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Aus: Ausgabe vom 21.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Britische Wirtschaft

Labour fördert Betonkapital

Großbritannien: Neue Regierung will den Bau von 1,5 Millionen Wohnhäusern unterstützen. Profitieren werden aber vor allem die Baukonzerne
Von Christian Bunke
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Mit dem Programm der Sozialdemokraten erlebt der soziale Wohnungsbau keinen neuen Morgen im Vereinigten Königreich

Die britische Labour-Regierung plant den Neubau von 1,5 Millionen neuen Wohnhäusern. Der soll sich auf die fünf Jahre der gerade begonnenen Legislaturperiode verteilen. Die Wohnungsnot dadurch zu bekämpfen steht aber nicht im Mittelpunkt. Eher sollen diese und weitere Infrastrukturmaßnahmen das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Vor allem durch Reformen des britischen Planungswesens soll das geplante Bauprogramm gelingen.

Der Fokus liegt dabei auf der Förderung zum Bau von Eigentumswohnungen, beziehungsweise Häusern. Um kommunale Wohnbauprogramme für Sozialwohnungen im städtischen oder Gemeindebesitz geht es ausdrücklich nicht. Das britische Finanzministerium will dadurch einen bestimmten Prozentsatz von »leistbarem Wohnraum« erreichen: eine schwammige und dehnbare Zielmarke. Gegensätzlich dazu stehen durch öffentliche Stellen festgelegte Mieten im immer weniger vorhandenen kommunalen Wohnbau, genannt »council housing«. Laut einem Bericht der linken Tageszeitung Morning Star befinden sich in England derzeit 1,2 Millionen Menschen auf Wartelisten für solche Wohnungen.

Der Umgang mit der Forderung des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan nach einer Mietpreisbremse steht beispielhaft für den geringen Stellenwert der Wohn- und Mietkosten für die sozialdemokratische Regierung. In manchen Gegenden der britischen Hauptstadt sind die Mieten seit 2019 um 50 Prozent gestiegen, in ganz London durchschnittlich um ein Drittel. Khan führt deshalb seit einiger Zeit die Forderung nach einer Deckelung der Mieten ins Feld, bekam statt dessen aber von seiner Parteiführung einen auf den Deckel. Am Montag sagte ein Regierungssprecher britischen Medien, die Regierung habe keinerlei Absicht, den Bürgermeistern von Großstädten Befugnisse zur Mietendeckelung zu geben. Wie das linke Onlineportal The Squawkbox gleichentags berichtete, wendet sich Khans Büro daher nun »anderen Prioritäten« zu – etwa wie der Wohnungsbau in London gesteigert werden könne.

Das entspricht der Parteilinie, die ihrerseits von Thatcheristischen Traditionen geprägt ist, wenn auch mit staatsinterventionistischen Elementen. Margret Thatcher, konservative Premierministerin der 80er Jahre, lehnte kommunalen Wohnungsbau ab und begann mit dessen großflächiger Privatisierung. Lohnabhängige sollten ihre kommunalen Wohnhäuser kaufen können, um so das Gefühl zu bekommen, selbst der besitzenden Klasse anzugehören. Tatsächlich begann so der großangelegte Transfer öffentlichen Wohnungsbaus in die Hände einiger großer Baukonzerne.

Diesen möchte die Labour-Regierung das Leben nun weiter erleichtern, etwa indem zukünftig die Bebauung als Grünland gewidmeter Gebiete ermöglicht wird. Dafür hat sich Finanzministerin Rachel Reeves einen Kniff ausgedacht: Wie im Begleittext des britischen Oberhauses zum im Juli vorgestellten Regierungsprogramm nachzulesen ist, sollen »graue und hässliche Bereiche von Grüngürteln« zu »Graugürtelentwicklungsgebieten« umgewandelt werden. Während die Regierung zwar gleichzeitig betont, für Neubauten »brown fields«, also bereits verbaute, aber leerstehende Flächen, bevorzugen zu wollen, ermöglichen die neuen Grauzonen Expansionsmöglichkeiten für die Bauindustrie.

Diese erhält als zusätzliches Bonbon die Möglichkeit eines »Opt outs«, wenn sie in den neuen Grauzonen baut. Dort besteht dann keine Verpflichtung, leistbaren Wohnraum zu schaffen. Überhaupt ist noch unklar, wie viel Geld die Regierung für den »leistbaren Wohnraum« zur Verfügung stellen will. Das muss erst in einem neuen Haushaltsentwurf veröffentlicht werden. Und den gibt es frühestens im Herbst.

Eine Reihe großer Baukonzerne, darunter die Firmen Barratt Developments und die Berkeley Group, haben Reeves Pläne inzwischen ausdrücklich begrüßt. Doch sind Grünflächen wie Wohnraum ein heiß umkämpftes soziales Gut: Ihre geplante Verbauung wird nicht ohne Protest ablaufen. Schon am 8. Juli trat die da erst frisch gewählte Finanzministerin Reeves mit einer Erklärung vor die Medien: »Wirtschaftswachstum erfordert harte Entscheidungen.« Entscheidungen, mit denen das britische Betonkapital zufrieden zu sein scheint.

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