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Sie sind ein Freak!

Von Pierre Deason-Tomory
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Duke Ellington nannte ihn einen »Maharadscha der Tasten«: Jazzpianist Oscar Peterson

Sie hören Radio und lesen auch Tageszeitung? Und wundern sich, dass noch niemand gekommen ist, der Sie ausstopft und im Museum ausstellt? Das hat einen einfachen Grund: Sie sind keine so seltene Kreatur wie allgemein angenommen – wenn auch tendenziell kriminell. Diese Feststellung fußt auf zwei Untersuchungen, die sich mit des Michels Mediennutzung beschäftigt haben. Nach den Ergebnissen der Studie »Audioversum 2024« des Anstaltsvermarkters ARD-Media hört der Durchschnittsbürger ab 14 Jahren täglich immer noch 149 Minuten lang Radio, mehr als zwei Stunden. Und wenn der Deutsche genug gehört hat, klaut er beim Nachbarn die Tageszeitung, das zeigt Studie zwei. Die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse hat im Juli vorgerechnet, dass zuletzt 33,7 von rund 85 Millionen BRD-Bewohnern täglich Zeitung gelesen haben, fast 48 Prozent der Sprachkundigen. Zwei von drei lasen allerdings für lau, die Nutzung der Tagespresse übertraf die Auflagenhöhe um das Dreifache. Nur ganz am Rande: Besonders beeindruckend ist die Zahl der Mitbürger, die jeden Dienstag in junge Welt die Radiokolumne auf Seite 14 studieren, ausschneiden und an den Kühlschrank magnetisieren. Sie ist so groß, dass sie nicht auf diese Zeitungsseite passen würde.

Folgende Übertragungen werden für die nächsten sieben Tage im Radio vorgemerkt: Zunächst der zweiteilige Auftritt von Frank-Markus Barwasser, früher unterwegs als Erwin Pelzig, mit seinem Programm »Der wunde Punkt«, aufgenommen im ­April im Bonner Pantheon-Theater (Di. und Mi., 20.04 Uhr, WDR 5). Zum 100. Geburtstag des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin erinnern sich menschliche Klangkörperteile an legendäre Produktionen beim Staatlichen Rundfunkkomitee in Berlin-Oberschweineöde und erzählen »Vom Mythos Nalepastraße« (Mi., 22.05 Uhr, DLF). »Angriff auf die Globuli« ist kein Sci-Fi-Hörspiel, sondern ein »Zeitfragen-Feature« über die Macht der Kugelquacksalber, an der der Herr der Fliege, Gesundheitsminister Lauterbach, gerade gescheitert ist (Do., 19.30 Uhr, DLF Kultur). Die Reihe »In Concert« bringt eine Rarität, das Konzert der »Count Basie Bigband mit Oscar Peterson« 1974 im Grazer Kammersaal (Fr., 14.05 Uhr, Ö 1). »Die rebellischen Mitford Sisters« porträtiert das »Bayerische Feuilleton« am Wochenende. Es handelt sich um sechs exaltierte englische Ladys, die je nach Façon Geflügel gezüchtet, Bestseller geschrieben oder sich mit Hitler herumgetrieben haben (Sa., 8.05 Uhr, So., 12.05 Uhr, Bayern 2).

Im Oktober vor einhundert Jahren hat André Breton ein erstes Manifest des Surrealismus vorgelegt, dada ihm ein zweites noch nicht eingefallen war. Zeitblom alias Georg Falk-Huber hat nun das ursprüngliche als »Mono-Oper für KI, Stimme, elektronische Klangerzeugung und Streichquartett« vertont: »Manifest 24« (Deutschlandfunk 2024, Ursendung, Sa., 20.05 Uhr, DLF, So., 18.30 Uhr, DLF Kultur). Wolfgang Amadé Mozart kritisierte Zeitblom dafür. Das Wort »Monooper« müsse unbedingt zusammengeschrieben werden. Und er für seinen Teil habe es immer abgelehnt, sich beim Komponieren mit künstlicher Intelligenz zu besudeln. Und empfehle darüber hinaus die »Mozart-Matinee live« am Sonntag bei den Salzburger Festspielen (So., 11.03 Uhr, Ö 1). Letzter Vorschlag für diese Woche ist das Hörspiel »Keimzellen« von Rébecca Déraspe. Aude ist schwanger, das ungeborene Kind hat Trisomie 21 und ihre beste Freundin rät zur Abtreibung. Was soll sie tun mit dem Kind? Was mit der Freundin? (DLF 2020, So., 17.04 Uhr, WDR 5).

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (20. August 2024 um 00:33 Uhr)
    1) Quadrocopter kenne ich, aber Monooper? 2) Teuflische Frage: Wenn’s denn der Heilung dient, warum nicht Globuli? Mir ist es schon besser gegangen, nachdem ich dem Arzt gesagt habe, dass es mir schlecht geht. Obelix würde sagen: Die spinnen, die Neuronen! 3) Ist das Ungeborene, einer Keimzelle entsprungen, ein Kind, ein Embryo oder ein Fötus? Drei Fragen: Ist ein Embryo oder Fötus ein Kind? Kann man ein Kind abtreiben? Wann ist ein Mann ein Mann? 4) p.s.: Warum gibt es im jW-Shop keinen Glasschneider? Mit dem könnte ich die Seite 14 von meinem Monitor schneiden. p.p.s.: Meistens studiere ich die Seite 14 schon am Montag. p.p.p.s.: Mit einer Schriftgröße von 6pt ließen sich ziemlich viele Ziffern auf Seite 14 unterbringen. Ausprobieren! Die Chinesen machen das auch. Mit einer Nahaufnahme (Stativ, Blitz) konnte ich die Gebrauchsanleitung auf einer Dose Rostumwandler aus China lesbar machen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (20. August 2024 um 13:37 Uhr)
      Lieber Heinrich H. aus Stadum, oft sind deine Wortmeldungen wahre Geistesblitze. Ab und zu gleichen sie aber eher der letzten Seite der Wochenendausgabe: Man müht sich redlich und kommt doch nicht drauf, was eigentlich gemeint ist. Lass es doch bitte wieder etwas mehr blitzen als krachen!

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