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Aus: Ausgabe vom 21.08.2024, Seite 12 / Thema
Das Erbe des PCI

Verfassungstreuer Revolutionär

Vor 60 Jahren starb der italienische Kommunistenführer Palmiro Togliatti. Sein politisch-strategischer Ansatz wird häufig missverstanden und noch häufiger übersehen – und bietet doch wertvolle aktuelle Lektionen
Von Phillip Becher
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Mann der Massen. Palmiro Togliatti, geboren am 26. März 1893 in Genua, gestorben am 21. August 1964 in Jalta, spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung in Rom (undatierte Aufnahme, vermutlich 1946 oder 1948)

Bereits zu seinen Lebzeiten galt Palmiro Togliatti als eine Legende, insbesondere unter seiner italienischen Anhängerschaft. Dies war auch ein Ergebnis des in der kommunistischen Bewegung im zweiten Viertel des letzten Jahrhunderts in Anlehnung an den sowjetischen Stalin-Kult gepflegten Hypes um die eigenen Führungsfiguren. Vitaliano Ravagli erinnert sich an das dieser Linie entsprechende Bild, das er sich selbst als junger Kommunist Ende der 1940er Jahre im romagnolischen Imola vom KP-Generalsekretär gemacht hatte: »Togliatti (war) für mich ein Gott gewesen.«¹

Dieser einstigen maßlosen Überhöhung To­gliattis ist in den Jahrzehnten seither entweder ein Vergessen oder eine Legendenbildung gewichen, die unter negativen Vorzeichen steht und auch unter Linken heute mitunter zum guten Ton zu gehören scheint. Der trotzkistisch orientierte Autor Tobias Abse beispielsweise verfasste zu Beginn dieses Jahrhunderts eine mehrfach reproduzierte Anklageschrift² gegen Togliatti. Der Autor trägt die üblichen Anwürfe von ultralinker bis ordinär antikommunistischer Seite kompakt zusammen und wähnt sich dabei fortschrittlich: Togliatti sei während des Großteils seiner aktiven Tätigkeiten in der kommunistischen Bewegung ein »loyaler Diener Stalins« gewesen. Anders als Lenin (und der von Abse geflissentlich im gleichen Atemzug genannte Trotzki) sei Togliatti nicht als ein konsequenter »Berufsrevolutionär«, sondern vielmehr als ein eiskalter »Berufspolitiker« zu betrachten. Er habe dementsprechend im Zuge der Befreiung Italiens vom Faschismus rund um das Schlüsseljahr 1945 die Chancen für einen revolutionären Umsturz verspielt. Es versteht sich vor diesem Hintergrund beinahe von selbst, dass Togliatti auch das Erbe seines Freundes Antonio Gramsci, mit dem er 1921 gemeinsam an der Wiege von Italiens Kommunistischer Partei (PCI) stand, verraten haben soll.

Scheinbar also haben wir es hier mit einem Akteur zu tun, über dessen Popularität man sich, in diesem Lichte betrachtet, dann wohl nur wundern kann: Seine vom Filmmacher Pier Paolo Pasolini in dessen Leinwandfabel »Große Vögel, kleine Vögel« verewigte Beerdigung im Sommer 1964 war immerhin das bis dahin größte Begräbnis in der Geschichte des modernen Italien gewesen. Diesen Rekord stellte 1984 erst das Begräbnis Enrico Berlinguers, seines Nachnachfolgers als PCI-Generalsekretär, zu einem Zeitpunkt ein, als der Stern des italienischen Kommunismus bereits zu sinken begann.

Die klügste der Parteien

Jenseits der Zerrbilder »sozialistischer Supermensch« und »zynisch-opportunistisch-stalinistische Höllengestalt« eröffnet ein nüchterner Blick auf den am 26. März 1893 im norditalienischen Genua geborenen Togliatti Perspektiven, die einer an Klarsicht dringend bedürftigen Linken im Europa unserer Tage behilflich sein können. Einen solchen Blick warf beispielsweise Jean-Paul Sartre auf den am 21. August 1964 im damals sowjetischen Jalta Verstorbenen. Auch Sartre nahm an Togliattis Begräbnis teil und kondolierte auf seine Weise: Dank der von Gramsci und Togliatti herrührenden »Analyse und Synthese« sei der von ihnen gegründete PCI »die intelligenteste aller Parteien«.³

Seit der Inhaftierung Gramscis 1926 stand Togliatti dieser Partei im größtenteils in der Sowjetunion verbrachten Exil vor. Währenddessen wurde der PCI im italienischen Untergrund, in den ihn das faschistische Regime gezwungen hatte, von Camilla Ravera geführt. Dem PCI gelang es als einziger Partei des Widerstands, während der gesamten Dauer des über zwei Jahrzehnte währenden Mussolini-Regimes auf der Apenninhalbinsel zu wirken. Dies verlangte einen immensen Blutzoll, brachte aber auch viel Erfahrung im antifaschistischen Kampf. Sie floss in die bis heute aufschlussreichen »Lektionen über den Faschismus« ein, die Ercoli, wie Togliattis Deckname in diesen Jahren lautete, 1935 in Moskau vor italienischen Exilierten hielt.⁴

Rückblickend schrieb Togliatti 1958 in der Eröffnung eines Buchs, das sich explizit an ein nichtkommunistisches Publikum richtete: »Man kann sagen, dass die breitere italienische Öffentlichkeit erst 1944 begonnen hat, die Kommunistische Partei als das zu begreifen, was sie wirklich ist.«⁵ In der Tat fällt der eigentliche Beginn der Geschichte des PCI als Massenpartei in die Zeit des bewaffneten Widerstandes gegen den Nazifaschismus zwischen 1943 und 1945. Die Partei entwickelte sich im Übergang zur Nachkriegszeit von der militanten Kader- und Weltanschauungspartei zur Mitglieder- und Programmpartei, die 1946 die Republik mitgründete und gestaltete und zeitweise mehr als zwei Millionen Organisierte zählte. Sie konnte angesichts der objektiv erforderlichen und selbstbewusst angenommenen Aufgaben unmöglich »eine zahlenmäßig mehr oder weniger starke Vereinigung von Propagandisten bleib(en), die sich lediglich der Propaganda unserer allgemeinen und ideologischen Ziele widmet« (ARA, S. 184)⁶, wie Togliatti im Oktober 1944 im kurz zuvor befreiten Florenz öffentlich erklärte.

Anders als Abse und viele seiner bewussten oder unbewussten Nachbeter behaupten, beginnt hier zugleich die eigentliche Rezeptionsgeschichte der Schriften des 1937 an den Folgen der faschistischen Kerkerhaft gestorbenen Antonio Gramsci. Guido Liguori, Vorsitzender der Internationalen Gramsci-Gesellschaft, hebt Togliattis Rolle hierbei entschieden hervor.⁷ Ohne Togliatti und dessen unmittelbar nach Kriegsende erfolgter Anstoß zu einer breit zugänglichen Edition von Gramscis Schriften aus der Zeit vor und während seiner Inhaftierung besäße Gramsci vermutlich nicht die heutige Bedeutung für die globale Linke.

Verfassung und Umwälzung

»Gramscis letzte politische Empfehlung an die Partei für den Übergang zur postfaschistischen Ordnung«⁸ aufnehmend rief Togliatti im ­April 1944 kurz nach seiner Rückkehr nach Italien am Vorabend der Befreiung des gesamten Landes zur Schaffung einer verfassungsgebenden Versammlung auf. Im bereits seit dem Herbst des Vorjahres freien Neapel umriss Togliatti bei dieser Gelegenheit nicht nur den Kurs, den seine Partei in den nächsten Jahrzehnten verfolgen sollte. Er entwarf auch einen als zukünftigen Verfassungsauftrag angepeilten Antifaschismus für sein Land.

Die bemerkenswerten Darlegungen, die zugleich den Ausgangspunkt einer neuen Parteikonzeption schufen, seien hier ausführlich wiedergegeben: Sobald eine solche verfassungsgebende Versammlung »einberufen sein wird, werden wir dem Volk vorschlagen, aus Italien eine demokratische Republik zu machen mit einer Verfassung, die allen Italienern alle Freiheiten garantiert: die Freiheit des Denkens und des Wortes; die Presse-, Organisations- und Versammlungsfreiheit; die Freiheit des Glaubens und der Religionsausübung; schließlich die Freiheit des kleinen und mittleren Privateigentums, sich zu entwickeln, ohne (…) vom monopolistischen Großkapital, verdrängt zu werden. Damit will ich sagen, dass wir durchaus keine Ordnung vorschlagen, die sich auf die Existenz oder auf die Vorherrschaft nur einer Partei stützt. (…) Wir wollen weder die Demokraten noch die Liberalen aus der Nation verbannen, jedoch die Faschisten.« (ARA, S. 167 f.)

Um das zu gewährleisten, sollte die anzustrebende Ordnung von einem tiefgreifenden Wandel gekennzeichnet sein, denn die »neue Demokratie muss alle und jedwede Überreste des Faschismus außerhalb des Gesetzes stellen, sie muss außerdem Maßnahmen ergreifen, um die Wurzeln zu beseitigen, aus denen der Faschismus in der Vergangenheit entstanden ist (…). Dazu schlagen wir vor, dass nach der Beendigung des Krieges durch die Konstituierende Versammlung Italiens eine tiefgreifende Agrarreform beschlossen wird, die auf dem Land eine neue Situation zugunsten der Klein- und Mittelbauern schafft, alle feudalen Überreste beseitigt, den Boden und die Mittel zu dessen Bearbeitung den heute noch besitzlosen Bauern übergibt sowie den Großeigentümern und den Spekulanten nicht mehr erlaubt, die Landarbeiter und die bäuerlichen Schichten zu unterdrücken, ihre eigene ökonomische Position auszunutzen, um das politische Leben zu beherrschen und das Land auf ein reaktionäres Gleis zu drängen. Die (…) Gruppen, die die Verantwortlichen für die Errichtung des faschistischen Regimes in Italien und die unmittelbaren Urheber der heutigen nationalen Katastrophe sind, müssen geschlagen und daran gehindert werden, weiteren Schaden anzurichten.« (ARA, S. 168)

Anders als Wolfgang Abendroth, dessen Deutung des Grundgesetzes der gegenwärtigen deutschen Linken dringend zur Kenntnis zu geben wäre, war Togliatti nicht nur ein einflussreicher Interpret der Verfassung seines Landes. Er war vielmehr persönlich in ihre Entstehung involviert: Als Abgeordneter der im Juni 1946 gewählten verfassungsgebenden Versammlung, in der die Linksparteien rund 40 Prozent der Sitze einnahmen, sowie als Justizminister einer antifaschistischen Einheitsregierung, die Italien bis 1947, das heißt bis zum auf US-amerikanischen Druck erfolgten Ausschluss der Kommunisten und Sozialisten, regierte. Nach diesem radikaldemokratischen Zwischenspiel machten sich die Christdemokraten mit ihren bürgerlichen und rechtssozialdemokratischen Bündnispartnern an die Restauration der kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnisse.

Auf dem PCI-Parteitag von 1956 bezeichnete Togliatti die 1948 in Kraft getretene Verfassung trotz dieser Restauration als die »größte Errungenschaft« der Arbeiterklasse und des Volkes (ARA, S. 434f.). In seiner »Geschichte der Demokratie« beschreibt Luciano Canfora wie in Orientierungen dieser Art das Wort »Antifaschismus« nicht mehr ausschließlich eine »Gegnerschaft zum Faschismus« bezeichnete, sondern zu einem »Entwicklungskonzept« wurde. In diesem Sinne sollte die italienische Verfassung aus To­gliattis Sicht »programmatischen Charakter haben und einen Plan für große Reformen der sozialen Struktur festlegen« (ARA, S. 435). Bei ihrer Formulierung waren die Linken allerdings nicht allein. Dem Urteil Canforas zufolge gingen in den Text »Grundelemente einer sozialen Demokratie ein«, wobei »die Vorstellungen der linken wie der katholischen Parteien konvergierten«.⁹ Togliattis Einschätzung kurz nach der Annahme der Verfassung war hierbei kritischer: So sei es den »konservativen Kräften (…) gelungen, eine Reihe von Punkten in die Verfassung aufzunehmen, die den Fortschritt in Richtung grundlegender Veränderungen verzögern«.¹⁰

Text und Wirklichkeit

Dennoch: Wie zum Beweis des Erfolgs von To­gliattis 1944 im Anschluss an Gramsci ausgerufene Orientierung sind in der Verfassung der Italienischen Republik bis heute »einige weitgehende demokratische, ja sogar sozialistische Prinzipien« (FDS, S. 85) fixiert – und ist wohl auch deshalb der gegenwärtigen römischen Rechtsregierung ein Dorn im Auge. Artikel 11 verwirft ausdrücklich den Krieg als Mittel der Konfliktlösung. Artikel 43 eröffnet den Weg zu Sozialisierungen. In Artikel 41 werden Wege zu einer potentiell antimonopolistischen Wirtschaft und die Möglichkeit demokratischer Planung aufgezeigt. Die 1944 von Togliatti geforderte Landreform findet sich in Artikel 44 anvisiert. Die Arbeitermitbestimmung in Betrieben wird in Artikel 46 anerkannt. Artikel 45 befürwortet die Einrichtung von Genossenschaften. Besonders hervor sticht allerdings Artikel 3, in dem es heißt: »Es ist Aufgabe der Republik, die Hindernisse wirtschaftlicher und sozialer Art zu beseitigen, die durch eine tatsächliche Einschränkung der Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger der vollen Entfaltung der menschlichen Person und der wirksamen Teilnahme aller Arbeiter an der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gestaltung des Landes im Wege stehen.«¹¹

Zusammenfassend hielt Togliatti 1956 fest, dass die Verfassung die Möglichkeit der Schaffung einer »Demokratie neuen Typus« bietet, die »nicht nur anders als all das (wäre), was es in Italien vor dem Faschismus gegeben hat, sondern (…) sich auch von den traditionellen kapitalistischen Demokratien unterscheiden« würde (FDS, S. 65). Dass in Italien die Lücke zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit besonders eklatant klafft, das Land mithin eben keine antimonopolistische Demokratie geworden ist, geschweige denn im Sozialismus angelangt wäre, erscheint zunächst wie eine Bestätigung von Abses Vorwürfen von der verpatzten revolutionären Chance. Togliatti selbst formulierte hierzu 1961 ironisch in einem Grundsatzartikel für die kommunistische Monatszeitschrift Rinascita: »Was (…) in unserem Land geschehen ist, könnte als Beispiel dafür dienen – würdig für ein Handbuch der politischen Wissenschaften –, wie Prinzipien der Demokratie nicht durchgesetzt werden.« (FDS, S. 135)

In seinem Referat auf dem Parteitag von 1960 nahm Togliatti Stellung zu der Frage, welche Revolution 1945 auf der Tagesordnung gestanden hatte: »(I)n Italien (fand) fast hundert Jahre nach Schaffung der nationalen Einheit eine große demokratische Revolution statt (…). Diese demokratische Revolution ist die Widerstandsbewegung. Sie hat den Faschismus unterhöhlt und seine Reste fortgespült, sie hat in einem harten Befreiungskrieg gekämpft und gesiegt, sie hat die Grundlagen für den neuen Staat gelegt. (…) Diese demokratische Revolution wurde jedoch in dem Augenblick unterbrochen, als sie das Werk des Aufbaus in Angriff nehmen musste. Dazu gehörten wirtschaftliche Strukturreformen und die Konsolidierung einer neuen herrschenden politischen Klasse, die direkt mit den werktätigen Massen und einer neuen fortschrittlichen Intelligenz verbunden war. Jetzt muss dieses Werk fortgeführt und vollendet werden.« (FDS, S. 97f.)

Togliatti hatte die von Lenin hervorgehobene Möglichkeit des Hinüberwachsens von der demokratischen in die sozialistische Revolution ebenso klar vor Augen wie dessen Auffassung, dass die von der Arbeiterklasse angeführte demokratische Revolution die sozialistische vorbereite, während die sozialistische Revolution die demokratische konsequent vollende (vgl. FDS, S. 112). Er kannte auch Lenins Aufforderung an die Kommunisten der kapitalistischen Länder, nach konkreten Formen des Herankommens an die Revolution zu suchen. Die Dialektik der Geschichte will es, dass der PCI hierbei besonders innovative Wege beschritt, obwohl die geostrategische Lage Italiens im Zeitalter der Systemkonkurrenz für den angesichts der inneren Widersprüche erforderlichen Ausbruch aus dem Kapitalismus denkbar ungünstig war. Dies war aber nicht das Verschulden der italienischen Kommunisten, die darauf achteten, sich und ihrer Klasse nur diejenigen Aufgaben zu stellen, deren Lösung möglich war. Denn schließlich war es nicht Togliatti, sondern Stalin gewesen, der Anfang 1945 in Jalta mit Churchill und Roosevelt die Welt mit Blick auf die Nachkriegsordnung aufgeteilt hatte, wobei Italien dem Westen zufiel.

Togliattis Partei fand die für Italien adäquate Form der Übergänge in der hier skizzierten Strategie, die er unter dem Stichwort des Kampfs um Strukturreformen weiter präzisierte. Diese Auseinandersetzung um Reformen sollte den Subalternen im Tageskampf für ihre Interessen unmittelbare Erfolge bringen sowie die Erkenntnis der systemischen Grenzen des Kapitalismus befördern – und zugleich über diese Systemgrenzen hinausweisen. Zu den zu reformierenden Strukturen zählte Togliatti allerdings nicht nur im engeren Sinne ökonomische Aspekte, sondern beispielsweise auch die »Frage der Emanzipation« des weiblichen Bevölkerungsteils (vgl. ARA, S. 678).

Luigi Longo, Togliattis Vize sowie Nachfolger als PCI-Generalsekretär und vormaliger Kommandant der Garibaldi-Brigaden während der Resistenza, wandte 1963 gegen sektiererische Kritik an dieser Orientierung ein: »(A)lle Übergangsforderungen und Reformen sind als Methoden und Formen des Vormarsches zum Sozialismus gedacht.« Longo verwies in diesem Zusammenhang auf die damals aktuelle Erfahrung der unter Rückgriff auf die Instrumente der Verfassung erkämpften Verstaatlichung der italienischen Elektrizitätsindustrie: »Gäbe es nicht den Druck der Volksmassen, kämpften unsere Abgeordneten nicht im Parlament, dann wäre das Gesetz über die Nationalisierung der Kraftwerke zweifellos nie angenommen worden. Jetzt ist es verabschiedet, aber es wäre wiederum naiv anzunehmen, dass die ehemaligen Besitzer der Kraftwerke und deren Handlanger nicht alles daransetzen werden, um das Gesetz seines Inhalts zu berauben, es zu ihrem eigenen Nutzen abzuändern.«¹²

Togliatti sagte 1956 auf einer Versammlung in Livorno: »Italien ist heute ein Staat, in dem die Bourgeoisie weiterhin herrscht; aber gleichzeitig ist es ein Staat, in dem ein zutiefst widersprüchliches Element entstanden ist, das den Weg zu einem großen Massenkampf mit dem Ziel der Veränderung der eigentlichen Struktur der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung weist und öffnet. Wenn man den Wert dieses Widerspruchs versteht, so begreift man auch, was es für uns bedeutet, das Banner der demokratischen Freiheiten in die eigenen Hände zu nehmen und für die Verwirklichung der Verfassung zu kämpfen. Das bedeutet zu kämpfen, ausgehend von dem, was bereits errungen wurde, um zu einem neuen Staat zu gelangen, in welchem den werktätigen Klassen der Weg zur Macht geöffnet ist.« (FDS, S. 85)

Das Haupthindernis war das Monopolkapital und dessen Interessenvertreter im politischen System. Zwar hielt es Togliatti für ausgeschlossen, dass sich in Italien erneut eine faschistische Bewegung etablieren könnte, die jener der frühen 1920er Jahren gliche. Zugleich war ihm aber klar, dass die Reaktion ihrerseits nach Formen des geschichtlichen Rückwärtsgangs forschen und sich hierbei sowohl des Staatsapparates als auch terroristischer Gruppen bedienen würde.¹³

Gegenwärtig wird erneut zur Attacke auf die Verfassung geblasen. Dabei wird die inzwischen mehr als zehn Jahre alte Forderung von J.-P.-Morgan-Analysten nach einer »bedeutenden politischen Reform« aufgegriffen. Wer sich als besonders revolutionär wähnt und Verfassungen für bloße Papiertiger hält, der sollte die Liste der »Mängel« der italienischen Verfassung zur Kenntnis nehmen, die aus Sicht der US-amerikanischen Großbank bestehen und zu beheben sind, als da unter anderem wären: eine zu schwache Exekutive, die Verteidigung von Arbeiterrechten sowie der Schutz des Rechts, gegen »unwillkommene Veränderungen« des »politischen Status quo« zu protestieren.¹⁴

Matrix der Massenpartei

Die Welt hat sich seit den Tagen, als Jean-Paul Sartre der italienischen Arbeiterklasse zum Tode Togliattis kondolierte, weitergedreht – und nur wenige Exponenten der zeitgenössischen Linken in Europa genießen das besondere Vertrauen, das Sartre in den PCI-Generalsekretär (und in dessen Partei) gesetzt sah: »Die Massen haben begriffen, stimmen sie für ihn, stimmen sie für sich selbst.«¹⁵

Inzwischen dämmert es Teilen der europäischen Linken, dass das oft als hoffnungslos veraltet geschmähte »Konzept einer antikapitalistischen Massenpartei entsprechend der Matrix von Togliatti«¹⁶ weitaus mehr Nutzen als Schaden gebracht hat – und doch ist diese Partei gleich den geschichtlichen Umständen, die sie einst hervorbrachte, in ihrer historisch-konkreten Form unwiederbringlich. Togliattis Partei ist seit über drei Jahrzehnten Geschichte. Gleiches gilt auch für die oben als Beispiel für den Kampf um Strukturreformen angeführte Verstaatlichung der italienischen Elektrizitätsindustrie. Diese befindet sich Großteils wieder in privaten Händen. Dennoch bleibt die von der Kapitalseite aufgrund ihrer angeblichen »Mängel« attackierte Verfassung, an deren Ausarbeitung die Kommunisten beteiligt waren, Ausgangspunkt für vorwärtsgerichtete politische Schritte. In diesem Sinne kann, wie Gramsci sagte, »aus der Schwäche Stärke werden«¹⁷, an die sich anknüpfen lässt.

Anmerkungen

1 Wu Ming und Vitaliano Ravagli: Kriegsbeile, Hamburg 2017, S. 206

2 Erstmals veröffentlicht als Tobias Abse: Togliatti: Loyal Servant of Stalin, in: What Next?, Nr. 25/2003, S. 51–65

3 Jean-Paul Sartre: Palmiro Togliatti (1964), in: ders.: Plädoyer für die Intellektuellen, Reinbek 1995, S. 40–51, hier S. 50

4 Palmiro Togliatti: Lektionen über den Faschismus (1934/35), Frankfurt am Main 1973

5 Palmiro Togliatti: Die italienische kommunistische Partei (1958), Frankfurt am Main 1979, S. 1

6 Verweise auf ARA mit Seitenangabe im Text beziehen sich auf Palmiro Togliatti: Ausgewählte Reden und Aufsätze, Frankfurt am Main 1977. Verweise auf FDS mit Seitenangaben im Text beziehen sich auf Palmiro Togliatti: Kampf für Frieden, Demokratie und Sozialismus, Berlin (Ost) 1965

7 Vgl. Guido Liguori: Gramsci’s Pathways, Chicago 2015, S. 156–175

8 Frank Deppe: Politisches Denken zwischen den Weltkriegen, Hamburg 2003, S. 212

9 Luciano Canfora: Eine kurze Geschichte der Demokratie, Köln 2021, S. 251 und 253 f.

10 Palmiro Togliatti: The Struggle of the Communists and the Italian People for Peace and Democracy, 1948, online unter: https://www.marxists.org/archive/togliatti/1948/struggle-italy.htm

11 Verfassung der Republik Italien, online unter: https://www.landtag-bz.org/de/verfassung-der-republik-italien

12 Luigi Longo: Die revolutionäre Bedeutung des Kampfes für strukturelle Reformen, in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, 6. Jg., Nr. 2/1963, S. 100–105, hier S. 104 und 101

13 Vgl. Togliatti: The Struggle of the Communists, a. a. O.

14 J. P. Morgan: The Euro area adjustment: about halfway there, in: Europe Economic Research, 28. Mai 2013

15 Sartre: Palmiro Togliatti, a.a.O., S. 44

16 Franco Ferrari: Die Krise der Partei Die Linke und die Linke in Europa, in: Sozialismus.de, 12. August 2023, online unter: https://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/die-krise-der-partei-die-linke-und-die-linke-in-europa

17 Antonio Gramsci: Utopie (1918), in: ders.: Zu Politik, Geschichte und Kultur, Frankfurt am Main 1986, S. 15–23, hier S. 18

Der vorliegende Beitrag greift auf Einsichten zurück, die der Autor in einem ausführlichen Beitrag mit dem Titel »From a Merely Political to a Social Democracy« für die Ausgabe 1/2024 der Zeitschrift Materialismo Storico erarbeitet hat. Das komplette Heft ist online unter https://journals.uniurb.it/index.php/materialismostorico verfügbar.

Phillip Becher schrieb an dieser Stelle zuletzt am 28. Juli 2023 zusammen mit Kevin Rösch über den Zusammenhang der Lehren von Carl Schmitt und Friedrich August Hayek.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (23. August 2024 um 11:21 Uhr)
    Kleine Ergänzung zu E.Rasmus, der eigentlich schon alles gesagt hat: Palmiro Togliatti war einer der wenigen kommunistischen Parteiführer, die Chruschtschows »Geheimrede« von 1956 (XX. Parteitag) kritisierten. Togliatti bescheinigte Chruschtschow, dass dessen Stalin-Verdammung »außerhalb der dem Marxismus eigenen verstandesmäßigen Urteilskraft« liegt.
  • Leserbrief von E.Rasmus (23. August 2024 um 10:57 Uhr)
    Der Autor will Palmiro Togliatti würdigen und sieht ihm seine eigentlich wesentlich leninistische Haltung zu Stalin gewissermaßen entschuldigend nach. Togliatti stand wie Thorez zu Stalin, insbesondere im Zusammenhalt gegen den Titoismus wie gegen die »Abrechnung« Chrustschows mit Stalin nach dessen Tod. Titos Verrat und Spaltung der Kommunistischen Internationale war insbesondere durch den Abbruch der Beziehungen mit der UdSSR 1948 sowie die Weigerung, eine Einladung Stalins zu Gesprächen nach Moskau anzunehmen, weiter durch Übernahme von großen Kapitalinvestitionen von den USA, dem Anschluss an den aggressiven Balkanpakt und 1953 dem Bündnis mit Griechenland und der Türkei gekennzeichnet. Und wenn Phillip Becher von Personenkult in bezug auf Stalin schreibt, so ist selbst bei Wikipedia von dem großen Personenkult um Tito die Rede. Stalins Politik nach Lenins Tod war von Erfolgen des Sozialismus in der UdSSR und dem Sieg über den Hitlerfaschismus, mit der logischen Voraussetzung für die Entstehung von Volksdemokratien, dem sozialistischen Lager bis hin zur weltweiten antikolonialistischen Bewegung in Afrika und Asien sowie in Lateinamerika gekennzeichnet. Die Verehrung Stalins war also historisch gerechtfertigt. All diese Erfolge wurden unterhöhlt, mit der Fundamentierung des Antistalinismus Chrustschows auf der Weltbühne durch dessen Inszenierung nach dem XX. Parteitag der KPdSU in einer Geheimrede, mit der das Politbüro überrumpelt worden ist, und zu dem sich das ZK nicht bekannte. »Veröffentlicht wurde der Wortlaut durch die Geheimdienstquellen der USA.« Kurt Gossweiler beschreibt diese Vorgänge in seiner »Chruschtschwiade« ausführlich. Stalin nun noch zu bezichtigen, dass er »Anfang 1945 in Jalta mit Churchill und Roosevelt die Welt mit Blick auf die Nachkriegsordnung aufgeteilt hatte, wobei Italien dem Westen zufiel«, ist der Gipfel einer zutiefst ahistorisch verblendenden Auslassung der Frontverläufe der Alliierten. Stalin konnte im harten Ringen überhaupt nicht willkürlich handeln. Die Rote Armee befreite Österreich. Italien wurde von der US-Armee eingenommen und besetzt – auch nachzulesen bei Alberto Moravia in »Cesira« im Zusammenhang mit Vergewaltigungen. Ich denke in bezug auf Jalta auch an die angloamerikanischen Bombardements mit Phosphorbomben auf Dresden, unmittelbar, nachdem man sich dort zum Tausch der Besatzungszonen hinsichtlich Berlins in West und Ost mit Sachsen als Teil der sowjetischen Besatzungszone geeinigt hatte. Die Geschichtswahrheit nach Belieben zu teilen, entspricht dem Teile und Herrsche der Ausbeuterklassen. Wenn sich dieser Methode Marxisten innerhalb der eigenen Reihen bedienen, ist das spaltender Revisionismus, der uns dieses Heute als »Epoche der schwärzesten Reaktion« (Stalin) beschert hat.
  • Leserbrief von Doris Prato (22. August 2024 um 11:02 Uhr)
    Das beginnt bereits mit Togliattis Rolle als Hauptredner neben Pieck und Dimitroff auf dem VII. Weltkongress 1935 in Moskau, in der er (laut Protokoll) mit keinem Wort die Leistungen des zu dieser Zeit schwerkrank in Mussolinis Kerker sitzenden Antonio Gramsci erwähnte. Dieser hatte nach der Errichtung der Mussolini-Diktatur 1922 als erster marxistisch-leninistischer Theoretiker eine Analyse der neuen Herrschaftsform des Imperialismus vorgenommen und grundlegende Schlussfolgerungen für eine breite nationale Strategie der Kommunisten im Kampf dagegen gezogen. Heftig umstritten war in der IKP, dass Togliatti die nach dem Sieg über den Faschismus, der das ökonomische und politische Fundament des italienischen Imperialismus grundlegend erschütterte, im April 1945 entstandene klassische revolutionäre Situation, die bis zum Spätherbst anhielt, nicht zu revolutionär-demokratischen antiimperialistischen Veränderungen nutzte. Er wollte das in der Resistenza entstandene breite antifaschistische Bündnis mit den großbürgerlichen Kräften auch auf Regierungsebene weiterführen und setzte für antifaschistisch-demokratische Veränderungen ausschließlich auf den parlamentarischen Weg. Luigi Longo (übrigens neben Sandro Pertini von der ISP einer der beiden Befehlshaber der Partisanenarmee) forderte, gegen »alle faschistischen Überbleibsel«, gegen »die Magnaten der Industrie, der Finanz und des Großgrundbesitzes« vorzugehen und »gegen die Reaktion, die sich um die Monarchie gesammelt hat, zu marschieren«. Togliatti orientierte sich an Josef W. Stalin, der nach dem faschistischen Überfall auf die UdSSR die Parteien der Komintern mit Blick auf die Schaffung einer Antihitlerkoalition angewiesen hatte, »die Frage der sozialistischen Revolution nicht aufzuwerfen«. Nach Kriegsende ging es Stalin nun nicht, um weltweite revolutionäre Ziele, sondern um die Sicherung des erreichten Einflussbereiches auf der Grundlage der Fortsetzung der einvernehmlichen Zusammenarbeit mit den westlichen Alliierten. Dieses Ziel sollte/wollte Togliatti durch die Fortsetzung des im Befreiungskrieg gegen Hitlerdeutschland geschlossenen Bündnisses mit den großbürgerlichen Parteien, vor allem mit der Democrazia Cristiana, auch für antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen innenpolitisch flankieren. Dabei war es von Anfang an fraglich, ob mit den großbürgerlichen Parteien antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen, die einen antiimperialistischen Inhalt erhalten mussten, möglich sein würden. Gegen die Priorität eines parlamentarischen Weges, kombiniert mit einer Massenmobilisierung zur Durchsetzung revolutionär-demokratischer, wohlgemerkt noch nicht sozialistischer, Veränderungen, wäre nichts einzuwenden gewesen. Togliatti machte dazu jedoch schwer wiegende problematische Zugeständnisse: Als Justizminister fügte er sich der Auflösung des »Hohen Kommissariats zur Verfolgung der Regimeverbrecher« und einer folgenden sogenannten Amnestie der »nationalen Versöhnung«, mit der die begrenzten Säuberungen im öffentlichen Dienst eingestellt wurden. Widerstandslos stimmte er der Auflösung der CLN-Komitees als revolutionärer Machtorgane und der Entwaffnung der Partisanen zu. Togliatti räumte im Oktober 1946 auf einer Funktionärskonferenz ein, dass die günstige Ausgangssituation nach dem Sieg der Resistenza »im Grunde genommen nicht genutzt« worden sei. Der Bericht wurde jedoch intern gehandhabt und nicht veröffentlicht. Hier fällt auf, dass eine grundlegende Auswertung von Palmiro Togliattis »Probleme del Movimento operaio internazionale, Rom 1962« fehlt.
    • Leserbrief von Falco aus Istanbul (22. August 2024 um 14:10 Uhr)
      Die entscheidende Aussage zum Schlüsseljahr 1945 steht doch im Text. Togliatti musste sich an Jalta halten. Dadurch konnten die Kommunisten eben nicht alle Chancen, welche primär die Rote Armee ihnen eröffnet hatte, auch souverän (!) nutzen. Vor Stalingrad standen die oligarchischen Kollaborateure, nach Bagration die Kommunisten an der Spitze der Mehrzahl slawischer und romanischer Nationen. Kann man aber den Russen einen Vorwurf machen, dass sie sich eher auf ihre Deals mit den Anglos und ihre eigenen Divisionen in möglichst westlich gelegenen Stellungen, als auf autonome politische Entwicklungen im ehemaligen Feindeslager verlassen wollten? Auch wären Operaismo, Losurdo, Tronti, Basso, della Volpe, Merker etc. ohne Gramsci und! Togliatti undenkbar. Auch theoretisch lässt sich von der italienischen Erfahrung viel lernen bezüglich (christlich) nationaler Kultur, (demokratischer) Institutionen/Staat, politischer Partei, Intelligenz, Klassenschichtungen etc. sowie den materiell-geistig korrumpierenden Effekten des Liberalismus. Ich wage folgende Bewertung: Togliattis KP hat das Maximum rausgeholt, was unterhalb der Schwelle äußerst blutiger und extrem riskanter, d. h. alles andere als aussichtsreicher Auseinandersetzungen – ohne UdSSR Rückendeckung und bei US-Besatzung – für sein Land und dessen Arbeiter und Bauern zu haben war. Ich gehen soweit zu behaupten, dass das erschöpfte Land – anders als die »reagierend-verteidigenden« Bolschewiki – »volontariamente« in den Bürgerkrieg zu führen – zurecht – das politische Todesurteil des PCI bedeutet hätte. Allora Togliatti: immer auf Tuchfühlung mit den Massen und deren höchst verantwortlicher Führer. Übrigens ein toller, sehr akkurater Artikel. Complimenti!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Angelo V. aus Berlin (22. August 2024 um 10:33 Uhr)
    Was für ein Plädoyer des Opportunismus! Wer im PCI versucht hat, mitzuwirken, weiß, in welchem Zustand die Partei nach Togliatti, Longo und Berlinguer gewesen ist. Die Stärke des PCI ist nicht auf die Wirkung dieser Leader zurückzuführen, sondern auf die enorme Autorität der Partei in der Befreiung vom Faschismus. Der Befreiungskampf ist das, was diese Partei stark und für die Kapitalisten gefährlich gemacht hat. Das Erbe dieses Kampfes, die Gewerkschaft CGIL, bleibt. Vergessen wir nicht, dass der größte revolutionäre Moment in Italien die Besatzung der Fabriken in den 20er Jahren gewesen ist, die maßgeblich von Gramsci geführt wurde. Vergessen wir nicht die Rolle Togliattis im spanischen Bürgerkrieg, als er als oberster Richter die politischen Feinde der Stalinisten, die für die Republik an der Front gegen Franco gekämpft haben, als Verräter zum Tode verurteilt hat. Vergessen wir nicht, wie die PCI die Gründung von Israel unterstützt und gefeiert hat, nach dem Diktat von Stalin, und wie dieser in seinen Erwartungen verraten wurde, auch die PCI eine 180-Grad-Wende zum Thema Israel vollzogen hat. Vergessen wir nicht, wie die PCI die Bewegungen der 70er Jahre verraten hat und mit der Regierung die Notgesetze gegen den linken Extremismus unterstützt hat. Als es in Italien in den 80er Jahren eine sehr große Bewegung mit Massendemos und Generalstreiks gab, wollten die Erben von Togliatti doch alles über den parlamentarischen Weg klären, dort, wo sie in der Minderheit waren. Selbst die Faschismusanalyse von Togliatti, die auch in diesem Artikel unterschwellig wiedergegeben wird, unterscheidet sich kaum von der Gut-Böse-Erzählung, die heute in jedem linksliberalen Kopf schwebt. Natürlich ist ein fortschrittliches Gesetz ein Hindernis für die Reaktionären. Jedoch, was am Ende zählt, ist die Produktionsform und die Produktionsverhältnisse.

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