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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 16 / Sport
Olympia

Der kubanische Gigant

Als erster Athlet gewann der Schwergewichtsringer Mijaín López Núñez fünfmal in Folge Olympiagold. Nun sagt er Adios
Von Sören Bär
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Einfach mal lupfen: Mijaín López Núñez (hinten) macht kurzen Prozess mit Yasmani Acosta Fernández (Paris, 6.8.2024)

Von ARD und ZDF nahezu ignoriert, wurde in Paris Sportgeschichte geschrieben: Im olympischen Finale im Schwergewicht schlug der kubanische Ringer Mijaín López Núñez den Chilenen Yasmani Acosta Fernández nach Punkten mit 6:0. López blieb damit seit Beijing 2008 16 Jahre lang bei Olympischen Spielen ungeschlagen und hat nunmehr fünf Olympiasiege in Folge in der 120-bis 130-Kilogramm-Klasse im griechisch-römischen Stil gewonnen. Noch nie zuvor war es einem männlichen Ringer gelungen, fünf olympische Titel zu erobern. Noch beeindruckender ist jedoch ein weiterer Rekord, den der Kubaner nun hält: Er ist auch der einzige Athlet, der bei Olympia fünf Goldmedaillen in Folge in derselben Einzeldisziplin gewann. Nach Tokio 2021 stand López bereits auf einer Stufe mit der japanischen Ringerin ­Kaori Ichō und Paul Elvstrøm (Dänemark, Segeln) sowie den US-Athleten Carl Lewis (USA/Leichtathletik, Weitsprung), Michael Phelps (Schwimmen, 200 Meter Freistil), Katie Ledecky (Schwimmen, 800 Meter Freistil) und Al Oerter (USA/Leichtathletik, Diskus), die alle ohne Unterbrechung viermal denselben Olympiawettbewerb gewonnen hatten. López hat sie jetzt übertroffen und dabei nicht nur der jüngeren Konkurrenz, sondern auch dem eigenen Körper getrotzt. Laut seinem Coach Raul Trujillo erlitt López vier Bandscheibenvorfälle.

Im Anschluss an seinen fünften Olympiatriumph im Finalkampf in der Champ-de-Mars-Arena genoss López erst die Ovationen des begeisterten Publikums und warf seinen Trainer auf die Ringermatte. Dann ging er auf die Knie und küsste sie. Er zog seine Schuhe aus und ließ sie in der Mitte der Matte zurück – ein unter Ringern verbreitetes Ritual als Allegorie für das Ende der aktiven Karriere.

Der mit 1,95 Metern imposante López wurde am 20. August 1982 in Herradura in der Provinz Pinar Del Río an der Westspitze Kubas geboren. Wegen seiner hünenhaften Gestalt wird er auch als »Riese von Herradura« (»Gigante de Herradura«) bezeichnet. López gewann seinen ersten großen Titel bei den Panamerikanischen Spielen 2003 in Santo Domingo. Seither hat er diesen Titel dreimal verteidigt, 2007, 2011 und 2015.

Zudem wurde er 2005, 2007, 2009, 2010 und 2014 Weltmeister im griechisch-römischen Stil im Schwergewicht. Er war bei den letzten vier olympischen Eröffnungszeremonien jeweils der Fahnenträger seines Landes. Mit seinem jüngsten Sieg gewann López den 22. Kampf bei Olympischen Spielen in Folge, seine einzige Olympianiederlage liegt bereits 20 Jahre zurück: In Athen 2004 unterlag er im Viertelfinale dem Russen Chassan Barojew, seinem ersten großen Rivalen auf der globalen Bühne. Barojew gewann am Ende Gold – damals war das Schwergewicht noch bis auf 120 Kilogramm limitiert. López konnte Barojew bei der Weltmeisterschaft im Folgejahr 2005 erstmals besiegen, doch der Russe setzte sich im Finale der Weltmeisterschaften 2006 in Guangzhou (China) gegen López durch. Im darauffolgenden Jahr revanchierte sich wiederum der Kubaner in Baku (Aserbaidschan), indem er Barojew besiegte und sich den zweiten Weltmeistertitel nach 2005 sicherte. López würdigte seinen großen Rivalen mit den Worten »Barojew ist mein größter Gegner. Das Gold gehört entweder ihm oder mir.«

López, der 2009 in Herning (Dänemark) und 2010 in Moskau (Russland) erneut Schwergewichtsweltmeister wurde, verlor seinen Titel 2011 in Istanbul, als er im Finale dem Türken Rıza Kayaalp unterlag, der an Stelle Barojews zum Hauptkonkurrenten des Kubaners wurde. Bei Olympia in London 2012 trafen sie im Halbfinale erneut aufeinander. López errang einen komfortablen Sieg und sicherte sich schließlich seine zweite Goldmedaille. Fortan eiferte er seinem Vorbild Alexander Karelin (Russland) nach, der 1988 in Seoul, 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta jeweils Gold gewonnen hatte. 2016 in Rio de Janeiro zog López mit ihm gleich: »Ich bin so stolz, das gleiche Niveau wie der große Karelin erreicht zu haben, das ist einfach eine enorme Ehre«, betonte er damals. López setzte seinen beeindruckenden Siegeszug bei den verschobenen Olympischen Spielen in Tokio im Jahr 2021 fort und gewann im selben Monat, in dem er 39 Jahre alt wurde, sein viertes olympisches Gold. Nach dem Sieg sagte er: »Ich muss unserem Comandante (Fidel Castro, S. B.) und der kubanischen Revolution für dieses Ergebnis danken.« Der Abschied vom Leistungssport wird López nicht leichtfallen: »Das Ringen hat mein Leben bestimmt, Ringen war die Liebe meines Lebens«, resümierte er seine glänzende Karriere.

Kuba ist das erfolgreichste lateinamerikanische Land bei den Olympischen Spielen: 244 Medaillen, darunter 86 goldene, sind angesichts von nur elf Millionen Einwohnern eine beeindruckende Bilanz. Das erinnert an die Erfolge der Sportnation DDR. Die herausragenden kubanischen Ergebnisse kamen zustande, nachdem dank der Revolution der Zugang zum Sport demokratisiert und ein staatlicher Plan eingeführt wurde, der allen Einwohnern kostenlosen Zugang zu Sporteinrichtungen gewährte. Hervorragend ausgebildete Trainer, die an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig studierten, begründeten das hohe Niveau des kubanischen Sports. Die Leichtathleten Javier Sotomayor, Iván Pedroso und der Boxer Teófilo Stevenson erlangten weltweiten Ruhm. Vor der Revolution gewann Kuba zwischen 1896 und 1960 nur zwölf Medaillen – alle Goldmedaillen entfielen dabei auf das Fechten, einem der Oberschicht vorbehaltenen Sport. 232 Medaillen wurden nach der Revolution errungen, die meisten davon in den Sportarten, die von der Arbeiterklasse ausgeübt wurden: Boxen und Ringen.

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