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Aus: Ausgabe vom 20.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Allzu unbequeme Fakten

Ministerium hielt Studie zurück
Von Wolfgang Pomrehn
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Seit rund 34 Jahren gibt es internationale Verhandlungen über Klimaschutz. Was seinerzeit noch für viele wie schaurige Zukunftsmusik klang und für manchen kaum vorstellbar war, zeichnet sich inzwischen immer deutlicher ab: Das Mittelmeer erreicht mit fast 32 Grad Celsius vor Ägypten Badewannentemperatur und einen neuen Rekord, Wien und Toronto stöhnen dieser Tage unter nie gesehenen Wolkenbrüchen und Überschwemmungen, im Tschad, Sudan und Jemen kommen Dutzende in über die Ufer tretenden Flüssen um, mehr als 100.000 Menschen müssen ihre Häuser verlassen, um sich vor den Wassermassen in Sicherheit zu bringen. Die Klimakrise ist da, auch wenn es bisher nur ihre im Vergleich zum Kommenden harmlosen Vorläufer sind.

Trotzdem lässt sich mit der Zerstörung des Klimas, mit dem Produzieren von Treibhausgasen noch immer ein prächtiges Geschäft machen. Und das wird zu allem Überfluss staatlich gefördert. Immer noch. Trotz aller Absichtserklärungen und Versprechungen seitens verschiedener Bundesregierungen, zumindest letzteres endlich beenden zu wollen, und trotz der Vereinbarung im aktuellen Koalitionsvertrag, klimaschädliche Subventionen abzuschaffen. Verständlich, dass der Bundeswirtschaftsminister nicht so gerne mit den Details dieses Wahnsinns konfrontiert werden wollte, die ein in seinem Auftrag erstellter Bericht zusammengetragen hat.

Rund 21 Milliarden Euro könnte der Fiskus jährlich zusätzlich einnehmen, wenn Dieseltreibstoff nicht mehr steuerlich bevorzugt sowie Entfernungspauschale und Dienstwagenprivileg abgeschafft würden. Geld, mit dem sich allerlei sinnvolle Sachen anstellen ließen, wie etwa der Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs, die bessere Anbindung des ländlichen Raums, die Sanierung der Bahn und ein verbilligtes Deutschlandticket für Jugendliche, Rentner, Geflüchtete und alle, die von Arbeitslosenhilfe oder ähnlichem leben müssen. Zugleich könnten die Treibhausgasemissionen um jährlich rund acht Millionen Tonnen pro Jahr gesenkt werden. Das wäre zwar noch nicht der große Wurf, aber einer von den sehr vielen kleineren Schritten, die notwendig sind, um die Emissionen schnell und drastisch zu senken.

All das wollte sich der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck offensichtlich nicht vorhalten lassen. Glaubt man der Deutschen Umwelthilfe, dann gab er den Bericht erst aufgrund deren impliziter Klageandrohung heraus. Das sagt eigentlich schon alles über die Klimapolitik der Berliner Regierung: Der vor Erdölprinzen dienernde Minister unternimmt alles, um an mehr klimaschädliches Erdgas zu kommen, aber traut sich nicht, den Subventionsabbau gegenüber seinem liberalen Koalitionspartner durchzusetzen. Alle, deren Haus beim nächsten Hochwasser vollläuft, sollten sich daran erinnern.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (19. August 2024 um 21:56 Uhr)
    Im Kapitalozän wird das Klima nicht »zerstört«, es wird verändert und fälschlich »menschengemacht« als Ursache genannt. Die richtige Benennung ist »kapitalgemacht«. Das fossile Regime (Kohle, Erdöl, Erdgas, Kernenergie) der kapitalistischen Produktionsweise, das zweihundert Jahre exponentielles Wachstum hervorbrachte, ist nur insoweit am Ende, als dass sich sein menschenfeindlicher Charakter recht deutlich (»sinnlich erfahrbar«) selbst dem dümmsten Beobachter zeigt. Die Dümmsten sind allerdings darin geübt, das, was sie sehen, als etwas anderes zu interpretieren, als das, was sie sehen. »Gratisdienste der Natur« wurden und werden extensiv genutzt, ob durch das Graben von schwarzen Löchern an den entlegensten Orten der Erde oder durch Externalisierung in jeder Art und Weise: Sie kosten ja nichts. Die eine oder andere Externalisierung (z. B. Schwefeldioxid, hohe Schornsteine, sauerer Regen/Abgasreinigung; Stickoxide, KFZ/Katalysator; Ozonloch/FCKW-Verbot) wurde kompensiert, die fundamentale, der Kohlendioxidausstoß (und Methan!), nicht. Prognosen sind schwierig, weil sie die Zukunft betreffen, eine dystopische Entwicklung ist durchaus möglich, viele gegenwärtigen Anzeichen sprechen dafür: Abschottung gegen und Verunglimpfung von Migration, ideologische und militärische Drohung gegen »Schwellenländer«, Antiislamismus. Die Forderung des Wertewestens ist schlicht »weiter so und freiwillige Unterordnung« oder Zwangsordnung. Die erfolgreiche Durchsetzung der Forderung wären kapitalistische Wohlstandsinseln umgeben von Elendsbezirken und riesigen unbewohnbaren Gegenden der Welt. Beispiele von abgeschirmten Reichenvierteln gibt es ja schon. Der Versuch, die Forderung militärisch durchzusetzen, dürfte damit enden, dass nur noch (wenn überhaupt) Elendsbezirke verbleiben, Stichwort: In die Steinzeit gebombt.

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