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Aus: Ausgabe vom 21.08.2024, Seite 16 / Sport
Boxen

Letzter Gong

WIBF-Weltmeisterin Dilar Kisikyol bestreitet im September finalen Profikampf im Boxen
Von Oliver Rast
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Volltreffer und WM-Titel: Dilar Kisikyol (r.) mit rechtem Haken gegen den Kopf ihrer Kontrahentin Eva Hubmayer (Hamburg, 5.11.2022)

Leicht fällt es ihr nicht, es sei sogar »richtig hart«, sagt sie. Dennoch, sie wirkt gefasst, selbstsicher: »Ich muss mir nichts mehr beweisen, anderen schon gar nicht«, betont Dilar Kisikyol im jW-Gespräch. Die 32jährige Wahlhamburgerin ist Weltmeisterin, Titelträgerin der Women’s International Boxing Federation (WIBF) im Leichtgewicht (bis 61,2 Kilogramm). Und sie wird im September in der Hansestadt ihren letzten Profifight absolvieren, ihren WM-Titel das zweite Mal verteidigen. Danach beginnt ein neues Kapitel für die Athletin. Neben dem Ring.

Bloß, was ist der Grund, die Boxhandschuhe im Spind zu lassen? »Ich habe gefühlt, es ist Zeit, den nächsten Schritt zu machen.« Und es sei nicht nur eine Empfindung, schiebt die gebürtige Leverkusenerin mit kurdischen Wurzeln nach. Weil: »Ich bin reflektiert genug, Entscheidungen zu treffen.«

Außerdem, wenn sich eine Tür schließe, öffne sich andernorts eine neue. Künftig stünden andere Aufgaben ganz oben auf der Agenda. Die studierte Sozialpädagogin hat das Projekt »Du kämpfst« ins Leben gerufen, eine Boxgruppe von Frauen aufgebaut, die an Parkinson erkrankt sind. Ferner ist sie beim Hamburger Boxverband engagiert, dort Beauftragte für Frauen und Inklusion. Diese Mehrfachbelastung als Dauerbelastung ist zu viel geworden. »Und bevor meine sportliche Leistung darunter leidet, höre ich mit der aktiven Laufbahn lieber auf.« Sie habe schließlich alles erreicht, was sie sich im Profiboxen vorgenommen hatte.

Hinzu kommt: Boxsport ist männerdominiert, immer noch. Sponsoring, Kampfbörsen, Medienresonanz – alles ist schwieriger, kleiner, geringer als bei Männern. Ein Problem, zumal dem Boxsport hierzulande insgesamt Plattformen fehlen. Für mehr Präsenz, für mehr Potential. »Ich will mir etwas parallel aufbauen, eine sichere Zukunft, auch ökonomisch.« Optionen hat Kisikyol längst. Angebote, etwa als Referentin, als Speakerin aufzutreten, bei Vereinen, Verbänden oder Unternehmen. Und nicht zuletzt will sie ihre eigenen Projekte forcieren.

Rückblende: Dilar, das »Feuerherz«, ist Drillingskind. Sie wog bei der Geburt nur anderthalb Kilo. Sich durchboxen müssen, das kennt sie – seit ihrem ersten Atemzug. Musizieren sollte sie als Teen nach dem Wunsch ihrer Eltern, übrigens wie ihre Geschwister. Doch die Tastatur des Klaviers lag ihr nicht, die Klaviatur des Boxens schon. Spielend.

Bis zum ersten Gong vergingen aber noch Jahre. Erst mit 16 hat Kisikyol die Boxhandschuhe übergestreift. Damals noch in Leverkusen. Kurz vorher war sie geschockt: »Nur Jungs in der Boxhalle, ich bin mit meiner Freundin sofort wieder umgekehrt«, erzählt sie. Beim zweiten Mal hat sie sich getraut, die Schwelle zum Ring übertreten – und so wie immer: gefightet. Bis an die Spitze.

Der Sprung vom Rhein an die Elbe, vom olympischen Faustkampf zum professionellen war 2019 – und folgerichtig. Erst bei Universum Box-Promotion Global, dann bei der Box-Promotion P2M. Kisikyols Kampfrekord ist makellos: zehn Fights, zehn Triumphe. Der größte Erfolg im November 2022. Sie wird WIBF-Championesse, holt den Gürtel gegen Eva Hubmayer aus Euskirchen. Einstimmig nach Punkten. Die Neuweltmeisterin dominiert mit ihrer linken Führhand, agiert aus einer sicheren Doppeldeckung das Geschehen im Seilgeviert.

Die erste Titelverteidigung dauerte etwas, krankheitsbedingt musste Kisikyol pausieren, im Herbst vergangenen Jahres absagen. Ende März war es soweit. In Stralsund traf sie auf die erfahrene Marisa Gabriela Núñez aus Argentinien. Spürbar, Kisikyol mit Anlaufschwierigkeiten im Gefecht, die 40jährige Nunez machte Druck von der Ringmitte aus, ohne Zählbares auf den Punktezetteln zu hinterlassen. Unter dem Strich, gleichfalls eine klare Kiste für Kisikyol; klug und klassisch hat sie ihre argentinische Kontrahentin ausgeboxt.

Und nun der finale Auftritt als Abtritt: Am 21. September in der Alsterdorfer Sporthalle in Winterhude. Wen Kisikyol vor ihren flinken Fäusten haben wird, klärt sich in den kommenden Tagen. Davon unabhängig, 14 Wochen Vorbereitung, zweimal täglich Training werden dann hinter ihr liegen. Fraglos, es wird ein emotionaler Abschied. Kisi­kyol: »Aber ich freu’ mich drauf, bin voller Spannung.« Vor ihrem Heimpublikum abzutreten, als ungeschlagene Weltmeisterin, versteht sich. Und in neuer Rolle weiterzumachen, neben dem Ring auf anderer Bühne.

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