Bunt statt braun
Von Annuschka EckhardtGehüllt in schwarz-rot-weiße Fahnen und mit Reichsadler-Tattoos sind am Samstag sind Hunderte Neonazis nach Leipzig geströmt, um den Christopher Street Day zu stören, dessen Teilnehmer bunt und eher leicht bekleidet Regenbogenflaggen schwenken.
Für den rechten Protest unter dem Motto »stolz, deutsch, national« im Hauptbahnhof waren ursprünglich bis zu 1.000 Personen angemeldet. Die Versammlung fiel allerdings kleiner aus, laut Angaben der Leipziger Polizei versammelten sich rund 400 Rechte im Bahnhofsgebäude. Es wurden mehrere Straftaten wie Volksverhetzung, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen festgestellt und zudem zahlreiche Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Viele der Rechten waren Teenager. »Von den rund 400 Personen der beendeten rechten/rechtsextremen Versammlung, die sich in strafprozessualen Maßnahmen befanden, waren vier Kinder und über 160 Jugendliche. Bei den Minderjährigen wurden die Erziehungsberechtigten verständigt und eine Abholung organisiert«, gab die Leipziger Polizeidirektion in einer Mitteilung am Sonntag bekannt.
Gegen den rechten Aufmarsch fanden mehrere Gegendemonstrationen und -Kundgebungen statt. Elke Kaminski, die ihren Klarnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, war am Samstag bei der zunächst noch unangemeldeten Kundgebung direkt beim Leipziger Hauptbahnhof. »Also bis zur Anmeldung der Kundgebung auf Gleis 6 durften wir eine Zeitlang nicht mehr in den Hauptbahnhof. Ein Polizist sagte: ›Wir dürfen niemanden mehr in den HBF lassen, der augenscheinlich nach CSD aussieht‹«, sagte Kaminski am Sonntag im junge Welt-Gespräch. Eine halbe Stunde später hatte die Anmeldung des Protests gegen die queerfeindlichen Rechten funktioniert, und die Gegendemonstranten durften das Bahnhofsgebäude betreten. Die Polizei schirmte die Faschos von ihren Gegnern ab. Polizisten begleiteten die Rechten auf die Toilette und selbst zum Einkaufen in den Supermarkt, versorgten sie mit Wasser und Nahrungsmitteln. »Das kenne ich so nicht bei linken Demos«, stellte Kaminski fest.
Beim CSD in Leipzig feierten ungeachtet des rechten Protests knapp 20.000 Personen. Georg Hardenberg ist Transperson und hat am Umzug teilgenommen. »Als ich am Samstag das große Polizeiaufgebot vor dem Hauptbahnhof gesehen habe, hatte ich zum ersten Mal Angst. Angst davor, dass dieses Jahr Gruppen den Protestzug gewalttätig angreifen werden oder Teilnehmern auf dem Heimweg auflauern«, sagte er am Sonntag gegenüber jW. Diese Angst ist nicht unbegründet. Vergangene Woche wurde der CSD in Bautzen, bei dem 1.000 Personen teilnahmen, von rund 680 Neonazis gestört.
Die Berufsvereinigung »Gewerkschaft der Polizei« (GdP) nutzt die Situation für eigene Schlüsse: Für einen besseren Schutz von Veranstaltungen wie dem CSD plädierte sie für Änderungen der Versammlungsgesetze in den Bundesländern. Häufig werde ein härteres Durchgreifen der Polizei erwartet, das aber mit dem geltenden Versammlungsrecht in den meisten Bundesländern nicht möglich sei, sagte GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Samstag. »Wir plädieren deshalb für ein bundesweit einheitliches und restriktiveres Versammlungsrecht, das es der Polizei ermöglicht, schneller in Versammlungen einzuschreiten«, so Kopelke.
»Ich bin begeistert, wie stabil und entschlossen die Leute in Leipzig sich in den Weg gestellt haben. Leipzig ist privilegiert, wir haben gute Strukturen. Aber wir dürfen die kleinen CSDs in anderen Städten nicht vergessen und gerade die müssen unterstützt werden«, so Kaminski.
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