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Aus: Ausgabe vom 16.08.2024, Seite 2 / Ausland
Südasien

Protest am Unabhängigkeitstag

Indien: Mord an Assistenzärztin in Kolkata treibt Tausende auf die Straße
Von Jörg Tiedjen
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Unter dem Motto »Die Nacht zurückfordern« verlangten Tausende Frauen zum Auftakt des Unabhängigkeitstags »Keine Gnade für Vergewaltiger« (Kolkata, 15.8.2024)

Es sei nicht weniger als ein »kollektives Aufwachen«, ja ein »historischer Moment«, schrieb das Onlinemagazin The Wire am Donnerstag, dem indischen Unabhängigkeitstag. Am späten Mittwoch abend kurz vor Mitternacht waren im ganzen Bundesstaat Westbengalen Frauen und auch Männer zu Tausenden auf die Straßen geströmt, um unter dem Motto »Die Nacht zurückfordern!« gegen die mutmaßliche Vergewaltigung und Ermordung einer Assistenzärztin in der Landeshauptstadt Kolkata zu protestieren.

»Genug ist genug«, sei die Botschaft. Die Demonstranten werfen der herrschenden Politik vor, nicht nur den Schutz von Frauen insbesondere in der Nacht zu vernachlässigen, sondern auch Täter zu schützen. In der Gemeinde Dinhata im Nordosten des Bundesstaats soll denn auch ein Vertreter der in Westbengalen regierenden konservativen Partei Trinamool Congress (TMC) Frauen, die an den Kundgebungen teilnehmen wollten, »dreist bedroht« haben – allerdings ohne Erfolg.

Anscheinend blieb es nicht bei bloßen Einschüchterungen: Während der nächtlichen Proteste stürmte ein Schlägertrupp das R. G. Kar Medical College in Kolkata, in dem das Verbrechen stattgefunden hatte, ohne von der Polizei davon abgehalten zu werden. Die mit Knüppeln bewaffneten Randalierer seien mit einem Lkw vorgefahren und hätten das zum Protest versammelte Krankenhauspersonal angegriffen und dessen Bühne zerstört. Am Ende seien sie unter Tränengaseinsatz von einer Sondereinheit vertrieben worden. Anders, als zunächst berichtet worden war, sei der abgesperrte Tatort jedoch nicht verwüstet worden, um Spuren zu verwischen, hielt The Times of India fest.

Kurz nach der Attacke in der Klinik habe sich dann erstmals die TMC-Führung zu Wort gemeldet und die Ausschreitungen verurteilt. Laut The Wire wirft sowohl die in Neu-Delhi regierende extrem rechte Indische Volkspartei (BJP) als auch die Kommunistische Partei Indiens – Marxisten (CPI-M) dem TMC vor, hinter dem Überfall zu stehen.

Ausgelöst hatte die jüngsten Massendemonstrationen der Tod einer 31jährigen Medizinerin, die sich noch in der Ausbildung befand. Ihr Leichnam war am vergangenen Freitag in einem Seminarraum der Universitätsklinik gefunden worden. Eine Autopsie deutete auf sexuelle Gewalt hin. Die Polizei hat einen Verdächtigen festgenommen, und Kolkatas Oberstes Gericht die Bundespolizeibehörde angewiesen, die Ermittlungen zu übernehmen, wie dpa berichtete.

Es ist nicht das erste Mal, dass Indien wegen sexualisierter Gewalt in den Schlagzeilen steht. 2012 erschütterte der Fall einer 23jährigen Studentin die Weltöffentlichkeit, die in einem Bus in Delhi von einer Gruppe Jugendlicher vergewaltigt worden war. Nach UN-Statistiken ist sexuelle Gewalt gegen Frauen in Indien weniger häufig als in westlichen Staaten, 2022 wurden aber 20 Prozent mehr Fälle gemeldet als im Vorjahr. Zu betonen ist, dass das Thema in Indien weitgehend tabuisiert ist.

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