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Aus: Ausgabe vom 21.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kulturlandschaft

Sommerliche Schlössertour: Coswig

Von Bernhard Spring
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Vom Zahn der Zeit benagt: Schloss Coswig

Wittenberg hat Luther, Dessau das Bauhaus – und dazwischen liegt Coswig mit dem hübschen Schloss an der Elbe. Der einstige Witwensitz der Anhaltiner ist ziemlich vom Zahn der Zeit benagt worden und das nicht nur, weil er inzwischen fast 700 Jahre alt ist. Nein, ein paar Jahre nach der Wende wurde das Schloss an eine italienische Unternehmerin verkauft, von der sich nicht wenige wünschen, sie würde mehr unternehmen, um den alten Kasten wenigstens zu erhalten, vielleicht auch mit neuem Leben zu erfüllen.

Aktuell bietet das Schloss einen sehr schönen Anblick vom Zeltplatz an der Elbe aus. Abends, zur blauen Stunde, erstrahlt das Gelb des bröckelnden Putzes. Die Schönheit des Verfalls ist sicher nicht das, was den Coswigern das Herz höher schlagen lässt. Immerhin geht die Stadt zwischen Dessau und Wittenberg ziemlich unter, und das Schloss ist die einzige Chance, einen Publikumsmagneten zu etablieren. Eine Verheißung.

Denn Schlösser sind rar im Umland. Zwar gibt es das Wörlitzer Gartenreich Dessau–Wörlitz, aber die dortigen Bauten sind mehr Attrappen eines aristokratischen Vergnügungsparks als echte historische Adelshäuser. Und sonst ist in Dessau, Wittenberg und Zerbst wenig vom jeweiligen Schloss erhalten geblieben. Doch sollte nur deshalb der olle Kasten in Coswig erhalten werden? Oder kann er nicht viel eher weg?

In Coswig – so schön das Ambiente auch ist – drängt sich geradezu die Frage auf, ob die Wohnsitze und Repräsentationsbauten von einst wirklich einen kulturellen Wert haben. Natürlich, die Gotik, der Barock, der englische Lustgarten, das Rokoko. Keine Frage! Aber wirklich in jedem Ort? Coswig hat gerade einmal – und schon wieder weniger Einwohner. Wer soll sich das leisten – und für wen?

Wäre es nicht klüger, alle Adelssitze aufzulisten und einige zu bewahren als historische Zeugnisse einer vergangenen Zeit und anderen den Denkmalschutz zu entziehen? Kirchen werden schließlich auch an allen Ecken und Enden aufgegeben und von mitunter sehr atheistischen Neubesitzern kurzerhand mit Bierzeltgarnitur neu möbliert.

Möglicherweise heißt Erben auch, zu sortieren, auch: auszusortieren. Dann hätte Coswig vielleicht auch die Chance, seine Zukunft an eine bessere Option zu hängen. Bis es aber soweit ist, sollte doch noch mal von der Elbe aus das Schloss betrachtet werden. Ja, ja, alles geht mit der Zeit …

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