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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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»Monopoly-Modus«

Zu jW vom 9.8.: DIHK beklagt Azubimangel

Seit über 20 Jahren bin ich im Südwesten der Republik mit jungen Menschen konfrontiert, die nach zehnjähriger, überwiegend in Deutschland erworbener Schulbildung den Beruf eines Elektrotechnikers erlernen sollen. Anfangs konnte man auf eine gute Allgemeinbildung vertrauen. Vor allem Auszubildende mit Wurzeln in Ostdeutschland/Osteuropa verfügten über einen hohen Wissensschatz an Allgemeinbildung. Nach mehreren Reformen, mit denen man letztendlich dafür gesorgt hat, dass die Profiterwartungen von Apple und Co. bedient wurden, ist von dieser Allgemeinbildung kaum noch ein fragmentarischer Rest verfügbar. Neurologen, Psychologen und erfahrene Pädagogen haben hinlänglich vor den Auswirkungen auf kindliche/jugendliche Hirne der damals sogenannten neuen Medien gewarnt! Mittlerweile rächt es sich, dass die »Entscheidungsträger«, welche stets im Sinne der Großindustrie handeln, ihren »Zauberlehrling« nicht verstanden haben! Durch das Zurückfahren der Allgemeinbildung, welches zur Folge hat, dass zum Beispiel die Anwendbarkeit des Dreisatzes oder gar das Verstehen vom Satz des Pythagoras nicht mehr existent ist, hat man erreicht, dass das Erfassen von Problemen und das Entwickeln von Lösungsstrategien kaum noch vermittelbar ist. (In Kollegenkreisen provoziere ich gern mit der Aussage, dass der Startschuss der »allgemeinen Verblödung« im Oktober 1990 gefallen ist.) Das derzeitige industrielle Jammern ist hausgemacht! Es wurde geliefert, was bestellt wurde! Konsumidioten mit eingeschränkten sozialen und kognitiven Fähigkeiten, streng erzogen im »Monopoly-Modus«, die sich bei jeder auferlegten Bürde die Frage nach dem unmittelbaren, persönlichen Nutzen stellen. Man werfe einen Blick auf den Pausenhof einer Berufsschule: kaum Gruppenbildung, Solobeschäftigung am Smartphone, die Umwelt nur noch stark eingeschränkt wahrnehmend. Menschen, wie sie sich ein Henry Ford gewünscht hätte, die aber in unserer heutigen komplexen Welt nicht mehr lebensfähig sind.

Detlev Schulz, Gaggenau

»Trüffelschwein«

Zu jW vom 10./11.8.: »Es geht nicht um Geld für den Urlaub«

Nun bin ich bereits neun lange Jahre Rentner und habe bislang noch keinen einzigen Tag wieder in Abhängigkeit gearbeitet. Oh Mann, was habe ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich solche Meldungen wie diese lese! Wahrscheinlich soll mir so meine Freude am fröhlichen »Rentnern« abtrainiert werden; so nach der Methode der »Gegenkonditionierung« (siehe: Pawlowscher Hund). Leider habe ich aber gar keine Zeit zum Billigjobben; muss nämlich, um über die Runden zu kommen, die ganze Zeit Flaschen sammeln mit meinem Hund. Der ist speziell auf das Erschnüffeln von Leergut abgerichtet (mein kleines treues »Trüffelschwein«) und gottlob noch nicht im Rentenalter – der Glückliche!

Reinhard Hopp, Berlin

»Supernova«

Zu jW vom 10./11.8.: Ganz großes Kapitel

Radioaktive Isotope haben den Vorteil, eine Halbwertszeit zu haben. Die Halbwertszeit von (Kraftwerks-)Plutonium ist etwa vierundzwanzigtausend Jahre, nach hundertzwanzigtausend Jahren ist nur noch ein Zweiunddreißigstel der Anfangsmenge vorhanden. Aus dem Plutonium entsteht Uran (235U) mit einer Halbwertszeit von 704 Millionen Jahren, um das braucht man sich nicht mehr zu kümmern. Man sollte sich die Frage stellen, weshalb »die Natur« dafür gesorgt hat, dass praktisch kein Plutonium »natürlich« auf der Erde vorkommt. Oder andersherum: Die Evolution konnte nur ohne Plutonium ablaufen, da es rechtzeitig nach seiner Entstehung in der Supernova, aus deren Sternenstaub das Sonnensystem entstanden ist, zerfiel. Da könnte man eine interessante Debatte um den Stoffwechsel des Menschen mit der Natur anzetteln.

Heinrich Hopfmüller, Stadum

»Schande«

Zu jW vom 10./11.8.: Ein ungesühntes Verbrechen

Ulrich Schneider gebührt Dank, dass er an das ungesühnte und so unvorstellbar grausame Verbrechen erinnert hat. Die mangelnde juristische Aufarbeitung ist eine Schande und auch für die bundesdeutsche Justiz – wie so oft bei der Verfolgung von Nazigewaltverbrechen – kein Ruhmesblatt. Bewältigung der Vergangenheit muss sowohl auf historischer als auch juristischer Ebene erfolgen, sonst bleibt sie halbherzig und nicht überzeugend.

Ralph Dobrawa, Gotha

»Monopolbildung«

Zu jW vom 8.8.: Gestalten der Ausbeutung

Vielleicht wird es an anderer Stelle im Buch noch behandelt: In diesem Auszug fehlt mir bei der Stelle der Erläuterungen des Aktienkurswertes als fiktives Kapital, dass dieser meiner Auffassung nach in der Börsenrealität einen starken Einfluss auf Angebot und Nachfrage bei Kapitalerhöhungen/Emissionen neuer Aktien hat, damit schnell zu realem Kapital – und, falls die »Kurspflege« entsprechend erfolgreich ist, sogar zum entscheidenden Faktor bzgl. der von jedem kapitalistischen Konzern angestrebten Monopolbildung – werden kann: Eine Aktiengesellschaft, die mehr oder weniger regelmäßig aufgrund eines relativ hohen Kurses der Altaktien und der damit einhergehenden, spekulativen Erwartungshaltung von Klein- und Großaktionären neue Aktien zu vergleichsweise hohen Preisen auf den Primärmarkt werfen kann, wird mittels der daraus entstehenden übergroßen Kapitalmacht sehr schnell jegliche Konkurrenz an die Wand drücken und/oder aufkaufen können. Womit sich dann – besonders was die Profite für die Gründer und Großaktionäre angeht – die mit solchen Neuemissionen regelmäßig einhergehende Kapitalverwässerung relativiert/extrem rentiert.

N. Schreiber, München

Leider habe ich aber gar keine Zeit zum Billigjobben; muss nämlich, um über die Runden zu kommen, die ganze Zeit Flaschen sammeln mit meinem Hund.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!