Mit Schmerzen alleingelassen
Von Claudia WrobelKranke brauchen Aufmerksamkeit und Hilfe. Die Behandlung von Fachpersonal sollte dabei ohne Ansehen der Person erfolgen. Dabei ist eine ausreichende Schmerzbehandlung essentiell für eine schnelle Genesung. All dies ist leider nur eine Idealvorstellung, denn so ist es bei weitem nicht immer. Zu den generellen Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems kommt für Frauen ein sogenannter Genderbias erschwerend hinzu, also ein Verzerrungseffekt durch geschlechtsbezogene Vorurteile. Frauen bekommen seltener Schmerzmittel als Männer, selbst wenn sie die Schmerzintensität auf dem gleichen Level angeben. So das Ergebnis einer Studie aus Jerusalem.
Ein Forschungsteam um Shoham Choshen-Hillel untersuchte 20.000 elektronische Patientenakten aus den USA und Israel und stellte fest, dass gerade mal 38 Prozent der Frauen, die mit Schmerzen in eine israelische Notaufnahme kamen, dort mit Schmerzmitteln versorgt wurden. Allerdings erhielt fast die Hälfte der Männer in vergleichbaren Fällen ein schmerzstillendes Medikament. So das Ergebnis, das sie Anfang August veröffentlichten. Bei sehr starken Schmerzen bekam immerhin die Hälfte der Frauen ein Schmerzmittel verschrieben, Männer erhielten in 59 Prozent der Fälle ein entsprechendes Rezept. Außerdem mussten Frauen im Schnitt eine halbe Stunde länger auf eine Behandlung warten, und ihre Schmerzwerte wurden deutlich seltener systematisch erfasst als bei Männern.
Eine systematische Erfassung ist zum Beispiel die Einordnung auf einer Skala mit den Werten eins bis zehn. Die US-Daten bestätigten das Phänomen. Dabei ist die medizinische Leitlinie eindeutig: Schmerzen sollen generell erfasst und vor allem bekämpft werden. Denn eine unzureichende Behandlung birgt das Risiko von Komplikationen und chronischen Schmerzzuständen, generell wird die Genesung dadurch beeinträchtigt. Das Forschungsteam um Choshen-Hillel führt aus, dass oft angenommen werde, dass Frauen ihre Schmerzen im Vergleich zu Männern übertrieben beschreiben. Dabei macht es keinen Unterschied, welches Geschlecht das Gesundheitspersonal habe, das die Frauen behandelt. Außerdem führen sie die These aus, dass Männer auch öfter nach Schmerzmitteln fragen würden als Frauen, die eher dazu erzogen würden, niemandem Umstände zu bereiten.
Zwar lassen sich die Ergebnisse nicht ohne weitere Forschungen auf Deutschland übertragen, aber auch hier gibt es Erkenntnisse, die nahelegen, dass die Schmerzbehandlung von Frauen unzureichend ist. So führten die Unikliniken Bonn und Jena in Kooperation im vergangenen Jahr eine Studie durch, die die Schmerzbelastung nach Kaiserschnittgeburten anhand einer Befragung von Wöchnerinnen unter die Lupe nahm. Obwohl sie im Durchschnitt starke Schmerzen angaben, erhielten nur etwa zwölf Prozente der Frauen sogenannte PCA-Pumpen, mit denen sich die Schmerzmittelgabe selbst steuern lässt. Für Jorge Jimenez Cruz, Leiter der Studie am Universitätsklinikum Bonn, sind die hohen gemessenen Schmerzwerte nach Kaiserschnitten alarmierend: »Dieser Wert liegt erheblich über den Beschwerden, die nach vergleichbar großen Eingriffen wie Gebärmutter- oder Gallenblasenoperationen berichtet werden.« Man kann also von systematischen Verzerrungen ausgehen.
Dabei scheinen die Mütter mit ihren Beschwerden im klinischen Alltag nicht ernstgenommen zu werden, denn auch die Erstautorin der Studie, Norah Emrich, stellt fest: »Mehr als die Hälfte aller Patientinnen leidet nach diesem Eingriff unter starken Schmerzen. Das ist zuviel. Im Vergleich zu den Frauen, die nach ihrem Kaiserschnitt weniger starke Schmerzen hatten, gaben diese Frauen in der Befragung mehr als dreimal so häufig an, sie hätten sich mehr Schmerzmittel gewünscht, als sie bekommen haben. Es sind also nicht, wie manchmal behauptet, die Frauen, die die Schmerztherapie ablehnen.« Die Autoren mahnen deutliche Verbesserungen in der Schmerzbehandlung an.
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