Rassistische Allianz
Von Dieter ReinischDie Spannungen sind groß in der Grafschaft Tipperary. Es ist eine einsame, verlassene Gegend im Süden der irischen Insel. Ausgerechnet hier, weit entfernt von öffentlicher Infrastruktur sollen etwa 80 Asylsuchende eine Bleibe finden. Doch wie überall in Irland, wenn in einem verlassenen Hotel ein paar Dutzend Menschen untergebracht werden sollen, kommt es zu Protesten. Oft werden geplante Unterkünfte in Brand gesteckt. Dazu ist es in Tipperary bislang nicht gekommen. Doch einige Anwohner der Gegend beteiligen sich seit Mai jeden Tag an einer Straßenblockade vor dem Dundrum House Hotel, in das die Asylsuchenden gebracht werden sollen. Das Hotel wird seit mehreren Jahren nicht mehr gewerblich genutzt.
Derartige Proteste werden seit fast drei Jahren überall in Irland organisiert. Rechte Agitatoren stacheln Anwohner gegen Asylsuchende auf und verbreiten Unwahrheiten über die sozialen Netzwerke. In der südlichen Republik sind es faschistische Gruppen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind und die aus den USA finanziert werden. Ein ähnliches Bild in Nordirland: Dort werden die rassistischen Proteste gegen Geflüchtete von loyalistischen Paramilitärs organisiert, denen sich oft Neonazis aus Großbritannien anschließen – und aus Irland.
Bereits seit längerem gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den beiden nach außen hin antagonistischen Gruppen. Offensichtlich wurde dies bei der extrem rechten Randale in Belfast in den vergangenen Wochen. Mehrere Rechte aus Dublin hatten neben bekannten Loyalisten vor dem Rathaus gestanden, um gegen Muslime, Islam und Einwanderung zu demonstrieren. Es war ein bizarres Bild: selbsternannte irische Patrioten mit der irischen Nationalfahne, Trikolor, neben Loyalisten mit Fahnen von Israel und dem Vereinigten Königreich.
Einer der Loyalisten, denen sich die Rechten aus Dublin anschlossen, um Anfang August in Belfast gegen Muslime zu demonstrieren, war Glen Kane. Der Loyalist ist verurteilter Mörder und hat enge Verbindungen zur British National Party und der Nazipartei Britain First. 1992 war Kane Teil einer loyalistischen Bande, die den 35jährigen Nationalisten Kieran Abram vor einem britischen Armeestützpunkt nahe der Falls Road in West-Belfast tötete, die hauptsächlich von Republikanern bewohnt wird. Kane und die anderen Loyalisten benutzten mit Nägeln gespickte Holzstangen, um Kieran zu Tode zu prügeln.
Nach seiner Entlassung aus der Haft war Kane 2012 prominent an den von der Ulster Volunteer Force (UVF) organisierten »Flaggenprotesten« im Stadtzentrum von Belfast beteiligt. Nach der Kundgebung Anfang August, an der auch Kane teilnahm, führte der irische Nationalist Bernard Lavery eine Gruppe Ultrarechter durch den Süden Belfasts auf der Suche nach einer Moschee, die der Mob angreifen konnte. Auf ihrem Marsch durch Belfast griffen sie Shishabars und migrantische Geschäfte an. Lavery war seit May 2022 mehrmals verhaftet worden, da er Kokain und Ketamine handelte.
In derselben Nacht berichtete der Belfast Telegraph, feierten die Dubliner Neonazis in der Royal Bar mit Mitgliedern der Ulster Defence Association (UDA) in der Sandy Row in Süd-Belfast. Unter den Gästen soll auch ein Mann gewesen sein, der verdächtigt wird, einen UDA-Anschlag auf ein Wettbüro verübt zu haben, bei dem 1992 fünf Menschen starben, schreibt der Belfast Telegraph. In den Akten der Staatsanwaltschaft wird er als »Suspect 4« bezeichnet.
Der Kontakt zwischen den Loyalisten und den irischen Neonazis besteht seit Jahren. Doch nicht alle Loyalisten sehen die neue Allianz mit den Rechten aus Dublin gerne: Der bekannte Loyalist Jamie Bryson, der enge Kontakte zur UVF hat, sagte dem Belfast Telegraph, dass es zwar »legitime und tief empfundene Bedenken« gebe, diese sich jedoch nicht in »maskierten Schlägern, die Eigentum angreifen oder in Nazisymbolik zeigen dürfen«. Er fügte hinzu: »Es erscheint mir absurd, dass einige aus dem Loyalismus es offenbar als fruchtbar erachten, gemeinsame Allianzen mit jenen zu bilden, die sich aggressiv und leidenschaftlich dem irischen Nationalismus verschrieben haben.«
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