacht »Andromeda«, auf der die mutmaßlichen Täter Sprengstoffspuren hinterlassen haben sollten, war ein Teil dieser transatlantischen Verdunkelungsaktion. Irgendwann, in ein paar Jahrzehnten, können Historiker vielleicht in den Akten nachlesen, ob die Bundesanwaltschaft jemals gehofft oder geglaubt hat, einen der Verdächtigen, die sie selbst benannt hat, vor Gericht zu bringen. Jedenfalls hat die Sache alles Zeug dazu, ein »kalter Fall« zu werden.

Die Szenerie erinnert mehr als nur oberflächlich an die Ermittlungen der bayerischen Polizei nach dem Mord an Stepan Bandera im Oktober 1959. Diese wurden absolut lustlos geführt. Die Beamten wussten von den illegalen Aktivitäten und Finanzierungsmethoden der ukrainischen »Freiheitshelden«, die sich in der Zeppelinstraße nahe dem Deutschen Museum eingenistet hatten (und dort bis heute einen Verlag betreiben). Als Hauptverdächtige galten »unbekannte Ukrainer« aus dem quasimafiösen Milieu der »Organisation Ukrainischer Nationalisten«. Zwischen den Zeilen kann man die Auffassung der Ermittler herauslesen, dass es mit Bandera keinen Falschen getroffen habe. Entscheidend für die Einstellung des Verfahrens nach einigen Monaten: Bandera wurde offenkundig durch den BND protegiert, für den er zu arbeiten begonnen hatte, nachdem ihn die USA nicht mehr wollten. Der Abschlussvermerk des ermittelnden Kommissars damals: Polizeilich sei hier nichts mehr zu machen. Manchmal wiederholt sich Geschichte doch, und wieder einmal als Farce.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Oliver S. aus Hundsbach (16. August 2024 um 14:33 Uhr)
    »Und offenkundig hat ein ukrainisches Team den Anschlag ausgeführt, und das ging aber nur mit starker logistischer Unterstützung aus Polen. Das sind Entscheidungen, die auf höchster politischer Ebene gefallen sind, und ich glaube, dass es hier Verabredungen zwischen Präsident Selenskyj und Präsident Duda gegeben hat, diesen Anschlag auszuführen.« So August Hänning (Ex-BND Präsident) heute auf Welt-TV. Ungeachtet des Wahrheitsgehaltes solcher Statements kommt vielleicht eine ungeahnte Dynamik in die Sache. Die Widersprüche und Ungereimtheiten der medialen »Verblödungsindustrie« nehmen ein solches Ausmaß an, dass auch der letzte Einwohner von Hintertupfingen merken sollte: Hier stimmt was nicht! Was sind die Hintergründe dieser Peripetie? Will man raus aus dem Krieg?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth (16. August 2024 um 14:03 Uhr)
    Stimmt nicht. Das war Putin, ich persönlich hatte ihn vorher gefragt, ob wir nicht Stalin für diese Aktion mobilisieren könnten z. B. Fingerabdrücke, DNA Spuren und Ausweis. Worauf Putin sagte, die Aktion ist für Stalin zu klein, da müsste es schon um die gesamte Nazi-BRD gehen, dann würde er sich zur Verfügung stellen. Deshalb habe ich Putin persönlich in dem Taucheranzug geholfen und ihm das Sprengstoffpaket überreicht. Die ganze Aktion hat fünf Minuten gedauert. Wir mussten uns beeilen, damit uns niemand entdeckt. Ich schwöre.
  • Leserbrief von Harryups@t-online.de (16. August 2024 um 11:45 Uhr)
    Schön, das so viele diesen Artikel kommentieren. Ich möchte ermuntern, das man dies auch direkt bei ARD und anderen Sendern tun kann und es mit einem Hinweis auf die Zeitung junge Welt verbinden kann.
  • Leserbrief von Peter Balluff aus Vöhl (15. August 2024 um 14:47 Uhr)
    Es war zu vernehmen, dass die AfD im Osten in Begeisterungsstürme ausgebrochen ist. Ukrainische Taucher kaufen mit finanziellen Mitteln aus der BRD und dem EU-Parlament Sprengstoff, womöglich aus Armeebeständen, mieten ein super teures Boot, statten es vor laufenden Kameras im Hafenbereich mit allem Nötigen aus, um dann die im deutsch/russischen Auftrag gebaute Gaspipeline Nord Stream 2 zu sprengen. Und die polnische Bürokratie warnt jetzt, nach zweijähriger Ermittlung, den Attentäter vor der Verhaftung und bittet ihn, in sein Heimatland zu »verduften.« Und die FDP will jetzt auch noch das Bürgergeld kürzen … Der AfD Kandidat am Infostand zur Landtagswahl im Osten ist in den nächsten vier Wochen förmlich im »Wellness Urlaub.« Er muss die Bürger und -innen doch einfach nur noch fragen: »wollt ihr, dass so mit euch umgegangen wird, weniger Geld im Portemonnaie und hohe Gaspreise im Winter?« Da das wohl mehrheitlich verneint wird, hier die Wahlprognose für Thüringen, Sachsen und …: CDU und AfD 20 %, BSW 15 %, SPD einstellig und die Grünen und die FDP sind weg vom Fenster. Möge dann bloß nicht wieder das »Gejammere« losgehen.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (15. August 2024 um 13:04 Uhr)
    Eine Reparatur der Pipeline Nord Stream 2 wäre relativ einfach möglich. Man bräuchte lediglich das beschädigte Rohrsegment gegen ein neues auszutauschen. Die Beschädigung der Demokratie sowie der Vertrauensverlust in die Politik und den vielgepriesenen Rechtsstaat sind jedoch auf unabsehbare Zeit gänzlich irreparabel. Und das gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen wegen des Sabotageakts gegen die Bundesrepublik Deutschland, dessen Planung und Durchführung wohl ohne Wissen und Duldung von höchster politischer Stelle seitens der BRD kaum denkbar ist sowie zum anderen, wegen der gezielten Verschleppung und Verhinderung jeglicher auch nur halbwegs glaubwürdigen Aufklärung. Das wahre Ausmaß dieses ebenso unfassbaren wie ungeheuerlichen Terroraktes lässt sich gegenwärtig noch gar nicht abschätzen und wird aufgrund der weiteren geschichtlichen Entwicklung vielleicht erst künftigen Generationen von (dann hoffentlich nicht korrupten) Historikern möglich sein. Vergleichbares hat es in der bisherigen Geschichte Deutschlands noch nicht gegeben.
    • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (15. August 2024 um 14:47 Uhr)
      »Das wahre Ausmaß dieses ebenso unfassbaren wie ungeheuerlichen Terroraktes lässt sich gegenwärtig noch gar nicht abschätzen.« Wer der vermutliche Urheber dieses Terroranschlags gegen deutsche Infrastruktur war, ist den meisten Deutschen klar – wenn sie es auch nicht alle aussprechen. Biden hat es ja in seiner dementen Offenheit vor aller Welt im Weißen Haus in Gegenwart des Bundeskanzlers verkündet, dass die USA dafür sorgen werden, dass Nord Stream 2 nicht mehr funktioniert. Sie sind auch die Hauptnutznießer davon. Es gibt ein Motiv, eine öffentliche Vorankündigung und eine Recherche von Hersh, welche im Gegensatz zur jetzt verbreiteten Story wesentlich einleuchtender ist. Nähere Informationen über die Untersuchungsergebnisse wird Deutschland erst zu einem Zeitpunkt veröffentlichen, wenn es eine deutsche Regierung es als opportun erachtet, die Beziehungen eines Vasallen der USA zu beenden. Das kann Jahrzehnte dauern, aber vielleicht doch nicht so lange, als dass man dann keine Zeugen mehr für die heutigen Verschleierungen mehr auftreiben könnte. Nord Stream 2 wird eines der Hauptargumente sein, den USA die Freundschaft zu kündigen, möglicherweise nach weiteren für den Westen ungünstig verlaufenden Kriegen. Es war keine sehr kluge Entscheidung der USA, denn es hat auch vielen Anhängern Zweifel an der »transatlantischen Freundschaft« aufkommen lassen. Wie in einer schlechten Ehe kann zwar lange viel geduldet und unter den Teppich gekehrt werden, was dann bei der Scheidung unweigerlich auf den Tisch kommt. Dafür werden nicht Historiker sorgen, sondern in einem anderen politischen Umfeld die deutsche Regierung selbst.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (15. August 2024 um 10:54 Uhr)
    Der Regierungsbeamte Rommel (Nomen est omen), seines Zeichens Generalbundesanwalt der BRD, hat einen Job erledigt. Nach »nur« zwei Jahren intensivster Ermittlungsarbeit hat man einen Ukrainer als Hauptverdächtigen in Sachen Sprengung Nord Stream 2 herausgefunden. Freilich nur durch Hinweise eines »befreundeten Dienstes«. Über Effektivität soll hier mal lieber nicht diskutiert werden. Aber ganz nach dem bekannten Motto, dass der Feind unseres Feindes automatisch unser Freund ist, hat Rommels Behörde den Verdächtigen angerufen. Vermutlich um herauszufinden, ob der Haftbefehl in Ordnung geht. Der Verdächtige hat sich dafür mit dem Untertauchen bedankt. Sache erledigt, Akte geschlossen und dem »befreundeten Dienst« wird es recht sein.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (15. August 2024 um 10:45 Uhr)
    Hat sich der Nebel über der Ostsee etwa gelichtet? Knapp zwei Jahre nach den mysteriösen Vorfällen rund um die Nord-Stream-Pipelines am Meeresgrund präsentiert der Generalbundesanwalt endlich ein »Ermittlungsergebnis« – in Form eines ersten Haftbefehls. Es ist bemerkenswert, wie Bundespolizei und BKA unter der weisen Führung des Generalbundesanwalts unermüdlich ermitteln. Schließlich muss der Eindruck politischer Einflussnahme unbedingt vermieden werden. Während Dänemark und Schweden ihre Ermittlungen längst abgeschlossen haben, ist Deutschland natürlich noch immer mit vollem Eifer dabei. Ob die Ergebnisse am Ende ausreichen, um die richtigen Täter zu überführen und vor Gericht zu bringen, bleibt jedoch spannend. Oder wird uns hier lediglich ein Fortschritt im »großen Krimi« um die europäische Infrastruktur verkauft? Der Tatverdächtige bleibt jedenfalls ein Phantom, und es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir erfahren, wie Präsident Joe Bidens Versprechen, Nord Stream 2 »ein Ende zu setzen«, tatsächlich in Erfüllung ging.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (15. August 2024 um 13:14 Uhr)
      Weder Schweden noch Dänemark hat Ermittlungen abgeschlossen. In beiden Staaten wurden die Ermittlungen eingestellt: »Knapp einen Monat nach Schweden stellen auch die dänischen Behörden ihre Ermittlungen im Zusammenhang mit den Explosionen von Nord Stream 1 und 2 ein.«. Mehr Details hier: https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/nord-stream-daenemark-stellt-ermittlungen-ohne-angabe-von-gruenden-ein/
  • Leserbrief von Martin Mair aus Söchau (14. August 2024 um 22:22 Uhr)
    Prof. Christian Rieck hat in einem Interview mit einem Wehrtechnikexperten schon frühzeitig aufgezeigt, dass der Anschlag gegen Nord Stream 2 wahrscheinlich von militärischen Kräften gemacht wurde. Wohl mindestens eine Nummer zu groß für Tauchertrupp mit dem Segelboot. https://www.youtube.com/watch?v=kf_IIf2e0Ek So oder so. Auffallend ist, wie wenig Infos bekannt gegeben werden und letztlich alles weiter im Bereich der Spekulationen bleibt. Angesichts des Ausmaßes dieses (Wirtschafts)Verbrechen, des Milliardenschadens, auch für die unter den Teuerungen leidenden abermillionen Konsumenten, höchst bezeichnend, wie wenig Priorität die Aufklärung dieses Terroranschlags zu haben scheint.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (14. August 2024 um 19:57 Uhr)
    Wenn mich deutsche Behörden wegen der Pipelinesprengung angerufen hätten, hätte ich mich auch überrascht geäußert. So ist es halt, wenn man Leute zu Dingen fragt, mit denen sie nichts zu tun hatten.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (14. August 2024 um 19:46 Uhr)
    Bemerkenswert ist an der ganzen Sache nur, für wie blöd deutsche Politik und Medienlandschaft den »mündigen Bürger« halten. Als Nächstes wird man uns wohl erzählen, wie ein ukrainischer Kindergarten erfolgreich den Kreml gestürmt hat.

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