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Aus: Ausgabe vom 16.08.2024, Seite 4 / Inland
Staat gegen rechtes Magazin

Ganz normale Vorgänge

Fall Compact: Innenministerin in der Defensive nach juristischem Teilerfolg für rechtes Magazin. Dessen Chef inszeniert sich als Regimegegner
Von Marc Bebenroth
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Offenbar bald wieder zu haben, wenn auch nicht am Kiosk: Das »Magazin für Souveränität« (Kempten, 16.7.2024)

Während ihrer sogenannten Sicherheitstour durch deutsche Behörden rückt Nancy Faeser (SPD) nicht vom Kurs ab. »Wir werden auch weiterhin Verfassungsfeinden sehr entschieden entgegentreten«, drohte die Bundesinnenministerin am Donnerstag in Berlin. Damit reagierte sie auf eine juristische Niederlage gegen das rechte Magazin Compact. Am Mittwoch hatte das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug des Verbots in einem Eilentscheid aussetzen lassen, es betraf die Firmen hinter der Zeitschrift und die mit ihr verbundenen Internetauftritte.

Einen Rechtsstaat zeichne aus, dass es »Überprüfungsmöglichkeiten« durch Gerichte gebe, erklärte Faeser den Teilerfolg des Magazins. Wenn Behörden wie das Bundesinnenministerium dabei unterliegen, sei das »ein ganz normaler Vorgang«. Faeser hatte am 16. Juli die Verbotsverfügung verkündet, mit der das Vereinsrecht gegen die Compact-Magazin GmbH und die Conspect-Film GmbH in Stellung gebracht wurde. Sie wurden zu Organisationen erklärt, die verfassungsfeindliche Ziele in die Tat umsetzen wollen.

Seither kritisierten Juristinnen und Juristen, Vertreter von Regierungs- sowie Oppositionsparteien und auch Journalistenverbände das Verbot per Vereinsrecht und warnten vor dem Missbrauch des Instruments zur Umgehung des grundrechtlichen Schutzes der Pressefreiheit. Die Ministerin behauptete am Donnerstag, dass das Grundgesetz das Instrument des Vereinsverbots ausdrücklich vorsehe, »um die Demokratie vor Verfassungsfeinden zu schützen«.

Das Bundesverwaltungsgericht meldete laut Mitteilung vom Mittwoch vor allem Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbots an. Zur Frage stehe, ob der Staat nicht auch mildere Mittel wie das Vorgehen gegen einzelne Beiträge oder das Verbot einzelner Veranstaltungen hätte nutzen können. So kann das Blatt, das seit 2010 erscheint und zuletzt eine monatliche Auflage von etwa 40.000 Exemplaren gehabt haben soll, unter gerichtlichen Auflagen vorerst wieder erscheinen.

Die August-Ausgabe sei noch vor dem Verbot gedruckt worden und liege vor, erklärte Jürgen Elsässer, Geschäftsführer der Compact Magazin GmbH und Chefredakteur von Compact, am Donnerstag vor Journalisten in Berlin. Allerdings fehlen ihm zufolge die Vertriebsunterlagen und die zum Abobestand, da diese beim Vollzug des Verbots durch mehrere Landespolizeien beschlagnahmt worden seien. Bis die notwendigen Betriebsmittel wieder zurückgegeben werden, könne das Onlineformat »Compact TV« am ehesten wieder an den Start gehen, sagte Elsässer. Hier sei die Beschaffung von Technik einfacher, nachdem das bisherige Equipment ebenfalls beschlagnahmt worden sei.

Die einberufene Pressekonferenz nutzte Elsässer vor allem, um die Entscheidung zum Eilantrag vom Mittwoch als Sieg der »Demokratie« gegen die »Diktatur«, als Erfolg des »Volks« gegen das »Regime« zu zelebrieren. Der heute 67jährige war einst in der Redaktion von junge Welt angestellt und wechselte schließlich – nach der von ihm angeführten Abspaltung – zur von ihm mitgegründeten antideutschen Jungle World, ehe er sich schließlich mit Compact ein eigenes, neurechtes Medienprojekt im Umfeld der AfD und der faschistischen »Identitären Bewegung« aufbaute.

Auf seinen bisherigen Chef vom Dienst angesprochen, der NPD-Mitglied gewesen sei, behauptete Elsässer am Donnerstag, dass man bei dem Magazin »nie was mit der NPD zu tun gehabt« habe. Bei Einstellungsgesprächen habe er sich nie Lebensläufe oder Arbeitszeugnisse vorlegen lassen. Wer etwas »drauf hat« und »nicht extremistisch gestimmt« sei, habe eine Chance bei Compact erhalten.

Das gelte auch für seinen »wichtigsten Mann vor dem Bundesverwaltungsgericht«, Anwalt Laurens Nothdurft. Dieser sei einer von ungefähr zehn Anwälten auf der Seite von Compact und äußerte sich bei der Pressekonferenz ebenfalls zum Stand des Verfahrens. Am 9. Juli war der frühere stellvertretende Bundesvorsitzende der extrem rechten »Heimattreuen Deutschen Jugend« und heutige AfD-Politiker Nothdurft im sachsen-anhaltischen Dessau-Roßlau zum neuen Ortsbürgermeister gewählt worden.

Der Kopf hinter dem rechten Medien- und Vernetzungsprojekt rief am Donnerstag »alle Verteidiger des Rechtsstaates und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung«, zu denen sich Elsässer zählt, dazu auf, sich dem »Faschismus« von Faeser entgegenzustellen. Der juristische Teilerfolg vom Mittwoch sei ein Sieg über die »autoritären, um nicht zu sagen faschistischen Übergriffigkeiten« der Innenministerin. Wenn er vom »Sturz des Regimes« spreche, beziehe sich Elsässer auf die »Friedliche Revolution von 1989/90« in der DDR als Vorbild – und hielt damit von rechts der Bundesregierung und dem BRD-Establishment den reaktionären, antikommunistischen Spiegel vor.

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