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Aus: Ausgabe vom 16.08.2024, Seite 4 / Inland
Letzte Generation

Kritik an Flughafenprotest

Erneut Aktionen der »Letzten Generation«. Umsetzung von Gesetzesverschärfung gefordert
Von Karim Natour
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Klimaaktivisten und Polizei am Donnerstag auf dem Gelände des Stuttgarter Flughafens

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die Proteste von Aktivisten der Gruppe »Letzte Generation« auf mehreren deutschen Flughäfen verurteilt. Auf der Plattform X erinnerte sie zugleich an eine geplante Gesetzesverschärfung, die das Kabinett im Juli beschlossen hatte. »Wir haben empfindliche Freiheitsstrafen vorgeschlagen. Und wir verpflichten die Flughäfen, ihre Anlagen deutlich besser zu sichern«, so Faeser.

Aktivisten hatten am Donnerstag morgen Protestaktionen auf den Flughäfen Köln-Bonn, Nürnberg, Berlin und Stuttgart durchgeführt. Der Flugverkehr wurde laut dpa mehrere Stunden gestoppt, konnte jedoch schnell wieder aufgenommen werden. Gegen mehrere Personen wurden laut Polizeiangaben Ermittlungsverfahren eingeleitet. Einige Aktivisten hatten sich auf Zubringerstraßen festgeklebt.

Der Mitte Juli vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf, der noch im Bundestag debattiert werden muss, sieht die Schaffung einer neuen Vorschrift vor, die das »vorsätzliche, unberechtigte Eindringen« auf das Rollfeld sowie die Start- und Landebahnen unter Strafe stellt, sofern die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs beeinträchtigt wird. Demnach soll das unberechtigte Eindringen auf Flugbetriebsflächenund in Flugsicherungskontrolltürme künftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Die Regierung will darüber hinaus die Flughafenbetreiber zu besseren Schutzmaßnahmen zwingen.

Die »Letzte Generation« erklärte, die Aktivisten drückten »friedlich ihren Widerstand aus, indem sie Banner mit der Aufschrift ›Oil kills‹ und ›Sign the treaty‹ zur Schau stellten«. Die Start- und Landebahnen seien dabei nicht betreten worden. Die Gruppe fordert von der Bundesregierung, sich bis spätestens 2030 zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien zu verpflichten. Bereits Ende Juli hatten Mitglieder der Gruppe auf den Landebahnen der Flughäfen Köln–Bonn und Frankfurt am Main mit Protestaktionen Aufsehen erregt. Der Flugverkehr musste für mehrere Stunden unterbrochen werden.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) übte Kritik an den erneuten Protestaktionen. Die »sogenannten Aktivistinnen und Aktivisten sind schlicht und einfach Kriminelle«, so Strobl in einer Mitteilung. Für diese Straftaten brauche es »deutlich schärfere und höhere Strafen«.

Der Flughafenverband ADV nannte die Störaktionen in einer Erklärung einen »konzertierten Akt der kriminellen Erpressung«. ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel forderte ein hartes Vorgehen gegen die Aktivisten und verlangte, die geplanten Gesetzesverschärfungen »umgehend durchzusetzen«. Vergangenen Woche hatte der ADV in einem offenen Brief erklärt, es sei »unbestreitbar, dass der Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit« darstelle. »Kriminelle Blockaden von Flughäfen tragen nicht zur Lösung bei«, hieß es weiter.

Die »Deutschen Polizeigewerkschaft« (DpolG) erklärte zu den Protesten, die Aktivisten sollten für die aufkommenden Schäden bezahlen. »Wer die Infrastruktur gezielt (zeitweise) zum Erliegen bringt, indem er seinen Körper als unüberwindbare Barriere einsetzt und dabei ohne Rücksicht auf die betroffenen Rechtsgüter und Interessen agiert, der handelt sittenwidrig«, so der stellvertretende Bundesvorsitzende der DPolG Ralf Kusterer.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (16. August 2024 um 12:36 Uhr)
    Bei allem Verständnis für die Probleme mit dem Klimawandel: Der größte Schaden entsteht durch Militär und Rüstung, also durch Krieg und die dazu gehörenden Manöver. Oder auch durch die ach so »grüne« ILA hier in Schönefeld mit über 90 Prozent Militärbeteiligung. Doch leider sind die Klimaaktivisten der »Letzten Generation« an keinem der Bundeswehrfliegerhorste, vor keiner Kaserne, vor keiner Rüstungsschmiede a lá Rheinmetall, KMW oder wo auch immer zu sehen und zu hören. Wo war der Protest dieser Aktivisten bei der ILA? Nix war oder ist da. Warum diese Einseitigkeit, liebe Freunde? Ich verstehe eure Absicht. Aber ich verstehe nicht eure Beschränkung auf den zivilen Teil. Wer steuert euch da? Vielleicht solltet ihr das einmal überdenken, dann könnte bei entsprechenden Aktionen die Akzeptanz doch deutlich steigen, zumindest bei vielen, die die Rüstungsausgaben und den Krieg ablehnen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (15. August 2024 um 21:45 Uhr)
    Wenn die weitere Nutzung der existierenden Infrastruktur in der heute gewohnten Weise die Lebensmöglichkeiten künftiger Generationen massiv untergräbt: Wer ist dann der, der ins Gefängnis gehört? Der, der darauf besteht, dass so weiter gemacht wird wie bisher? Oder der, der versucht, das zu verhindern? Ist es wirklich verboten, die Notbremse zu ziehen, wenn ein Zug einem Abgrund entgegen rast? Ist das wirklich illegal, weil der Zugführer vorher gesagt hat, alles sei so wie immer und völlig normal? Ist nicht eigentlich der, der eine erkennbare Gefahr nicht abwendet, sondern sie sogar aktiv befeuert, letztendlich ein Schuldiger im Sinne des Gesetzes?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (15. August 2024 um 21:08 Uhr)
    Gern denke ich zurück, an früher, als alles noch besser war: Da waren die Grünen noch grün, nicht oliv und die Behinderung von Castor-Transporten durch Festketten an Bahngeleisen ging als ziviler Ungehorsam in der Öffentlichkeit durch. Der gesellschaftliche Wandel, der sich seither vollzogen hat, erschüttert mich zutiefst. Mit Kurt Lenk kann ich nur sagen: Rechts, wo die Mitte ist. Was aus den C-Parteien kommt, ist nicht verwunderlich, da braucht nur an Hermann Höcherl denken (»Verfassungsschützer können nicht ständig das Grundgesetz unter dem Arm tragen«). Die Lernfähigkeit der Grünen ist allerdings enorm. Brauchte die Sozialdemokratie von ihrer Gründung bis zur Zustimmung zu den Kriegskrediten noch fünfzig Jahre, waren es bei den Grünen fünfzehn: »Es gibt keinen Weg zurück zur Unschuld vor der Regierungszeit« (15.8.2024, 12:45 Uhr, https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/habeck-kanzlerkandidatur-100.html)

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