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Aus: Ausgabe vom 17.08.2024, Seite 8 (Beilage) / Wochenendbeilage

Stachelbeerbaiser

Von Maxi Wunder

Vergangene Woche sind wir im Landkreis Limburg-Dingsda um null Uhr fünf mehrmals in unserem alten Peugeot um einen Kreisverkehr gefahren auf der Suche nach der richtigen Ausfahrt nach Runkel. Tempo stets gemütlich. Am Steuer Udo. Ich wach daneben. Rossi hinten am Schlummern. Plötzlich Blaulicht links von uns, jemand reist Udos Tür auf, drückt ihn in den Sitz und ruft: »Verkehrspolizei, aussteigen!« Rossi erwachte jäh und schrie: »Hilfe! Polizei! Überfall!« Dann guckte sie neugierig aus ihrem runtergefahrenen Fenster und bestellte bei dem Uniformierten, der mit Taschenlampe unser Auto umkreiste, einen Latte macchiato. Während der Sheriff Udos Papiere überprüfte, erklärte er uns, dass ein Verkehrsteilnehmer uns angezeigt habe wegen Schlangenlinienfahren. Er ließ Udo in ein zweites Röhrchen pusten, das eine junge Auszubildende herbeiholte, nachdem ihr das erste in den Dreck gefallen war. Wie erwartet null Promille – an den Raststätten ist das Bier einfach zu teuer.

Ich stieg aus, gesellte mich zu dem misslaunigen Beamten mit der Taschenlampe und bestritt als Beifahrerin, dass Udo Schlangenlinien gefahren sei. »Das können Sie nicht beurteilen«, herrschte mich Herr Teubel an. Und: »Ihre Meinung interessiert mich nicht!« Daraufhin bestellte ich bei ihm einen Espresso und setzte mich zurück ins Kfz.

Staatsbeamte sind von uns bezahlte Dienstleister. Manchmal werden sie zum Frustabbau missbraucht wie von diesem unseligen Milchtanker, der in jener Nacht ein paar Minuten lang hinter uns her­tuckeln musste. Auf einer baustellenbedingt einspurigen Fahrbahn blendete der Lkw uns dauernd mit Fernlicht in den Rückspiegel, damit wir schneller machen. Mit seiner Anzeige, die Trunkenheit am Steuer insinuieren sollte, wollte er uns für unsere defensive Fahrweise bestrafen. Damit er auch mal jemanden aufhält: vier Autoinsassen und drei Polizisten. Siebenfache Rache. Das ist Verkehrserziehung auf deutschen Straßen.

Nächsten Mittag saßen wir bei 30 Grad auf dem frisch gemähten Rasen unseres Kumpels, Rossi und ich in BH und Schlüpfer. Tags darauf zählten wir jeweils ca. 200 Insektenstiche, alle auf der »Bikinizone« – die Viecher sind in unsere Wäsche gekrochen. Von Juckreiz gepeinigt telefonierten wir 15 Hautärzte durch, die auf ihren ABs ihre Ferien bekanntgaben. Die Charité gab uns einen Termin im Januar. Ich sag’ nur: »Sommerfreuden« made in Germany, die Heimat des

Stachelbeerbaiser

Für den Mürbeteig 200 g Mehl, 100 g Butter, 100 g Zucker, ein Ei, eine Prise Salz und einen TL Backpulver zu einem Teig verkneten. 30 Minuten kühl stellen. Eine Springform (26 Zentimeter) mit dem Teig auslegen. Mit einer Gabel mehrfach einstechen und zehn Minuten bei 180 °C vorbacken. 500 g Stachelbeeren waschen, abtropfen lassen und auf den vorgebackenen Boden geben. Für das Baiser drei Eiweiße steifschlagen und 150 g Zucker langsam einrieseln lassen. Weiterschlagen, bis die Masse glänzt. Das Baiser auf die Stachelbeeren geben und glattstreichen. Weitere 20 bis 25 Minuten backen, bis die Eiweißzuckerdecke leicht bräunlich ist. Abgekühlt mit kalter Schlagsahne servieren.

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