Wirbel um US-Verwicklung
Von Thomas BergerHatten bei den von Interimspremier Muhammad Yunus als »Revolution der Studenten« bezeichneten Ereignissen in Bangladesch etwa doch ausländische Mächte ihre Hände im Spiel? Am 5. August war Premierministerin Scheich Hasina nach der Erstürmung ihres Amtssitzes und wochenlangen Protesten zurückgetreten. Ihr Sturz sei letzten Endes auf ihren Widerstand zurückzuführen, den USA eine strategisch wichtige Insel im Golf von Bengalen zu überlassen, behaupteten vor allem indische Medien unter Berufung auf ein Schreiben. Bei dem Schriftstück soll es sich um das Manuskript einer Rede handeln, die sie angeblich direkt vor der Bekanntgabe ihres Rücktritts habe halten wollen, wozu es aber nicht mehr kam.
Real ist zumindest das Eiland, von dem in dem Text die Rede ist. Im Westen als Sankt Martin bekannt, lässt sich der einheimische Name des nur drei Quadratkilometer großen Atolls mit Kokosnussinsel übersetzen. Sie ist der südlichste Punkt Bangladeschs und liegt nahe der Grenze vor Myanmar. Dessen frühere Gebietsansprüche wurden in einem Abkommen 1974 weitgehend beigelegt. Etwa 3.700 bis 3.800 Menschen sollen aktuell auf der Insel leben. Ein kurzer Blick auf die Landkarte reicht aus, um zu sehen, dass dieser winzigen vorgelagerten Landmasse enorme strategische Bedeutung zukommt. Mit einer etwaigen Luftwaffenbasis auf der Insel könnten die USA oder eine andere Macht tatsächlich den Golf von Bengalen kontrollieren – ein Meeresabschnitt, in dem Indien, China und der Westen wechselseitig um Einfluss ringen und der eine wichtige Verbindung für die globale Schiffahrt auf dem Weg zwischen Europa, dem Nahen Osten und dem asiatisch-pazifischen Raum ist.
Es war zuerst die indische Tageszeitung The Economic Times, die von der Rede berichtete. Etliche andere Medien zogen nach. Ihnen zufolge sei es bei einem inszenierten Umsturz darum gegangen, Hasinas Erzrivalin Begum Khaleda Zia von der rechtskonservativen Bangladesh Nationalist Party (BNP) nach 15 Jahren Regentschaft der liberalen Awami-Liga wieder zurück an die Macht zu bringen. Khaleda habe sich angeblich bereit erklärt, den USA die Insel zu überlassen, wogegen sich Hasina wiederum seit geraumer Zeit gewehrt habe. Dass Washington diesbezüglich wachsenden Druck auf Hasina ausgeübt hatte, sei von dieser schon früher betont worden, schrieb The Daily Star, eine der führenden Zeitungen Bangladeschs, in der vergangenen Woche.
Von keiner Seite wurde der Vorwurf in Richtung USA bisher bestätigt. Im Gegenteil, das Weiße Haus wies eine US-Verwicklung als »einfach falsch« zurück. Auch Sajeeb Wazed, Hasinas in den USA lebender Sohn, äußerte sich zu Wochenbeginn auf X: Die Story der Economic Times entbehre jeder Grundlage. Seine Mutter habe ihm gegenüber betont, dass sie weder vor noch nach ihrer Flucht aus Dhaka irgendein Statement abgegeben habe. Das angebliche Rücktrittsschreiben sei »komplett falsch und fabriziert«. Bereits am Wochenende hatte Sajeeb angedeutet, seine Mutter könnte in die Heimat zurückkehren, sobald der Termin für Neuwahlen stehe. Ähnliche Äußerungen kamen von der BNP in bezug auf deren Frontfrau, Khaleda Zia. Sie könne nochmals antreten, wenn ihre Gesundheit das zulasse. Eine achtköpfige Delegation der bislang wichtigsten Oppositionspartei war am Montag von Interimspremier Yunus zu einem gut einstündigen Gespräch empfangen worden. Es habe sich um einen allgemeinen Austausch über mehrere Themen gehandelt, so das anschließende Statement vor Reportern. Einen Tag später wurde bekannt, dass gegen Hasina Mordermittlungen wegen getöteter Demonstranten eingeleitet wurden. Ihre Rückkehr scheint dadurch unwahrscheinlich.
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