Teesieb als Notbremse
Von Arnold SchölzelDer Finanz- und Waffenhunger Kiews soll zukünftig weniger als bisher aus der deutschen Staatskasse gestillt werden. Warum die Koalitionäre das so entschieden haben, darüber spekulieren einige aufgeregte Medien. Hat sich die SPD-Fraktion durchgesetzt? Will Scholz erneut als »Friedenskanzler« in den Wahlkampf ziehen – trotz der Klatsche bei den EU-Wahlen? Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die kurz nach der »Einigung« der »Ampel« zum Haushalt 2025 am Freitag die Nachricht vom Zusammenstreichen der Militärhilfe brachte, schrieb immerhin von einem »handfesten Streit«. Am Wochenende äußerte sich aber selbst ein grimmiger Sesselkrieger wie Marcus Faber (FDP), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, der kürzlich noch »Leopard«-Panzer auf russischem Territorium für legitim hielt, zahm: »Wir« nehmen’s einfach von den Russen. Er blieb beim von den G7 im Juni beschlossenen Diebstahl und hinter Michael Roth (SPD) zurück, der nicht nur Zinserträge, sondern das gesamte russische Vermögen auf westlichen Konten in Schießgerät umrubeln will. Zudem relativierte das Finanzministerium am Sonnabend, es sei bereit, eine kurzfristige Bereitstellung weiterer Mittel für Kiew zu prüfen. Zusätzlicher Bedarf müsse »konkret angemeldet und nachvollziehbar sein«, da sei aber nichts.
Ein Sturm im Wasserglas? Nicht nur. Der gesamte am Freitag verabschiedete Entwurf des Haushalts besagt: Es knirscht nicht nur im Gebälk, es läuft wirtschaftlich fundamental etwas schief. Mit diesem Etat wird eine Notbremse gezogen. Die Finanzen für Kiew sind dabei eher Peanuts, aber selbst Posten von einigen Milliarden Euro bei insgesamt mehr als 480 Milliarden Euro werden herangezogen. Das hat nicht nur mit der »Schuldenbremse« zu tun, sondern mit der politischen Richtung, die unter dem Etikett »Zeitenwende« eingeschlagen wurde. Sie läuft auf ökonomische Selbstzerstörung hinaus. Die Explosion der Energiepreise war zum größten Teil der maßlosen Reaktion auf das Vorgehen Russlands geschuldet. Die Inflation betrug bereits im Februar 2022 5,1 Prozent, wurde aber ignoriert oder sollte von selbst verschwinden – Heilung durch Handauflegen ist wirkungsvoller als das, was Notenbankpräsidentin oder Bundeskanzler im finanzmarktgetriebenen Kapitalismus vorsehen. Tauchen dann noch Kompetenzbolzen wie Robert Habeck mit Heizungsgesetzen plus LNG-Terminals für Frackingdreck auf und landen einen Friendly-fire-Treffer in den wirtschaftlichen Fundamenten nach dem andern, dann fangen die bei aller Stärke an zu bröckeln.
Das Glück dieser Regierung ist, dass trotz der seit sechs Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation keine Massenarbeitslosigkeit herrscht, sondern im Gegenteil Mangel an Arbeitskräften. Durch einen Bundeshaushalt ist das alles nicht zu korrigieren, es sei denn, die absehbare Flut kann doch mit Teesieben aufgehalten werden.
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