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Aus: Ausgabe vom 16.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Trauzeuge des Tages: Wolf Biermann

Von Felix Bartels
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Die Leiden des Wolf: Mit dem Alter kommen die Klampfadern

Und wieder macht er Jagd auf Spatzen. Sie, besoffen von der eigenen Bedeutung, für Drachen haltend, so mutig, »im Gewand des Kritikers zu sagen, was eh alle hören wollen« (Wiglaf Droste). Nun hat der Biermann, der immer dasselbe redet, weil er früher einmal ganz anders redete, sich erneut zu Wort gemeldet. Einmal im Monat muss das alles raus. Über die Linken natürlich. Zu den Rechten nötigt er sich kaum je ein Wort ab, es sei denn, es lässt sich mit seinem Lieblings­thema verbinden.

»Wagenknecht und Höcke sind das politische Brautpaar der Stunde«, diktierte der Mann mit der angewachsenen Klampfe Zeit Online in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. Okay, die Nachricht ist von vorgestern. Aber das gilt ja auch von Biermann. »Die blaue AfD und die falschen Roten von Wagenknecht stehen beide auf seiten von Putin in diesem blutigen Ukraine-Krieg.« Mit Falschrotsein kennt er sich aus, inter­essanter schon die Frage, wie groß die Wut wäre, wenn es sich bei Sahra und ihren Wagenknechten um echte Rote handelte. Was Biermann, wie so viele, nicht begreift: Der Antrieb, der Wagenknecht über die Jahre hinweg vom Marxismus weg zum Kleine-Leute-Populismus geführt hat, ist gerade nicht Ausdruck dessen, was Biermann »Stalinschen National­kommunismus« nennt, sondern umgekehrt der Bewegung davon weg. Des Wunsches, Teil einer Massen­bewegung zu sein.

Und wer in der Zuordnung schief ist, dem dürfen natürlich auch Evidenzen gleich bleiben. Was immer sonst gegen das BSW spricht, Wagenknechts Positionen zum Ukraine-­Krieg lassen sich im »Manifest für Frieden« nachlesen. Das ist ein Ruf nach dem Ende eines Krieges, den Russland nicht einstellen wird und den die Ukraine nicht gewinnen kann. Den Leute wie Biermann durch Waffenlieferungen beenden zu können meinen, während sie ihn tatsächlich damit ins Unendliche dehnen.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von LachDichKrank (16. August 2024 um 16:10 Uhr)
    Bei Wolf Biermann werde ich immer an Karl-Eduard von Schnitzel erinnert. Biermann ist auch so ein »Sudelede« und seine Ausbürgerung war nur richtig.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in H.-J. R. aus Berlin (23. August 2024 um 10:51 Uhr)
      Ihr Vergleich hinkt nicht nur, sondern er diskriminiert einen hervorragenden kommunistischen Propagandisten, der den von Ihnen genannten Schmutznamen von den Imperialisten bekam, weil er ihnen die Maske der Scheinheiligkeit dialektisch mit Klassenbewusstsein und scharfsinniger Ironie entriss. Wenn ich mir am Montagabend den Schwarzen Kanal ansah, wusste ich, was hinter der Bühne des Westfernsehen geplant ablief. Und dass die junge Welt mit Arnold Schölzel Karl-Eduard von Schnitzler ein Andenken mit den Beiträgen »Der schwarze Kanal« bewahrt, halte ich für richtig und sage Dank!
  • Leserbrief von Ilse Engel aus Berlin (16. August 2024 um 15:56 Uhr)
    Ich weiß nicht, warum so viele reflexhaft gegen Sahra Wagenknecht keifen. Hören die mal hin, was sie sagt? Ich finde, sie macht Realpolitik. Biermann sollte schweigend sein Bier genießen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (15. August 2024 um 23:20 Uhr)
    Wenn ich Biermann reden oder (noch schlimmer) singen höre, auch durch die Art, wie er es tut, beschleicht mich regelmäßig das Gefühl, dass er selbst unter dem leidet, was Franz Müntefering vor einiger Zeit Sahra Wagenknecht unterstellt hat.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (15. August 2024 um 20:24 Uhr)
    Der Opportunist Biermann begleitet mich schon den größten Teil meines Lebens. Seit dieser pathologische Antikommunist, der gleichzeitig ein höriger Bourgeois geworden ist, seine Liedchen trällert, gefällt er sich als intellektueller Klugscheißer. Hetze gegen alles Linke gehört zu seinem Handwerkszeug, verkleidet in demagogischen Versen. Gut, dass sein Vater, der überzeugter Kommunisten war, seinen Sprössling nicht mehr erleben muss.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinz D. aus Löwenstein (19. August 2024 um 06:34 Uhr)
      Ich schließe mich dem Artikel und dem Leserbrief zu Biermann inhaltlich voll an. Das einzige, was mich nach einem langen Leben politisch reut, ist, dass ich mich 1976 in Westberlin dem Protest gegen die Ausbürgerung Biermanns angeschlossen habe. Die DDR hatte Recht, ihn rauszuschmeißen. Er war einst durchaus ein passabler Liedermacher. Kaum war er in der BRD, saß er auf dem Schoß der CSU und sang sein Schmähliedlein gegen die DDR. Oma Meume würde sich im Grab umdrehen, sähe sie das. Und noch eines: Ohne die DDR wäre Biermann ein Nichts. Kein Hahn würde nach ihm krähen. Hätte er noch einen Funken Anstand im Leib, müsste er Honecker und den anderen Genossen unendlich dankbar sein dafür, dass sie ihm diese Chance der antikommunistischen Profilierung gegeben haben. Heinz Deininger, Löwenstein

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