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Aus: Ausgabe vom 20.08.2024, Seite 2 / Ausland
Guatemala

»Solche Diffamierungen sind nichts Neues«

Ultrarechte Angriffe auf Vertreter von Kleinbauern und Landlosen in Guatemala. Ein Gespräch mit Daniel Pascual Hernández
Interview: Thorben Austen, Quetzaltenango
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Eine guatemaltekische Landarbeiterin bewässert Zwiebelanpflanzungen nahe Almolonga (20.4.2020)

Sie wurden am Dienstag in den Vorstand der Fondo de Tierras (kurz: Fontierras, Landfonds) von Guatemala berufen. Dagegen gab es Proteste von ultrarechten Organisationen, aber auch dem Expräsidenten des Unternehmerverbandes. Was war geschehen?

Ich wurde von verschiedenen ultrarechten Organisationen diffamiert, auch der Expräsident des Unternehmerverbandes CACIF, Juan Carlos Tefel, hat behauptet, ich sei von der Regierung ernannt worden. Das ist unzutreffend. Die Entscheidung hat Fontierras als autonome Instanz getroffen, ich bin dort als Vertreter der Kleinbauern, als einer von sieben gesellschaftlichen Akteuren, auch die Privatwirtschaft und die Kooperativen sind vertreten.

Was ist Fontierras?

Eine Instanz, die nach dem Friedensabkommen 1996 gegründet wurde. Grundlage waren drei Beschlüsse im Friedensabkommen, der Beschluss über die Rechte und Identität der indigenen Völker, der zur Agrarsituation und der über die Rechte der Flüchtlinge und Vertriebenen während des Krieges. Es ging dabei auch um die Legalisierung von Gemeindeland, für das die Bewohner keine Landtitel vorlegen konnten. Ende der 1990er Jahre hatten wir 65.000 solcher Fälle.

Woher stammen die Geldmittel?

Zum einen aus Haushaltsmitteln, zum anderen von internationalen Geldgebern wie der Weltbank. Anfangs sollten 85 Prozent Kredite sein, nur 15 Prozent Gelder, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Durch die Kämpfe der Kleinbauern konnten wir den Anteil, der nicht zurückgezahlt werden muss, auf bis zu 70 Prozent ausweiten.

In den verbalen Angriffen gegen Ihre Person schrieb zum Beispiel das Netzwerk »Guatemala Inmortal« (Unsterbliches Guatemala), Sie seien verantwortlich für gewaltsame Landbesetzungen und würden mit »internationalen Terrororganisation wie Al-Qaida, Hamas und Hisbollah« in Verbindung stehen. Wie gehen Sie damit um?

Solche Diffamierungen von seiten der faschistischen Rechten in Guatemala sind nichts Neues. Dies betrifft nicht nur mich, sondern alle, die sich in Guatemala für die Rechte der indigenen Völker und die Menschenrechte einsetzen. Im Bürgerkrieg wurden solche Kämpfer für die Menschenrechte sofort umgebracht, heute sind die bevorzugten Mittel Diffamierung und Strafanzeigen. In diesen Tagen laufen die Hetzkampagnen weiter, es kursieren zwei Videos im Netz, in einem wird behauptet, ich hätte von der Regierungspartei Semilla grünes Licht für »Invasionen« von Fincas bekommen, in dem anderen wird mir vorgeworfen, ich hätte keine Schulbildung genossen.

Die ultrarechten Organisationen haben im vergangenen Jahr gesagt, sie würden den amtierenden Präsidenten Bernardo Arévalo »nicht einen Tag regieren lassen«. Welche Macht haben diese Gruppen?

Diese Gruppen vertreten die Leute, die im Bürgerkrieg für den Völkermord und andere Verbrechen verantwortlich waren. Sie haben wieder mehr Raum bekommen, seit Consuelo Porras Generalstaatsanwältin geworden ist. Diese Struktur aus Justiz, Parteien, Abgeordneten und Ultra­rechten nennen wir den »Pakt der Korrupten«.

Wie nehmen Sie die Situation von Kleinbauern wahr? Gewaltsame Vertreibungen gehen auch unter Arévalo weiter.

Da muss man zunächst festhalten, dass Arévalo im Februar ein Agrarabkommen unterschrieb. Dies ist ein wichtiges Abkommen für die ländliche Entwicklung, für die ärmsten Gemeinden, in denen Hunger herrscht. Unserer Meinung nach sind die Vertreibungen seit dem 14. Januar Teil der Eskalationsstrategie von Ultrarechten, korrupter Justiz und gekauften Bürgermeistern gegen die Regierung. Es gab auch Vertreibungen, die direkt von privaten Sicherheitsleuten der Gutsbesitzer ausgingen.

Die Landarbeiterorganisation Codeca sieht das Abkommen nicht so positiv wie Sie, es würde keine strukturellen Probleme der Landfrage angehen. Was sagen Sie dazu?

Ich kenne die Kritik von Codeca. Das Abkommen ist aber der Beginn eines dynamischen Prozesses, angelegt auch für die Zeit nach einer Regierung Arévalo. Natürlich, ich persönlich würde mir auch wünschen, es gäbe mehr, konkret eine Agrarreform. Darauf würde aber die Ultrarechte mit heftigen Attacken regieren. Semilla ist im ersten Regierungsjahr und alles andere als stabil. Wir denken, zu radikale Forderungen wären im Moment unverantwortlich.

Daniel Pascual Hernández ist seit frühester Jugend Mitglied im Comité de Unidad Campesina (CUC) in Guatemala und aktuell deren Generalkoordinator

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