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Aus: Ausgabe vom 20.08.2024, Seite 2 / Inland
Partei Die Linke

Kein Scheitern

Die Linke-Parteivorsitzenden äußern sich zu ihrem Rückzug
Von Arnold Schölzel
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Montag, 13 Uhr, Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus, diesmal mit beiden Linke-Vorsitzenden. Janine Wissler und Martin Schirdewan hatten am Sonntag angekündigt, auf dem Parteitag in Halle im Oktober nicht erneut kandidieren zu wollen. Im ZDF-»heute journal« und ARD-»Tagesthemen« gab Schirdewan anschließend sprachgeregelte Stichworte ab: 2,7 Prozent bei den EU-Wahlen am 9. Juni – »ein klarer Warnschuss«. Er sei »nicht gescheitert« und die Aufstellung der Kandidaten für den Parteivorsitz werde ein »Ideenwettbewerb«. Wahlen in Sachsen (in Umfragen vier Prozent) und Thüringen (von 31 Prozent 2019 in Umfragen auf jetzt 15 Prozent)? »Wir kämpfen darum, dass Bodo Ramelow Ministerpräsident bleibt und dass wir mit einem starken Ergebnis in den sächsischen Landtag kommen.« Die Interviewer fragten leicht verstört: Geht es nicht ums Überleben der Partei? Nein, die muss sich aufs Soziale »fokussieren«.

Am Montag folgen Ergänzungen. Wissler sieht einen »großen Wunsch in der Partei nach einem Neuanfang« und klagt über permanente Krisensitzungen seit 2021, als sie Kovorsitzende zusammen mit Susanne Hennig-Wellsow wurde. Die warf im April 2022 hin. Seit Ankündigung der BSW-Abspaltung im Oktober 2023, so Wissler, habe die Partei 8.000 neue Mitglieder gewonnen, insgesamt seien es wieder mehr als 50.000. Schirdewan nennt an Positivem: Die »Unsitte, Differenzen und Konflikte in der Öffentlichkeit auszutragen« müsse verschwinden, aber das sei »schon wesentlich besser geworden«. Die Linke sei eine »antimilitaristische Friedenspartei«. Putin habe die Ukraine überfallen, das sei »ohne Wenn und Aber zu verurteilen«. Wissler ergänzt: Durch diejenigen, »die jetzt nicht mehr in der Partei sind«, sei der falsche Eindruck entstanden, die Linke würde zugunsten Russlands »mit zweierlei Maß messen.« Die Trennung vom BSW hätte früher erfolgen müssen.

Bis zum 8. September können sich Kandidaten für den Parteivorsitz melden, dann folgen Regionalkonferenzen. Einige Medien spekulieren mit dem Namen des früheren Bundestagsabgeordneten Jan van Aken. Am Montag kommentiert Dietmar Bartsch auf NDR Info: Entscheidend sei der Wiedereinzug in den Bundestag, und: »Wir haben insgesamt wenige Erfolge, aber ich sage auch: Die Linke lebt.«

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  • Leserbrief von Andreas Kubenka aus Berlin (20. August 2024 um 17:25 Uhr)
    Da wird frech behauptet, die PDL sei eine »antimilitaristische Friedenspartei«, um dann die regierungsoffizielle Mär vom bösen Putin als Ursache aller Friedensgefährdung her zu beten. Soviel »Antimilitarismus« kriege ich von der »Ampel« und Konsorten auch. Aber natürlich haben die »Kapitän*innen«, die die Führung des auf den Eisberg gesetzten lecken Schiffes abgeben, überhaupt nichts falsch gemacht!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (20. August 2024 um 10:10 Uhr)
    Kein Scheitern? Was soll man zu dieser Ignoranz noch sagen? Vielleicht soviel: Es war ein strategischer Fehler, die PDS auf das ganze Land auszudehnen und die WASG hierzu mit ins Boot zu nehmen. Dieses Personal hatte keinerlei Ambitionen, das richtige und wichtige Programm der PDS umzusetzen. Diese Leute, wie Wissler und andere, hatten andere Pläne und welche, das hat man schnell erkannt. Das Ergebnis war ein sinkendes Wählerinteresse. Eine linke Partei, die sich von der Wählerschaft abkoppelt, woken Firlefanz predigt und das eigentlich Ziel linker Parteien völlig aus ihrer Agenda verbannt hat, unterscheidet sich nur marginal von den etablierten Uralt-Parteien. Vor diesem Weg wurde rechtzeitig gewarnt, aber die Damen und Herren des »linken« Vorstandes hatten kein Ohr für Kritik, von Selbstkritik ganz zu schweigen. Nun werden sie die »Früchte« ihres Tuns, besser ihres Lassens ernten. Und dass man dennoch der Meinung ist, nicht gescheitert zu sein, muss man nicht zusätzlich kommentieren.
    • Leserbrief von Sigurd von Stockert aus Nöthen (20. August 2024 um 13:52 Uhr)
      Ich denke, dass sich ein Kommentar für die beiden glück- und ideenlosen »Linke« Apparatschiks erübrigt. Ein Genosse hat zu unterschiedlichen Zeiten entscheidende Fehler gemacht. Gregor Gysi mit der PDS-Westerweiterung, was sämtliche Reserven im Osten absaugte, die dringend als schwelende Opposition gebraucht wurden, und der zweite Fehler war die Regierungsbeteiligung in Berlin mit einer ebenso wie die CDU verfilzten SPD. Einzuräumen ist, dass linke Parteien sich scheuen, die Karre in den Dreck fahren zu lassen. Doch das deutsche Volk lernt nur aus Katastrophen. Oskar Lafontaine war der einzige vorzeigbare Politiker aus dem Dunstkreis der WASG. Der Rest waren abgehalfterte Funktionäre, die Rache üben wollten, maoistische, trotzkistische, Basisspinner, die wieder Morgenluft zur Pflege ihrer neurotischen Selbstdarstellung witterten. Mit so einem Haufen kann man nur verlieren. Es zog also auch Politesoteriker, wohlstandsverwahrloste ewige Kinder aus bürgerlichem Hause mit gepflegtem Eigenheim als Rückzugsmöglichkeit an, und die Partei entwickelte sich so zu einem salonsozialistischen veganen Waldorfschulclub, wo man statt Klassenfeind nun sich individuell die Personen aussuchen konnte, die einem genehm waren, während der Rest als rechtsextreme, nazistische, fleischfressende Subjekte angesehen wurden und zu entsorgen seien bei der Errichtung des »rot-rot-grünen« Paradieses. Dazu gehört es auch, seinen Friedenswillen mit Waffen von Rheinmetall, die tausend Kilometer entfernte Menschen töten, zu bekunden. Solch’ eine Geisteshaltung ist nichts anderes als »Sektierertum«, wo es Auserwählte gibt, die Hamargheddon überleben werden. Zwei davon werden es wohl nicht mehr schaffen. Gut so.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (20. August 2024 um 12:23 Uhr)
      Es war ein strategischer Fehler, die PDS nicht sehr viel eher – nämlich bereits 1989/90 auf das ganze Land auszudehnen. Zu einem Zeitpunkt, als Gregor Gysi allein ein paar Tausend Menschen z. B. in die Alsterdorfer Sporthalle zog. Es war ein (gewollter?) Fehler, sich bei der dann zu spät erfolgten Westausdehnung ausgerechnet auf die Kader der bis dahin völlig bedeutungslosen und weitgehend gescheiterten K-Gruppen zu verlassen – bei gleichzeitiger Ausgrenzung der DKP. Jene Kader bekamen eine Deutungs- und Parteimacht, eine Anzahl von bezahlten Posten, die weit über ihrer realen Bedeutung in der realen Welt lag. Dennoch galten ausgerechnet sie als diejenigen, die den »Ossis« die neue westliche Welt und deren emanzipierte westliche linke Werte erklären können. Nicht selten handelte es sich um den Typus des Besser-Wessis unter linkem Vorzeichen. Der noch später erfolgte Zusammenschluss mit der WASG hingegen war richtig und korrigierte ein wenig den fehl gelaufenen »Aufbau West«. Zumindest quantitativ. Teilweise auch qualitativ. Das galt zumindest für jene Strömung, die sich stark im Umfeld von Oskars Positionen bewegte. Dann erfolgte fast nichts, um daraus mehr »Qualität« zu machen. Gleiches galt aber auch für den Osten, die zunächst noch vorhandene Qualität (mit großen Irritationen darüber, was denn nun an Marx noch richtig ist und ob überhaupt) wurde weniger, klare linke, marxistische Bildungsarbeit als Voraussetzung für die Übernahme von Funktionen war out. Die Partei wurde zum idealen Spielfeld für gnadenlos opportunistische »Realpolitiker«, die Oskars »rote Haltlinien« hassten wie die Pest – und auch zum Spielfeld für Szene-Linksliberale plus klassische Linkssektierer, Antideutsche und auch Karrieristen. Eine Mische, die einfach nicht gut gehen kann.
  • Leserbrief von Walter Bornholdt aus Magdeburg (20. August 2024 um 08:51 Uhr)
    Die Linke sei eine »antimilitaristische Friedenspartei«. Putin habe die Ukraine überfallen, das sei »ohne Wenn und Aber zu verurteilen«. Wissler ergänzt: Durch diejenigen, »die jetzt nicht mehr in der Partei sind«, sei der falsche Eindruck entstanden, die Linke würde zugunsten Russlands »mit zweierlei Maß messen«. Die Trennung vom BSW hätte früher erfolgen müssen.

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