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Aus: Ausgabe vom 17.08.2024, Seite 4 / Inland
Machtübernahme der Taliban

Stegner mahnt Hilfe für Afghanen an

SPD-Politiker für bessere Kontakte zu Taliban. Warnung vor Aus von Aufnahmeprogramm in BRD
Von Kristian Stemmler
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Aus Kabul evakuierte Kinder nach der Ankunft auf der Ramstein Air Base (Ramstein-Miesenbach, 21.8.2021)

Vor drei Jahren haben die islamistischen Taliban in Afghanistan die Macht übernommen. Seitdem liegen Deutschlands Beziehungen zu dem Land auf Eis. Das will der SPD-Politiker Ralf Stegner ändern. Aus Anlass des dritten Jahrestags der Machtübernahme empfahl der Vorsitzende des Afghanistan-Untersuchungsausschusses im Bundestag gegenüber dem Tagesspiegel vom Freitag eine moderate Kurskorrektur. Niemand verlange, »dass wir der Taliban-Regierung einen roten Teppich ausrollen und Diplomaten nach Afghanistan schicken«. Erstrebenswert wären aber bessere Kontakte dorthin, »wenn wir für die Menschen dort etwas erreichen wollen«. Wer nichts mit den Taliban zu tun haben wolle, habe auch keinen Einfluss auf das, was in dem Land passiere.

Am 15. August 2021 waren die Taliban nach einer Blitzoffensive in dem Land in der Hauptstadt Kabul einmarschiert. Der Großteil der internationalen Truppen, die jahrelang die Regierung gestützt hatten, hatte das Land bereits verlassen, darunter auch die Bundeswehr. Allerdings hatte sich offenbar erst am 13. August ein Krisenstab getroffen, wie die Zeit berichtete – ohne ein einziges Kabinettsmitglied.

Vor dem Hintergrund der für Freitag erwarteten Einigung zum Haushaltsentwurf für 2025 forderten indessen zahlreiche Organisationen die Bundesregierung auf, das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanen fortzusetzen. Dieses dürfe »nicht den Haushaltskürzungen zum Opfer fallen«, hatte am Mittwoch laut AFP etwa Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch erklärt. Nach wie vor gebe es »viele schutzbedürftige Menschen in Afghanistan, denen Folter und Haft drohen, weil sie sich für die Menschenrechte eingesetzt haben«.

Für den Posten »Resettlement und Leistungen im Rahmen der humanitären Aufnahme«, unter den das Aufnahmeprogramm fällt, waren vorerst im Entwurf des Bundeshaushalts anstelle von 70,5 Millionen Euro wie in diesem Jahr noch 8,9 Millionen Euro eingeplant. Das Aufnahmeprogramm wurde im Oktober 2022, nach Abschluss der militärischen Evakuierungsflüge aus Kabul, initiiert.

Es sollte unter der Taliban-Herrschaft besonders stark gefährdeten Afghanen dauerhaft eine Aufnahme in Deutschland aus humanitären Gründen ermöglichen. Anvisiert wurden dabei bis zu tausend Aufnahmen pro Monat. Zwar ist man sich in der Bundesregierung von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen einig, dass die etwa 3.100 Menschen, die jetzt schon eine Zusage erhalten haben, einreisen dürfen. Eine Fortsetzung des Programms steht aber in Frage.

Die Caritas-Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa kritisierte, dass bis zum Juli 2024 nur 540 Menschen durch das Aufnahmeprogramm nach Deutschland eingereist seien. Mehrere tausend gemeldete Fälle von Schutzsuchenden fänden sich aber noch in Bearbeitung. Angesichts der konkreten Gefährdungssituation bedrohe jede weitere Verzögerung Menschenleben ganz unmittelbar, so Welskop-Deffaa. Wenn 2025 die Mittel für die humanitäre Aufnahme, wie angekündigt, gekürzt würden, sei dies »faktisch das Ende« des Aufnahmeprogramms, so die Caritas-Chefin.

Auch Amnesty International warnte vor einer Einstellung des Programms. Wenn es nach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gehe, solle dieses ab nächstem Jahr nicht weiter finanziert werden, erklärte Theresa Bergmann, Asien-Expertin der Menschenrechtsorganisation, laut dpa. Das sei »beschämend.« Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, betonte, angesichts der »extrem schwierigen Lage« in Afghanistan sei es »essenziell«, das Aufnahmeprogramm fortzuführen.

Die Organisation »Zentrum Überleben« setzte sich in einer gemeinsamen Stellungnahme mit mehr als 50 Organisationen und Vereinen für die weitere Finanzierung des Programms ein. »Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban sind Menschen in Afghanistan, die sich dort für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, stärker denn je gefährdet«, heißt es in dem Text. Besonders akut sei die Bedrohungslage für Mädchen und Frauen sowie queere Personen.

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