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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Das übliche Schlachtvieh

Sexy Parasit auf der Raumstation: Der neue »Alien«-Film »Alien: Romulus«
Von Maximilian Schäffer
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Willst du mit mir gehn? Ja – nein – vielleicht

Das Xenomorph XX121, im gemeinen Volksmund schlicht »Alien« genannt, ist ein recht possierliches Wesen. Ausgestattet ist es mit zwei silbernen Gebissen im Bananenschädel, einer schlagkräftigen Zunge, einem riesigen Skorpionstachel, langen Klauen und einem nach außen gekehrten Gerippe. Selbstverständlich legt es Eier und hinterlässt dabei eine Spur delikates Königswasser.

H. R. Giger, der schweizerische Meister der biomechanischen Neo­gotik, entwarf einst die Grundzeichnung für das außerirdische Monster. Seit 1979 tummelt sich der sexy Parasit nun auf der Leinwand und in den Jugendzimmern. Längst ist aus Ridley Scotts ursprünglichem Science-Fiction-Horrorfilm mit eher kleinem Budget eine riesige lizenzierte Handelsmarke, ein sogenanntes Franchise geworden. Wenig überraschend sind alle kreativen Rechte mittlerweile im Besitz der Walt Disney Company.

Zusammen mit dem nun erscheinenden Werk »Alien: Romulus« zählt die Reihe sieben mehr oder weniger logisch abfolgende Teile und dazu zwei Ableger im Geiste des Originals. Der uruguayische Regisseur Fede Álvarez zeichnet für den aktuellen Film verantwortlich, der auf der Zeitlinie der Weltraumsaga wohl zwischen dem ersten und dem zweiten Teil (»Aliens«, James Cameron, 1986) angesiedelt sein soll. Álvarez ist Horror- und Effektspezialist, zu seinen bisherigen Werken zählen die Regie bei der Wiederauflage von »Evil Dead« (2013) und das Drehbuch für jene vom »Texas Chainsaw Massacre« (2022).

Ein Wiederaufguss eines Franchise also, vom Spezialisten für Wiederaufgüsse? Klingt nach Hollywood-Stangenware, ist im Falle »Alien: Romulus« allerdings deutlich weniger schlimm als vielleicht gedacht. Das größte Plaisir an diesem recht austauschbaren Weltraumhorror sind seine Spezialeffekte und atmosphärischen Tricks, die man sich zweifellos von allen möglichen Vorgängern der spezifischen Geschichte abgeguckt hat. Los geht es in einer planetaren Kolonie, die in ihrer retrofuturistischen Schmutzigkeit doch deutlich an Ridley Scotts »Blade Runner« (1982) erinnert. Hauptfigur ist eine junge Frau namens Rain Carradine, gespielt von Cailee Spaeny, die zuletzt in »Priscilla« (2023) die Titelfigur Priscilla Presley mimte. Rain schuftet als Leibeigene eines intergalaktischen Konzerns in der Weltraummine und will zusammen mit ihren Freunden dem Sklavenschicksal entkommen. Aus irgendeinem Grund brauchen sie dazu einen Menschenkühlschrank. Den hoffen sie auf einer verlassenen Raumstation in der Atmosphäre zu finden.

Unter den austauschbaren Protagonisten, das übliche Schlachtvieh jedes zweitklassigen Horrorfilms, befindet sich auch ein Android namens Andy (David Jonsson). Ein Android, im Film auch »Synthetic« genannt, ist ein menschenähnlicher Roboter, der Gefühle und andere Regungen perfekt emulieren kann. Vielleicht weil Rain Vollwaise ist, braucht sie genau so einen Partner und ist in Android Andy verschossen. So oder ähnlich verhält es sich immer wieder innerhalb der unergründlichen Logik des »Alien«-Kosmos. Ah ja, zur erhöhten Dramatisierung der grauslichen Sachverhalte befindet sich eine Schwangere namens Kay (Isabela Merced) unter den Opfern der Filmhandlung.

Auf der verlassenen Raumstation also befindet sich ein Forschungslabor, und der geneigte Kenner alles Ekelhaften ahnt es schon: Es beherbergt das Alien. Hübsch im Geiste des frühen 20. Jahrhunderts mäht Benjamin Wallfischs Soundtrack mit Celli und ordentlich Bass durch die verlassenen Korridore und Schleimberge. Schon springen die ersten sogenannten Facehugger ihren Opfern ins Gesicht und durch die Kehle. Brustkörbe platzen, Geigenbogen flitzen, Schatten werfen sich auf Apparaturen und Leichen. So muss es sein, so macht es Spaß.

Entsprechend fühlt sich »Alien: Romulus« mehr wie ein Videospiel denn als Film an. Alle Avatare müssen verschiedene Levels der Prüfung bestehen. Geschicklichkeitstests mit Knarren, flitzenden Untieren und schwebender Säure, die sich in der Schwierigkeitsstufe steigern. Auch die Endgegner werden zunehmend fiese, und zum großen Finale hat sich Regisseur Álvarez noch etwas besonders herzergreifend Ekelhaftes einfallen lassen. Serviert zum ganzen reizüberflutenden Spektakel werden »coole« Sprüche aus den 80ern: »Stirb, Motherfucker!«

Wie jedes Franchise zieht auch das »Alien« genug Deppen an, die seine Actionfiguren, Sammelplastikbecher und sonstige Verwurstungen dankbar und immer wieder kaufen. Wer außer ein bisschen Unwohlsein nichts zum Abendessen braucht, der darf auch hier zuschlagen. Oder wartet auf den nächsten Teil. Nur Geduld! Die Taktfrequenz der »Alien«-Filme beträgt im Durchschnitt fünf Jahre. Und wer nicht warten kann, der spielt einfach weiter Playstation.

»Alien: Romulus«, Regie: Fede Álvarez, USA/UK 2024, 119 Min., Kinostart: heute

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