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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 4 / Inland
Reaktionärer Staatsumbau

FBI-Methoden für Deutschland

Bundesinnenministerin will Polizei »verdeckte« Durchsuchungen erlauben. Dabei sollen auch »Staatstrojaner« installiert werden dürfen
Von Karim Natour
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»War da etwa jemand in der Wohnung?« – Das wird man sich zukünftig wohl regelmäßig fragen müssen

Dietrich rein, Tür auf, Trojaner rauf – und raus. So oder so ähnlich könnten Hausdurchsuchungen in Deutschland zukünftig aussehen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) plant aktuell, dem Bundeskriminalamt (BKA) zukünftig Geheimdienstmethoden wie das heimliche Eindringen in Wohnungen für unbemerkte Durchsuchungen zu erlauben. Das berichtete die Taz am Dienstag. Der Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeskriminalamts- und des Bundespolizeigesetzes soll »die Befugnis zum verdeckten Betreten von Wohnungen als Begleitmaßnahme für die Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung« umfassen, wie RND am Mittwoch berichtete. Zuletzt stand der Entwurf wegen des vorgesehenen Einsatzes von Gesichtserkennungssoftware in der Kritik.

Bisher dürfen Durchsuchungen nur bei Anwesenheit der betroffenen Person beziehungsweise unabhängiger Zeugen und mit richterlichem Beschluss durchgeführt werden. Auch das unbemerkte Installieren von Spähsoftware, sogenannter Staatstrojaner, bei der Durchsuchung soll zukünftig erlaubt sein. Zwar sieht die Strafprozessordnung bereits jetzt sogenannte Onlinedurchsuchungen vor. Dafür müssen Beschuldigte allerdings auf »Phishing-Links« in ominösen E-Mails klicken – darauf fallen viele jedoch schlicht nicht herein.

Faeser hatte am Montag beim Bundesnachrichtendienst (BND), dem deutschen Auslandsgeheimdienst, in Köln die »Bedrohungslage« des islamistischen Terrors in Deutschland skizziert. Vor diesem Hintergrund sei es »völlig selbstverständlich, dass die Sicherheitsbehörden entsprechende Befugnisse haben müssen, um dem begegnen zu können«, erklärte ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch zu den geplanten verdeckten Durchsuchungen.

Voraussetzung für eine verdeckte Durchsuchung ist laut dpa, dass »eine konkretisierte Gefahrenlage hinsichtlich der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags im Raum steht«. Zweck der Maßnahme könne unter anderem sein, potentielle Tatmittel ohne Wissen des Betroffenen unbrauchbar zu machen.

Mit den geplanten Änderungen könnte die deutsche Kriminalpolizei sich noch weiter zu einem dem Innenministerium unterstellten Dienst mit umfangreichen Befugnissen und technischen Möglichkeiten entwickeln – ähnlich wie das in den USA dem Justizministerium unterstellte FBI. Der Schritt reiht sich ein in den zunehmend autoritären Kurs der Bundesregierung, die in den zurückliegenden Monaten unter dem Vorwand der »Terrorabwehr« umfangreiche Gesetzesverschärfungen und Vereinsverbote auf fragwürdiger Grundlage vorangetrieben hat.

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), befürwortete den Vorschlag gegenüber dem RND: »Es sind ernste Zeiten. Und das BKA braucht moderne Ermittlungsbefugnisse und -mittel.« Gleichzeitig sei »völlig klar, dass es diese Befugnisse bloß im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung geben kann«.

Der Rechtsanwalt Udo Vetter nannte die Maßnahme gegenüber jW einen »schwerwiegenden Eingriff in die im Grundgesetz verankerte Unverletzlichkeit der Wohnung«. Rechtsstaatliche Grundsätze würden aufgeweicht, auch weil betroffene Personen gegen die Maßnahmen keine gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen könnten – da diese den Betroffenen gar nicht bewusst sei. Die erweiterten Befugnisse könnten zudem als »Türöffner« dienen, befürchtet Vetter. Wenn das BKA mehr Befugnisse erhalte, werde später gefordert, das Vorgehen auch auf normale Straftaten auszuweiten, bis es schließlich zur »Standardmaßnahme« werde. Die bloße Möglichkeit einer heimlichen Durchsuchung führe außerdem zu »Furcht und Konformitätsdruck« bei der Bevölkerung.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (15. August 2024 um 14:48 Uhr)
    Der Elektrobastler muss sich vor diesem Hintergrund Gedanken darüber machen, ob er das Motto einer Fernsehserie abwandelt und mit versteckter Kamera seine eigene Wohnung beobachtet. Ob sich die verdeckte ErmittlerIn auf Persönlichkeitsrechte berufen könnte? Frau Faeser sollte vorsorglich Überwachungskameras in privaten Innenräumen gleich mitverbieten.
  • Leserbrief von Alexander Majer-Wendelstein aus Feldkirch/Österreich (14. August 2024 um 21:27 Uhr)
    Deutschland marschiert stramm in Richtung Diktatur. Eine Mediendiktatur haben wir bereits und die Politik spielt mit den modernen Mitteln der Überwachung und Auspähung. Sich amerikanische Dienste wie das FBI zum Vorbild zu nehmen und von einer islamistischen Gefahr zu reden, der begegnet werden müsse, ist nur eine schlappe Ausrede der Bundesinnenministerin, die in Deutschland den Überwachungsstaat etablieren will. Ich kann nur staunen. Früher hieß es, Frauen müssten in die Politik gehen, da sie mitfühlsamer und insgesamt emotional den Männern überlegen seien. Doch nun sehe ich an zahlreichen Beispielen, dass Frauen genauso kriegslüstern, verlogen, verschlagen und moralisch verkommen sind wie männliche Politiker. Frau Faeser ist untragbar im Amt der Innenministerin, genauso wie Karl Lauterbach als Gesundheitsminister längst untragbar geworden ist. Nancy Faeser, Annalena Baerbock, Ursula von der Leyen etc. sind allesamt unfähig und bedienen sich nur aus den Töpfen der Steuerzahler zu ihrem eigenen Vorteil. Faeser zerstört wissentlich und mit Absicht die Rechtsgrundlagen in Deutschland und hat dabei die Unterstützung von Kanzler Scholz. Die komplette Regierung ist ein einziger, großer Reinfall und gehört vor Gericht und hinter Gittern, dass sie allesamt ihren Amtseid gebrochen haben, und zwar schon viel male.

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