75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 19. September 2024, Nr. 219
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 17.08.2024, Seite 10 / Feuilleton
Literatur

Fremde überall II

Von Frank Schäfer
imago0713262223h.jpg
Überfülltes Venedig: Die Menschen kommen einem vor wie Ratten in einem Experiment der Götter

Das Biennale-Motto »Foreigners Everywhere« passt sehr gut zu meinem Venedig-Gefühl. Man fragt sich die ganze Zeit, wie Menschen früherer Äonen sich hier zurechtgefunden haben. Ohne Google Maps. Die Stadt ist ein Labyrinth, und die Menschen kommen einem vor wie Ratten in einem Experiment der Götter. Am besten akzeptiert man von vornherein sein Schicksal und übt sich in kalkuliertem Verlaufen. Man schaut also, wo die Peggy Guggenheim Collection beheimatet ist und geht los, korrigiert nach einer Viertelstunde und dann wieder, wieder und wieder. Wenn man nach einer Dreiviertelstunde vor den Toren steht und in die rettende Klimaanlagenkühle der Ausstellung tritt, hat man zwar schon fast sein Tagessoll an Schritten erfüllt, viele Umwege gemacht, aber auch viele malerische Kleinstbrücken gesehen, postkartentauglich morbid angeschwärzte Fassaden, eine weitere auf einer Zisterne dösende Katze – und die Frau im rotweißen Ringel­shirt der Gondolieri, die sich vor vielen Jahren schon die typische, schmiedeeiserne »Kühlerfigur« der venezianischen Nachen auf den Unterarm tätowieren ließ.

Man hat den Eindruck, als gäbe es ohnehin nur Fremde hier. Scharenweise Menschen, die stöhnend ihre Rollkoffer über die Brückentreppen wuchten, weil sie Google vertraut haben, das ihnen die 1,2 Kilometer Gehweg für 19 Minuten verkauft hat, oder weil sie den unübersichtlichen Wasserbusplan nicht gleich schnallen und es erstmal auf eigene Faust versuchen wollen. Ein Fehler. Venedig ist der erklärte Feind des Rollkoffers.

Echte Venezianer scheint es kaum zu geben, kann sich vermutlich keiner mehr leisten, und so ist nach acht Uhr abends die Stadt merkwürdig leer. Na gut, nicht ganz. Die Restaurants sind selbstredend gut besucht, die Flaniermeilen und beliebten Plätze ebenso, aber zwei Gassen weiter ist alles duster, auch die Fenster in den Häusern. Als sei die Stadt bloß Kulisse und auch das Personal nur zu Besuch in der Lagune, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Fremde sind augenscheinlich auch sie, obwohl sie sich gut auskennen und genau sagen können, mit welcher Vaporettolinie man am schnellsten ins Hotel kommt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Feuilleton