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Aus: Ausgabe vom 17.08.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Thälmann – was bleibt?

Zu jW vom 14.8.: »Ungebrochene Ausstrahlung«

Auch zu Ehren des 100. Geburtstages von Ernst Thälmann fand der 8. Parteitag der DKP in seiner Geburtsstadt Hamburg statt. Anfang Mai 1986 wurde einem persönlich das große rote Fahnenbanner mit dem Bildnis Thälmanns überreicht. Parteivorsitzender Herbert Mies übergab es. Geschüttelt wurden einem die Hände nicht nur von Herbert Mies, sondern auch von Wadim Sagladin, Berater von Breschnew und Gorbatschow, und besonders von Hermann Axen, viele Jahre inhaftiert in Buchenwald und Auschwitz; auf seinem Unterarm sah ich die eingeritzte Häftlingsnummer vom Vernichtungslager Auschwitz. Boris Jelzin, offizieller Gast unserer Bruderpartei KPdSU, nickte anerkennend. Jahrzehnte wird das Thälmann Banner auf 1.-Mai-Kundgebungen, Ostermärschen, Antikriegstagen getragen. Jüngere Menschen fragen, wer ist Thälmann? Nur fünf Jahre später.

Sagladin arbeitet für die Gorbatschow-Stiftung, Gorbatschow selbst verschacherte die DDR für einen Milliardenkredit, Millionen Tonnen von Butter und Rindfleisch. Politiker wie CDU-Teltschik waren »fassungslos«. Jelzin in angetrunkenem Zustand machte sich gegenüber Clinton und Kohl mit seiner Tanzerei lächerlich, er wurde ein übler Konterrevolutionär. Hermann Axen, in einer jüdischen Familie geboren, raubte man sein gesamtes Privatvermögen, man verhaftete und inhaftierte ihn, seiner Frau Sonja wurde die Verfolgtenrente von 800 D-Mark gestohlen.

Sagladin, Gorbatschow, besonders Jelzin wollten von Kommunismus nichts mehr wissen. Im Sinne von Hermann und Sonja Axen schafften wir es, dass es in Bremen-Blumenthal zwei Wege, benannt nach Leo Drabent und Hans Neumann, gibt, die enthauptet wurden im Zuchthaus Brandenburg. Beide führten einen KPD-Wahlkampf 1932 in Blumenthal/Vegesack mit Flyern und dem Malen von Losungen an Brücken/Hauswände: »Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg!« (Ernst Thälmann)

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen

Sogenannter Rechtsstaat

Zu jW vom 9.8.: »Verzicht auf Lack«

Und wieder wird mit dem politischen Propagandabegriff »Rechtsstaat« bzw. »rechtsstaatlich« hantiert: »Das KPD-Verbot von 1956 und der Radikalenerlass von 1972 waren vergleichsweise rechtsstaatliche Veranstaltungen.« Gehts noch zynischer? Die alten Genossen der KPD, die damals den Repressionen des Staates ausgesetzt waren, könnten Arnold Schölzel etwas erzählen.

Nur ein Beispiel von vielen: Martha Hadinsky. 1936 wegen ihres aktiven Engagements in einer Gruppe junger Widerstandskämpfer verhaftet und zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. An Tuberkulose erkrankt, wurde sie nach achtjähriger Haft vorzeitig aus dem Frauenzuchthaus Ziegenhain entlassen. Nach dem KPD-Verbot 1956 wurde sie wegen »kommunistischer Wühltätigkeit« ein zweites Mal in ein deutsches Gefängnis gesteckt. Diesmal »nur« ein Jahr und vier Monate. »Damals entzogen die selbsternannten Rechtsnachfolger des faschistischen Dritten Reiches nicht wenigen fortschrittlich eingestellten Menschen in der BRD – vornehmlich Kommunisten – die materielle Lebensgrundlage. Ausdruck dieser Politik waren die unter Willy Brandt – dem Idol so mancher PDL-Politiker – verhängten Berufsverbote. Martha Hadinsky sah kein Land mehr. Am 3. Juni 1963 nahm sie sich das Leben.« (Aus: »Unter Hitler wie unter Adenauer ins Gefängnis geworfen«, Rotfuchs, März 2014)

Interessantes noch zum Thema »Rechtsstaat«: In der Verfassung der DDR kam dieser schwammige, scheinbar klassenneutrale Begriff 40 Jahre lang nicht vor. Erst im Zuge der Konterrevolution tauchte er plötzlich in der Verfassungsänderung vom 17. Juni 1990 auf. Bis dahin kannte die Verfassung nur den wesentlich passenderen Begriff »sozialistische Gesetzlichkeit«.

Franz Schoierer, per E-Mail

»Fenster der Verwundbarkeit«

Zu jW vom 14.8.: »Mehr Raketen wagen«

Nun hat das SPD-Präsidium genehmigt, was ihm von den USA diktiert wurde. Und wie es sich für einen Premiumvasallen geziemt, hat es sich die US-Entscheidung zur Stationierung weitreichender US-Raketen auf deutschem Boden zu eigen gemacht und sie mit lakaientypischem Pathos gesalbt: Der Kernsatz der mehrseitigen Erklärung lautet, dass die SPD die Verantwortung dafür übernimmt, dass kein Kind, das heute geboren wird, jemals einen Krieg erleben wird. Weil – so viel Sarkasmus erlaube ich mir – das Neugeborene rechtzeitig mit nuklearer Asche erstickt wurde?

Es dürfte zum Allgemeinwissen gehören, dass die Nationalsozialisten die Medien missbraucht haben. Zahlreiche Jugendzeitschriften sorgten dafür, dass das nationalsozialistische Gedankengut bis in die Kinderzimmer hineingetragen wurde, um die Jungen schnell zu brauchbaren Soldaten zu erziehen. Bereits die jüngsten Mitglieder der Familien wurden der ideologischen Indoktrination des Nationalsozialismus ausgesetzt. Schon 1935 wurden die Kinderzimmer mit Kriegs- bzw. Wehrspielzeug überschwemmt.

Der Erfolg blieb nicht aus: Der Umsatz der Spielwarenindustrie stieg einige Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs um 25 Prozent. Ein Update im Sortiment wäre allerdings heute notwendig. »Tomahawks«, Drohnen, SM-6-Raketen sollten es schon sein. Kriegsminister Pistorius benutzt im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung mit Vorliebe das merkwürdige Wort der »Aufwuchsfähigkeit«, weil er bis 2029 die »Kriegstüchtigkeit« verkünden will. Er sollte den Begriff – wenn er ihn schon benutzt – dann aber auch für die dringend notwendige Nachrüstung in deutschen Kinder- und Schlafzimmern einsetzen, um die dortigen Fähigkeitslücken (Fenster der Verwundbarkeit, hieß es unter Ronald Reagan) schnellstens zu schließen.

Hans Schoenefeldt, per E-Mail

Der Umsatz der Spielwarenindustrie stieg einige Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs um 25 Prozent. Ein Update im Sortiment wäre allerdings heute notwendig. »Tomahawks«, Drohnen, SM-6-Raketen sollten es schon sein.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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