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Aus: Ausgabe vom 20.08.2024, Seite 1 / Titel
Geopolitik

Kanonenboot zeigt Flagge

Deutscher Marineverband könnte Taiwanstraße durchfahren. Spannungen im Südchinesischen Meer und US-Manöver gegen Nordkorea
Von Nick Brauns
Fregatte »Baden-Württemberg«
Proteste gegen südkoreanisch-US-amerikanisches Militärmanöver am Montag vor dem Präsidialamt in Seoul

Zwei Kriegsschiffe der Bundesmarine warten auf grünes Licht aus Berlin, um die Straße von Taiwan zu durchfahren. Die im Mai aufgebrochene Fregatte »Baden-Württemberg« und das Einsatzgruppenversorgungsschiff »Frankfurt am Main« haben bereits vor Hawaii an einem US-geführten Manöver teilgenommen. Am Dienstag werden sie in Tokio anlegen. Eine Weiterfahrt durch die von China als Hoheitsgebiet beanspruchte, von den USA aber als internationales Gewässer betrachtete Seeverbindung zwischen dem chinesischen Festland und der abtrünnigen Insel Taiwan hieße, einen Konflikt mit der Volksrepublik bewusst in Kauf zu nehmen.

»Die Entscheidung ist noch nicht getroffen«, erklärte der Leiter des Marineverbandes, Flotillenadmiral Axel Schulz, am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Doch bereit zum »Panthersprung« im Südchinesischen Meer ist der 53jährige ausgebildete Marinetaucher. »Es geht darum, Flagge zu zeigen und vor Ort zu demonstrieren, dass wir, Deutschland, an der Seite unserer Partner und Freunde und Verbündeten stehen, für die Wahrung der regelbasierten Ordnung, die friedliche Konfliktbeilegung insbesondere mit Blick auf Gebietsstreitigkeiten und die Freiheit der Seehandelsrouten eintreten«, rechtfertigt der Admiral deutsche Kanonenbootpolitik gut 10.000 Kilometer Luftlinie vom Wilhelmshavener Heimathafen entfernt. Gefährdet ist der freie Handel allerdings nicht durch die Exportnation China, sondern durch die von den USA betriebene Militarisierung der ersten Inselkette vor der chinesischen Küste von Japan über Taiwan bis zu den Philippinen. Denn diese Einkreisungspolitik zielt darauf, die Volksrepublik bei einer Verschärfung des Handelskrieges oder gar einer militärischen Auseinandersetzung vom weiteren Meereszugang abschneiden zu können.

Die USA, Kanada und andere Nationen hatten bereits in den vergangenen Wochen provokativ Kriegsschiffe durch die Straße von Taiwan geschickt, während die Bundesmarine diese Route zuletzt vor 22 Jahren genommen hat. Taiwan sei eine innere chinesische Angelegenheit, mahnte daher eine Sprecherin des Außenministeriums in Beijing. »China hat sich immer schon dagegen verwahrt, seine territoriale Souveränität und Sicherheit unter dem Vorwand einer Freiheit der Navigation zu untergraben.«

Die explosive Lage im Südchinesischen Meer zeigte sich erneut am frühen Montag morgen, als im Gebiet der Spratly-Inseln zwei Versorgungsschiffe der philippinischen Küstenwache kurz hintereinander mit zwei chinesischen Schiffen kollidierten. Beide Seiten schoben sich gegenseitig die Schuld zu. Bereits mehrfach war es dort zu Konfrontationen im Zusammenhang mit einem philippinischen Militärstützpunkt auf dem von China beanspruchten Riff der Second-Thomas-Untiefe gekommen. Da die USA die Philippinen derzeit zu antichinesischen Angriffsplattform ausbauen, könnte ein solcher Konflikt ebenso wie die Taiwanfrage das Potential zum Auslöser eines großen Krieges haben.

Für Spannungen sorgt Washington derweil auch auf der koreanischen Halbinsel. Dort begannen am Montag US-Streitkräfte gemeinsam mit 19.000 südkoreanischen Soldaten ihre jährliche gegen die Demokratische Volksrepublik Korea gerichtete elftägige Militärübung. Das Außenministerium in Pjöngjang sprach am Sonntag angesichts des auch amphibische Landungsoperationen beeinhaltenden Manövers von »offensivsten und provokativsten Kriegsübungen für Aggressionen«.

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  • Leserbrief von Andreas Kubenka aus Berlin (20. August 2024 um 16:39 Uhr)
    Wir wissen noch nicht, ob künftige Historiker den Beginn des dritten Weltkriegs nicht vielleicht schon auf 2022 datieren werden. Tatsache ist, dass die Koalitionsbildung für diesen Krieg bereits stattfindet. China ist im Kampf um die Weltmacht der Hauptgegner der westlichen Koalitionen. Weltkriegsbeben gehen diverse Vorbeben voraus. Das war auch bei den ersten beiden Weltkriegen so. Beunruhigend ist, dass es von deutscher Seite keine ernsthaften zivilen Bemühungen zur Eindämmung der sich verschärfenden internationalen Konflikte gibt, sondern auf ganzer Linie Gegenteiliges. Passend dazu ist der derzeitige – geradezu wilhelminische Selbstüberschätzung verratende – »Panthersprung« in die Taiwanstraße.
  • Leserbrief von Alexander Majer-Wendelstein aus Feldkirch/Österreich (19. August 2024 um 20:54 Uhr)
    Ein deutscher Flottenadmiral spielt sich als Herr über China auf und ist bereit, die Taiwanstraße zu durchfahren. Nun verrate mir doch einer, was die deutsche Kriegsmarine in Asien verloren hat. Die Antwort ist einfach und leicht: Nichts. Die Provokationen gegen China ist ein Teil der Eindämmung Chinas und die Ein-China-Politik, die auch von den USA mitgetragen wurde, ist im Westen nicht mehr länger gültig. Durch diese dümmlichen Aktionen wird China nur verärgert und es muss in der Tat mit Gegenreaktionen von seiten der Chinesen gerechnet werden. Vor nicht allzulanger Zeit fand ein elektronischer Krieg zwischen Schiffen der U.S. Navy und der chinesischen Kriegsmarine statt. Die Amerikaner wurden, obwohl kein einziger Schuss fiel, schwer geschlagen und mussten sich zurückziehen. Einige amerikanische Seeleute waren so frustriert, dass sie, als die US-Flotte im nächsten Hafen anlegte, um Entlassung aus dem aktiven Dienst ersuchten. Die elektronische Kriegsführung Russlands und Chinas ist der der USA und der westlichen Streitkräfte um eine ganze Generation voraus. Was will eine Gruppe von ein oder zwei deutschen Kriegsschiffen dort schon ausrichten? Die ganze Nummer ist eine lächerliche Freakshow. Wenn die Amerikaner und Kanadier dort spazierenfahren und den Chinesen auf den Nerv gehen, dann von mir aus. Es ist ihr Risiko, das sie eingehen. Aber Deutschland ist NATO-Mitglied und NATO heißt nichts anderes als North Atlantic Treaty Organisation. Da wird also vom Nordatlantischen Verteidigungsbündnis geredet. Seit wann sich der Nordatlantik bis auf die Taiwanstraße erstreckt, ist mir unerklärlich. Aber die kriegslüsterne, deutsche Regierung tut so, als müsse sie ein Zeichen setzen für Taiwan und reizt die chinesische Regierung unnötigerweise. Die deutsche Wirtschaft ist von China abhängig. Wenn man es sich mit China verscherzt, dann wird die deutsche Industrie erst recht zerstört werden. Aber die Chaoten in der Regierung ignorieren das.

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