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Aus: Ausgabe vom 19.08.2024, Seite 16 / Sport
Schach

Von der Schachgöttin begnadigt

Die Grand Chess Tour machte beim Blitzschach in Saint Louis Station
Von Sören Bär
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Caissa, die normalerweise nachtragende Schachgöttin, hat ihm verziehen: Alireza Firouzja (l.) gegen Jorden van Foreest

Das »Saint Louis Rapid & Blitz« vom 12. bis 16. August 2024 war die vierte Station der Grand Chess Tour. Es setzt sich – nomen est omen – aus einem neunrundigen Schnell- und einem achtzehnrundigen Blitzschachturnier zusammen. Während man in der Disziplin Rapid zwei Punkte für einen Sieg und einen Zähler für ein Remis erhält, werden beim Blitz Gewinne mit einem Punkt und Unentschieden mit halben Zählern dotiert. Die in beiden Turnieren erreichten Punktzahlen werden addiert.

Die ersten drei Tage mit je drei Rapidpartien à 25 Minuten Bedenkzeit und zehn Sekunden Aufschlag pro Zug endeten mit der Führung einer Troika aus Jan Nepomnjaschtschi (Russland) und den beiden Franzosen Alireza Firouzja und Maxime Vachier-La­grave, die elf von 18 möglichen Punkten erzielten. Dahinter lauerten vier Vertreter des Gastgebers – Lewon Aronjan mit zehn sowie Wesley So, Hikaru Nakamura und der aus Kuba stammende Leinier Dominguez (jeweils 9). Der 31jährige Titelverteidiger Fabiano Caruana (USA), zuletzt Sieger in Bukarest und in Zagreb und Führender in der Gesamtwertung, musste sich wie Nodirbek Adusattorow (Kasachstan) mit acht Punkten begnügen, während Rameshbabu Praggnanandhaa (Indien, 4) die rote Laterne trug. Danach standen insgesamt achtzehn Partien Blitz mit fünf Minuten sowie einem Inkrement von zwei Sekunden pro Zug an. Nach den ersten neun Begegnungen setzte sich der 22jährige Firouzja an die Spitze und behauptete sie bis zum Schluss. Im Gesamtklassement errang er 23 Punkte und ließ Wesley So um drei Zähler hinter sich. Damit verbuchte er 40.000 des Preisfonds von insgesamt 175.000 US-Dollar für sich.

Edelblitzer Hikaru Nakamura kletterte durch 10,5 Punkte in seiner Schokoladendisziplin Blitz mit insgesamt 19,5 Zählern auf den dritten Rang in der Gesamtwertung. Auf den Plätzen vier und fünf rangierten Aronjan und Vachier-Lagrave mit je 19 Punkten, während Nepomnjaschtschi beim Blitzen deutlich zurückfiel, so dass er sich am Ende mit Caruana (je 18) die Plätze sechs und sieben teilte. Das Tabellenende zierten Abdusattorow (16), Dominguez (15,5) und Praggnanandhaa (12). Firouzja eroberte damit Rang eins in der Gesamtwertung und strebt seinen zweiten Sieg nach 2022 an. Der in Bābol (Iran) geborene und seit 2019 im französischen Chartres lebende Firouzja übertraf 2021 als jüngster Spieler die ELO-Zahl 2.800. In den vergangenen zwei Jahren beschäftigte er sich auch mit Modedesign und erregte durch extravagante Outfits Aufsehen. Mangelnde Hingabe zum königlichen Spiel verzeiht die Schachgöttin Caissa selten. Nach enttäuschenden sechsten und siebenten Plätzen bei den WM-Kandidatenturnieren 2022 in Madrid und 2024 in Toronto rutschte Firouzja in der Weltrangliste auf ELO 2.751 ab. Nun scheint ihn Caissa begnadigt zu haben.

Als letzte GCT-Etappe wird vom 19. bis 29. August 2024 ebenfalls in St. Louis der Sinquefield Cup im klassischen Schach absolviert. Mit einer Wildcard ausgestattet, trifft dann auch der auf den fünfzehnten Platz der Weltrangliste abgerutschte Weltmeister Ding Liren (China) auf seinen siebzehnjährigen WM-Herausforderer Dommaraju Gukesh aus Indien.

Alireza Firouzja – Wesley So, Grand Chess Tour, Saint Louis Rapid & Blitz, Schnellschach, 2. Runde, 12. August 2024, Italienisch – Giuoco Piano

1.e4 e5 2.Lc4 Sf6 3.d3 Lc5 4.Sf3 d6 5.c3 O-O 6.O-O Sc6 7.Lg5 h6 8.Lh4 a6 9.b4 (Damit installiert Firouzja die sogenannte »Badewanne« – charakterisiert durch die Bauernformation b4, c3, d3 und e4. Früher belächelt, ist sie heute in der Weltspitze verbreitet. Weiß erobert Raum am Damenflügel.) 9…La7 10.Sbd2 De7 (Mit 10…g5!? 11.Lg3 Kg7 12.Lb3 Sh7 13.Sc4 h5! 14.h3 h4 15.Lh2 g4! 16.hxg4 Lxg4 hätte Schwarz seinen Bauernschild aufgegeben, aber Chancen in der halboffenen g-Linie erhalten.) 11.a4 Le6 12.Ld5 (12.Te1 Lxc4 13.Sxc4 De6 14.Se3 +/=) 12…g5!? 13.Sxg5!? (Dadurch erhält Weiß zwar keinen Vorteil, doch die schwarze Position ist unangenehm zu spielen.) 13…Sxd5? (Richtig war die Annahme des Läuferopfers mit 13…hxg5 14.Lxg5 Kg7 15.b5 Sa5 16.Tb1 [16.bxa6 c6!] 16…Th8! 17.bxa6 c6! 18.axb7 Tab8 19.Lxe6 Dxe6 20.Df3 Sg4! mit gutem Gegenspiel.) 14.Sxe6! Dxh4 (Nach 14…Dxe6 15.exd5! Dxd5 16.Dg4+ Kh7 17.Df5+ Kg8 18.Se4 ± machen Dame, Läufer und Springer dem schwarzen Monarchen den Garaus.) 15.exd5 fxe6 16.g3! Dh3 17.dxc6 Tf5 18.Kh1! bxc6 (18…Th5 19.Sf3.) 19.De2 Taf8 20.f3! (Deshalb musste der weiße König die Fesselung auf der Diagonalen g1–a7 verlassen.) 20…Tg5 21.Se4! ± (Mit diesem dominanten Springer und der besseren Bauernstruktur steht Weiß überlegen.) 21…Tg6?! 22.d4! d5 23.Sf2! Df5 24.Sg4! exd4 25.Se5! ± (Der Rappe gewinnt mit einem feurigen Tango die Partie.) 25…d3 (25…Tg7 26.Sxc6 Lb8 [26…dxc3 27.Sxa7 ±] 27.Sxd4 ±) 26.Dxd3! (Präziser als 26.Sxd3 Dh3 27.Sf4 Txf4! 28.gxf4 Kf7.) 26…Dxd3 27.Sxd3 c5 28.bxc5 e5 29.Sxe5 Te6 30.f4 c6 31.Tab1 Tfe8 32.Sd7 1:0

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