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Aus: Ausgabe vom 19.08.2024, Seite 1 / Titel
Ukraine-Krieg

Nukleares Roulette

AKW im ukrainischen Saporischschja und im russischen Kursk gefährdet. Ukraine setzt Vorstoß fort, Russland rückt in Ostukraine vor
Von Arnold Schölzel
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Sudscha im Gebiet Kursk am 16. August: Bei den Kämpfen zwischen Ukraine und Russland beschädigtes Lenin-Denkmal

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sieht »die nukleare Sicherheit« des ukrai­nischen Atomkraftwerks (AKW) Saporischschja nach einem Angriff akut bedroht. In unmittelbarer Nähe der Sicherheitszone habe es eine Explosion gegeben, die nach Einschätzung von IAEA-Experten vor Ort von einer Drohne mit Sprengladung verursacht wurde, teilte die in Wien ansässige Organisation am Sonnabend in einer Presseerklärung mit. IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi warnte darin: »Wieder einmal sehen wir eine Eskalation der Gefahren für die nukleare Sicherheit am AKW Saporischschja.« Er sei »nach wie vor äußerst besorgt« und rufe alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Den IAEA-Beobachtern zufolge war die Umgebung des Kraftwerks in der vergangenen Woche stark umkämpft. Zuletzt hatte es am 10. August an einem Kühlturm des AKW einen Brand gegeben. Kiew behauptet in solchen Fällen, dass sich die russischen Streitkräfte, die seit mehr als zwei Jahren das AKW kontrollieren, selbst beschießen.

Russlands Atomagentur Rosatom hatte Grossi zuvor über eine Verschlimmerung der Lage auch um das Kernkraftwerk Kursk informiert. Rosatom-Chef Alexej Lichatschow lud Grossi in einem Telefonat ein, sich in dem AKW und in der dortigen Stadt Kurtschatow selbst ein Bild von der Situation zu machen. Demnach gibt es dort wegen der Gefahr ukrainischer Angriffe täglich mehrfach Luftalarm. Nach russischen Angaben wurden auf dem AKW-Gelände zuletzt auch Raketenteile gefunden. Die IAEA hatte angesichts des am 6. August begonnenen ukrainischen Vorstoßes auf das russische Gebiet Kursk vor möglichen Gefahren für das dortige AKW gewarnt, das etwa 60 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Aus der Anlage wurde vorübergehend ein Teil der Arbeiter abgezogen, die dort an zwei neuen Reaktoren bauen.

Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij läuft der Vorstoß der ukrainischen Streitkräfte in der russischen Oblast Kursk nach Plan. In seiner abendlichen Videoansprache am Sonnabend erklärte er, die Ukraine nehme immer mehr russische Kriegsgefangene, um das Faustpfand für den nächsten Austausch zu vergrößern. Zugleich forderte er den Westen erneut mit Nachdruck zur Lieferung von Waffen mit größerer Reichweite auf. Die Fähigkeit, solche Waffen gegen Russland einzusetzen, sei die strategisch wichtigste dieses Krieges. Gegenwärtig fehle es seitens der westlichen Verbündeten an den nötigen Entscheidungen. Als Beispiel nannte er Großbritannien, das hier langsamer geworden sei. Die laut Haushaltsentwurf geplante Verringerung der deutschen Militärhilfe, über die am Sonnabend die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtet hatte, erwähnte er nicht.

Die ukrainische Luftwaffe hatte zuvor über die Zerstörung einer wichtigen Autobrücke berichtet. Das Bauwerk am Fluss Seim im Kreis Gluschkowo liege in Trümmern – damit sei eine wichtige Versorgungsroute für die russischen Truppen zerstört. Nach Angaben russischer Militärblogger des Telegram-Kanals »Rybar« wurde die Brücke zunächst mit dem Mehrfachraketenwerfer vom US-Typ »Himars« beschossen und dann mit einer Gleitbombe zerstört.

Die russischen Truppen rücken nach eigenen Angaben in der ostukrainischen Region Donezk weiter vor. Moskaus Einheiten hätten das Dorf Swiridoniwka im Kreis Pokrowsk eingenommen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Ukrainische Stellen bestätigten, dass Russland neue Gebiete eingenommen habe.

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  • Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow (19. August 2024 um 14:44 Uhr)
    Nach den nicht realisierten Abkommen Minsk I und Minsk II, dem von der NATO verhinderten Abkommen von Istanbul, über Frieden, vom Frühjahr 2022 und weiteren sabotierten Möglichkeiten hat die Ukraine mit ihrem Einmarsch in das russische Kerngebiet bei Kursk, seit 6. August 2024, wieder, weitere geplante geheime Friedensgespräche unmöglich gemacht. Unter Vermittlung von Katar sollten sich in Doha, der Hauptstadt Katars, Delegationen aus Moskau und Kiew treffen. Beide Seiten wollten sich über ein Abkommen zur Beendigung des Konfliktes verständigen. Zudem sollte vereinbart werden, zwei Monate lang die Energieanlagen der jeweils anderen Seite, nicht anzugreifen. Alleine, die durch die Ukraine in Übereinstimmung mit den USA nicht genutzten Möglichkeiten zeigen, die NATO will den Stellvertreterkrieg gegen Russland, ohne Rücksicht auf weitere Folgen, fortführen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (19. August 2024 um 07:53 Uhr)
    Das Regime Selenskyj fordert immer mehr Waffen mit größerer Reichweite und es bekommt sie. Wie man lesen konnte, will der US-Hegemon und sein Oberindianer moderne Marschflugkörper für die F16-Flugzeuge liefern. Reichweite 400 bis 900 Kilometer. Die Eskalationsspirale dreht sich immer schneller und Russland wird darauf reagieren müssen. Keine guten Aussichten für die Welt als Ganzes und Europa im Besonderen. Wenn Russland zur Verteidigung seines Landes keine konventionellen Mittel mehr zur Verfügung stehen, ist die letzte rote Linie überschritten und die Ziele der strategischen Verteidigung sind programmiert.

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