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Aus: Ausgabe vom 16.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kunst

Fremde überall

Auf der Biennale in Venedig
Von Frank Schäfer
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Archie Moore: »Kith and Kin« (60. Bienale, Venedig, 2024)

»Foreigners Everywhere« lautet das Motto der Biennale in Venedig in diesem Jahr – und das merkt man den ausgestellten Arbeiten oft ein Ideechen zu deutlich an. Es ist politische Kunst, und wie immer, wenn die Wirkungsästhetik ihre Ellenbogen einsetzt, der Artist also vor allem richtig eingreifen will in gesellschaftliche Zusammenhänge und nicht einfach nur Kunst produzieren, ist Komplexitätsreduktion tacko. Schließlich sollen auch alle verstehen, was man will.

Aber es gibt eben auch beeindruckende Ausnahmen wie den von Archie Moore gestalteten australischen Pavillon. »Kith and Kin« (Freunde und Verwandte) nennt er diesen komplett schwarzen inneren Kubus, auf dessen Wänden mit Kreide die Namen von Aborigines geschrieben stehen, ein riesiger Stammbaum, um all jenen, und zwar wirklich allen, die einfach so verschwunden, in der Haft umgekommen, ohne Gerichtsverfahren von der Mehrheitsgesellschaft getilgt worden sind, ohne dass die Angehörigen etwas über ihren Verbleib wüssten, zumindest symbolisch ihre Existenz zurückzugeben.

Das Projekt ist auf Vollständigkeit angelegt, also entsprechend größenwahnsinnig, wie Kunst sein darf. Die australischen Ureinwohner gehören zu den am meisten weggesperrten Ethnien auf der Welt. Und man steht davor und ist wirklich überwältigt von dieser Gigantomanie und also der Größe der Schuld, die in der Mitte des Raumes in einem riesigen Tisch voller behördlicher Aktenstapel angedeutet ist. Man würde gern herantreten, um draufzuschauen, aber das verhindert ein Graben mit schwarzgefärbtem Wasser. So eine Art Acheron.

Hier paart sich die Würdigung der einzelnen Menschen mit der Erinnerung an das erlittene Unrecht zu einem Kunstwerk, das den Charakter eines Denkmals besitzt. Und auch wenn diese Installation mit allen Zeigefingern ihrer vielen Mitarbeiter auf die Message deutet, denn natürlich hat dieses Projekt nicht Moore allein gestemmt, geht man beeindruckt, bedrückt und erstaunlicherweise auch ein bisschen getröstet zurück in die gleißende Helle der Biennale.

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