Gegründet 1947 Dienstag, 5. November 2024, Nr. 258
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 19.08.2024, Seite 7 / Ausland
Irische Insel

Rassistische Allianz

Irische Faschisten und britische Loyalisten schließen sich gegen Muslime und Geflüchtete zusammen
Von Dieter Reinisch
2024-08-09T174_BRITAIN-RIOTS.JPG
Antieinwanderungsprotest in Belfast mit Ulster-Banner und Union Jack (9.8.2024)

Die Spannungen sind groß in der Grafschaft Tipperary. Es ist eine einsame, verlassene Gegend im Süden der irischen Insel. Ausgerechnet hier, weit entfernt von öffentlicher Infrastruktur sollen etwa 80 Asylsuchende eine Bleibe finden. Doch wie überall in Irland, wenn in einem verlassenen Hotel ein paar Dutzend Menschen untergebracht werden sollen, kommt es zu Protesten. Oft werden geplante Unterkünfte in Brand gesteckt. Dazu ist es in Tipperary bislang nicht gekommen. Doch einige Anwohner der Gegend beteiligen sich seit Mai jeden Tag an einer Straßenblockade vor dem Dundrum House Hotel, in das die Asylsuchenden gebracht werden sollen. Das Hotel wird seit mehreren Jahren nicht mehr gewerblich genutzt.

Derartige Proteste werden seit fast drei Jahren überall in Irland organisiert. Rechte Agitatoren stacheln Anwohner gegen Asylsuchende auf und verbreiten Unwahrheiten über die sozialen Netzwerke. In der südlichen Republik sind es faschistische Gruppen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind und die aus den USA finanziert werden. Ein ähnliches Bild in Nordirland: Dort werden die rassistischen Proteste gegen Geflüchtete von loyalistischen Paramilitärs organisiert, denen sich oft Neonazis aus Großbritannien anschließen – und aus Irland.

Bereits seit längerem gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den beiden nach außen hin antagonistischen Gruppen. Offensichtlich wurde dies bei der extrem rechten Randale in Belfast in den vergangenen Wochen. Mehrere Rechte aus Dublin hatten neben bekannten Loyalisten vor dem Rathaus gestanden, um gegen Muslime, Islam und Einwanderung zu demonstrieren. Es war ein bizarres Bild: selbsternannte irische Patrioten mit der irischen Nationalfahne, Trikolor, neben Loyalisten mit Fahnen von Israel und dem Vereinigten Königreich.

Einer der Loyalisten, denen sich die Rechten aus Dublin anschlossen, um Anfang August in Belfast gegen Muslime zu demonstrieren, war Glen Kane. Der Loyalist ist verurteilter Mörder und hat enge Verbindungen zur British National Party und der Nazipartei Britain First. 1992 war Kane Teil einer loyalistischen Bande, die den 35jährigen Nationalisten Kieran Abram vor einem britischen Armeestützpunkt nahe der Falls Road in West-Belfast tötete, die hauptsächlich von Republikanern bewohnt wird. Kane und die anderen Loyalisten benutzten mit Nägeln gespickte Holzstangen, um Kieran zu Tode zu prügeln.

Nach seiner Entlassung aus der Haft war Kane 2012 prominent an den von der Ulster Volunteer Force (UVF) organisierten »Flaggenprotesten« im Stadtzentrum von Belfast beteiligt. Nach der Kundgebung Anfang August, an der auch Kane teilnahm, führte der irische Nationalist Bernard Lavery eine Gruppe Ultrarechter durch den Süden Belfasts auf der Suche nach einer Moschee, die der Mob angreifen konnte. Auf ihrem Marsch durch Belfast griffen sie Shishabars und migrantische Geschäfte an. Lavery war seit May 2022 mehrmals verhaftet worden, da er Kokain und Ketamine handelte.

In derselben Nacht berichtete der Belfast Telegraph, feierten die Dubliner Neonazis in der Royal Bar mit Mitgliedern der Ulster Defence Association (UDA) in der Sandy Row in Süd-Belfast. Unter den Gästen soll auch ein Mann gewesen sein, der verdächtigt wird, einen UDA-Anschlag auf ein Wettbüro verübt zu haben, bei dem 1992 fünf Menschen starben, schreibt der Belfast Telegraph. In den Akten der Staatsanwaltschaft wird er als »Suspect 4« bezeichnet.

Der Kontakt zwischen den Loyalisten und den irischen Neonazis besteht seit Jahren. Doch nicht alle Loyalisten sehen die neue Allianz mit den Rechten aus Dublin gerne: Der bekannte Loyalist Jamie Bryson, der enge Kontakte zur UVF hat, sagte dem Belfast Telegraph, dass es zwar »legitime und tief empfundene Bedenken« gebe, diese sich jedoch nicht in »maskierten Schlägern, die Eigentum angreifen oder in Nazisymbolik zeigen dürfen«. Er fügte hinzu: »Es erscheint mir absurd, dass einige aus dem Loyalismus es offenbar als fruchtbar erachten, gemeinsame Allianzen mit jenen zu bilden, die sich aggressiv und leidenschaftlich dem irischen Nationalismus verschrieben haben.«

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Unruhen in Belfast nach dem Tod von Bobby Sands (6.5.1981)
    05.08.2024

    Souverän hungern

    Der Körper als Protest- und Kommunikationsmittel: Ein Buch über die transnationale Geschichte des Hungerstreiks
  • Als es in Irland einmal eine faschistische Bewegung gab. Aktivis...
    21.04.2022

    Einstweilen Randerscheinung

    Aus historischen Gründen konnte sich in Irland, abgesehen von einer kurzen Episode in den 1930er Jahren, niemals eine faschistische Bewegung etablieren. Gegenwärtig bemüht sich eine National Party um Einfluss. Mit mäßigem Erfolg