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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Discounter

Und … Action!

Niederländischer Non-Food-Discounter mischt Markt in BRD auf, Lidl in Panik
Von Gerrit Hoekman
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»Kleine prijzen, grote glimlach!« (Einkaufstasche in Neuss)

Das Städtchen Werne bei Unna kriegt demnächst eine, Bitterfeld hat sie schon und in Halle (Saale) sind es bereits drei – die niederländische Kette »Action« wirbelt den Markt für billige Non-Food-Produkte, also alles außer Lebensmittel, durcheinander. Die Filialen schießen wie Pilze aus dem Boden und stoßen auf großes Interesse. In Bitterfeld warteten die Kundinnen und Kunden in einer langen Schlange auf die erste Ladenöffnung, berichtete die Mitteldeutsche Zeitung. Besonders Platzhirsch Lidl gerät angesichts dieses Hypes in Panik.

Im Juli verglich Lidl in einem Handzettel die Preise seiner Eigenmarke »Parkside« mit denen ähnlicher Produkte bei Action. Lidl zeichnete die gleichen Preise aus wie der Konkurrent, verwies aber auf die angeblich bessere Qualität und Ausstattung der eigenen Produkte. Nie zuvor griff der Konzern zu solch einer Maßnahme, die in der Branche absolut unüblich ist. Aus gutem Grund: Der Handzettel von Lidl macht auch die Angebote des Mitbewerbers bekannt, der dafür nicht einmal Geld bezahlen muss. »Eine solche Werbung hilft nur dem Konkurrenten«, sagte Marketingexperte Marc Houppermans im Handelsblatt am Dienstag. »Damit hebst du Action auf ein Podest.« Außerdem signalisiere der Marktführer, dass er die Preise von Action nicht unterbieten könne. Houppermans muss es wissen. Er arbeitete lange Jahre im Management von Aldi Nord.

»Kleine prijzen, grote glimlach« (Kleine Preise, großes Lächeln) – mit diesem Slogan wirbt Action in den Niederlanden. Das Lächeln in der Chefetage des Discounters aus dem nordholländischen Städtchen Medemblik am IJsselmeer dürfte sehr breit gewesen sein, als die Kunde von der Lidl-Kampagne in Deutschland herumging. Action wächst rasant. »Was wir machen und die Art und Weise wie, macht uns kein anderer Handelskonzern nach«, lobt sich das Unternehmen selbst. Angefangen hat Action 1993 mit einem einzigen Geschäft in Enkhuizen. 2023 umfasste die Kette bereits über 2.650 Filialen mit rund 65.000 Beschäftigten. Außer in den Niederlanden und Deutschland noch in Belgien, Österreich, Luxemburg, Polen, Italien, Frankreich, Spanien, Tschechien, der Slowakei und Portugal. Seit 2011 hält der in London ansässige, private Investmentfonds »3i Group PLC« die Mehrheit der Anteile an Action.

In Deutschland betreibt die Kette aktuell 546 Filialen. »Wir sehen großes Potential im deutschen Markt«, sagte die Vorstandsvorsitzende Hajir Hajji gegenüber dem Handelsblatt. Hajji hat das Geschäft, wenn man so will, von der Pike auf gelernt. Als 17jährige räumte die 1980 geborene Tochter marokkanischer Eltern bei Action Regale ein. Ein Jahr später war sie bereits Filialleiterin und stieg dann ebenso schnell auf, wie das Unternehmen expandierte. Seit 2022 ist sie CEO.

Action verkauft in erster Linie Güter wie Bratpfannen, Papierkörbe oder Wäscheklammern und konkurriert vor allem mit Tedi und Woolworth. Lidl ist hingegen von Hause aus Lebensmitteldiscounter wie Aldi, Penny oder Netto. In all diesen Märkten tragen aber Non-Food-Angebote einen Großteil zu den Gewinnen bei. Action dringt nun in das Segment ein. Nach eigenen Angaben steigerte das Unternehmen seinen Umsatz 2023 auf 11,3 Milliarden Euro – ein Plus von 27,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im ersten Halbjahr 2024 waren es erneut 20 Prozent mehr.

»Action wird bei Lidl intern als große Bedrohung wahrgenommen«, erfuhr das Handelsblatt von einer ehemaligen Führungskraft. »Wir beobachten eine deutliche Verschiebung der Marktanteile von den Lebensmitteldiscountern hin zu spezialisierten Non-Food-Discountern«, sagte Christian Koch vom Marktforschungsinstitut CPS dem Düsseldorfer Blatt. »Die Lebensmitteldiscounter tun sich immer schwerer damit, mit ihrem Aktionssortiment jüngere Kunden zu erreichen.«

Hinzu kommt, dass Non-Food-Artikel, die bei Lidl und Aldi nur hin und wieder angeboten werden, bei Action oft zum Basissortiment gehören. Und stark gestiegene Lebensmittelpreise setzen Kundinnen und Kunden unter Sparzwang. Früher schlugen sich die Leute bei Aldi wortwörtlich um günstige Computer oder den billigen Thermomix. »Was Lidl und Aldi jahrelang auszeichnete, war ein Gespür dafür, was sich der Durchschnittskunde wünscht«, meinte das Handelsblatt. Das Gespür scheint verloren.

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