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Aus: Ausgabe vom 19.08.2024, Seite 7 / Ausland
Gazaverhandlungen in Doha

Vermittlung oder Diktat?

Gazaverhandlungen in Doha: Biden verbreitet Optimismus, Hamas weist das zurück. Auch Iran warnt vor Betrug
Von Knut Mellenthin
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Das Elend nimmt kein Ende: Rauch und Trümmer in Khan Junis am Freitag

Nach den »Vermittlungsgesprächen« in Doha, der Hauptstadt Katars, am Donnerstag und Freitag steht die Hamas unter erhöhtem Druck der US-Regierung: Die nicht nur im Gazastreifen einflussreiche palästinensische Organisation soll in wenigen Tagen einem Abkommen mit Israel zustimmen, obwohl sie dessen Inhalt in wesentlichen Punkten ablehnt.

Die Hamas scheint sich jetzt in einem schweren Dilemma zu befinden, weil auch die beiden anderen Vermittler, Katar und Ägypten, das rabiate Vorgehen der USA mitzutragen scheinen. Noch vor dem kommenden Wochenende wolle man sich in Kairo treffen, »mit dem Ziel, die Vereinbarung unter den heute vorgeschlagenen Bedingungen abzuschließen«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der drei Vermittlerstaaten, die am Freitag veröffentlicht wurde. Die Hamas ist auf Katars Beistand nicht zuletzt finanziell angewiesen und kooperiert regelmäßig mit Ägypten als einzigem Nachbarn des Gazastreifens außer Israel.

Bei den Gesprächen in Doha hätten die USA »mit Unterstützung Ägyptens und Katars« einen neuen Vorschlag eingebracht, der die verbleibenden Gegensätze »in einer Weise überbrückt, die eine schnelle Umsetzung des Abkommens ermöglicht«, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Um welche konkreten Differenzen und Lösungsvorschläge es dabei geht, ist nach wie vor nicht gesichert bekannt. Zur Stunde haben vor allem in den israelischen Medien Mutmaßungen, Erzählungen angeblicher Insider ohne Namen und Gerüchte Konjunktur.

Aus den USA kommen stimmungsaufhellende Kommentare zum in Doha Erreichten, die sich oft auf die Meinung der üblichen »Offiziellen« ohne Namen berufen. Joseph Biden wurde am Freitag mit den Worten »Wir sind viel, viel näher dran als noch vor drei Tagen« zitiert. »Näher als jemals zuvor«, soll der US-Präsident gesagt haben, aber auch einschränkend: »Ich will nichts Überstürztes sagen … Wir haben vielleicht eine Lösung. Aber wir sind noch nicht da.«

Israel hatte eine hochrangige Delegation nach Doha geschickt, die zwar nicht an den Gesprächen der drei Vermittler teilnahm, aber von ihnen konsultiert und informiert wurde. Die Hamas hingegen hatte eine solche indirekte Beteiligung abgelehnt und statt dessen eine Umsetzung der Vorschläge Bidens vom 31. Mai gefordert, denen sie damals zugestimmt hatte, die aber zugunsten Israels verändert wurden.

Das Büro von Benjamin Netanjahu veröffentlichte am Sonnabend eine Stellungnahme: Der Premierminister habe sich von den Mitgliedern der israelischen Delegation – darunter die Chefs der Geheimdienste Mossad und Schin Bet – unterrichten lassen. Diese hätten »vorsichtigen Optimismus betreffs der Möglichkeit, ein Abkommen voranzubringen«, ausgedrückt. Der letzte Vorschlag der drei Vermittler »enthält Komponenten, die für Israel akzeptabel sind«. »Wir hoffen, dass starker Druck der USA und der Vermittler auf die Hamas dazu führt, dass diese ihren Widerstand gegen den amerikanischen Vorschlag aufgibt.«

Für die Hamas veröffentlichte deren Sprecher Sami Abu Zuhri eine Stellungnahme, in der er Bidens zur Schau getragenen Optimismus zurückweist. »Zu behaupten, dass wir einer Vereinbarung nahe seien, ist eine Illusion«, erklärte er. »Wir haben es nicht mit einem Abkommen oder wirklichen Verhandlungen zu tun, sondern vielmehr mit dem Aufzwingen eines amerikanischen Diktats.«

Der amtierende iranische Außenminister Ali Bagheri Kani warnte in einem Telefongespräch mit seinem katarischen Amtskollegen vor dem »Betrug« und der »Unaufrichtigkeit« Israels und der USA. Anlass der deutlichen Formulierungen war Pressemeldungen zufolge das Drängen Katars, Teheran möge mit Rücksicht auf die Fortschritte bei den Vermittlungsbemühungen seinen »Vergeltungsschlag« gegen Israel wegen der Ermordung von Hamas-Chef Ismail Hanija am 31. Juli verschieben.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. August 2024 um 10:45 Uhr)
    Nach dem Abschluss der Waffenstillstandsverhandlungen in der katarischen Hauptstadt Doha verbreiteten die Vermittler aus Ägypten, Katar und den USA vorsichtigen Optimismus – obwohl sie wissen, dass wenig erreicht wurde. Man hoffe, die Details zur möglichen Freilassung der verschleppten Geiseln bis Ende nächster Woche in Kairo klären zu können, erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses am Freitag. Sollte eine Einigung auf den bereits im Mai vorgeschlagenen Stufenplan zwischen Israel und der Hamas erzielt werden, würde der Waffenstillstand zunächst für sechs Wochen gelten. In dieser Zeit sollen israelische Geiseln und in Israel inhaftierte Palästinenser gleichzeitig freigelassen werden. Wenn die erste Phase erfolgreich verläuft, könnte ein unbefristeter Waffenstillstand verhandelt werden. Doch die unterschiedlichen Reaktionen in Gaza und Jerusalem zeigen, wie weit die Positionen Israels und der Hamas noch auseinanderliegen. Premierminister Benjamin Netanjahu begrüßte zwar die Fortschritte, forderte jedoch das Vermittlertrio auf, die Hamas-Führung dazu zu bewegen, den zusammen mit US-Präsident Joe Biden am 27. Mai vorgelegten Vorschlag zu unterzeichnen. Die Hamas hatte diesem Plan prinzipiell zugestimmt, beklagte jedoch nachträglich ergänzte israelische Forderungen. Es fällt weiterhin schwer, sich einen dauerhaften Frieden vorzustellen. Zwar setzen die USA alles daran, Israel zu überzeugen, während Katar und Ägypten ihre Druckmittel auf die Hamas ausüben. Doch allen Beteiligten ist klar, dass eine Einigung schwer zu erreichen ist, wenn die ungleichen Akteure – der untergetauchte Terrorist Yahya Sinwar und die skrupellosen Machtmenschen Benjamin Netanjahu und Israels Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, der seit Monaten die Idee propagiert, den Norden Gazas durch neue Siedlungen an Israel anzuschließen – nicht in das Friedenskonzept passen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Detlev R. aus Tshwane, Südafrika (18. August 2024 um 20:36 Uhr)
    Al Jazeera meldete kürzlich, dass Katars Geheimdienstchef Abdullah bin Mohammed al-Khulaifi von der CIA mit einer Medaille geehrt wurde für die Stärkung der Geheimdienstkooperation zwischen USA und Katar. Nun spielen diese Dienste, egal von welcher Seite, im Hinter- und Untergrund ihre jeweiligen, meist finsteren Rollen, und wir Normalsterblichen können nur ahnen, ob’s zu Lösungen von Konflikten beiträgt oder diese weiter anheizt. Wenn nun der Hauptunterstützer des israelischen Apartheidstaates durch seinen »intelligence service« ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt dem Geheimdienstchef des wichtigsten »Vermittlers« im Nahostkonflikt einen Orden umhängt, dann ist, denke ich, eine unparteiische Haltung Katars als Vermittler ernsthaft infrage gestellt, mindestens. Deshalb beantworte ich die Frage, ob »Vermittlung oder Diktat« eher mit dem letzteren.

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