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Aus: Ausgabe vom 22.08.2024, Seite 4 / Inland
Bürgerlicher Antifaschismus

Knüppeln für Höcke

Thüringen: Tausende protestieren gegen Wahlkampftermin von AfD-Landeschef in Jena, Auftritt kurzfristig abgesagt. Verletzte durch Polizeigewalt
Von Marc Bebenroth
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Fragt sich nur, wen die Protestierenden im Landtagswahlkampf noch überzeugen wollen (Erfurt, 20.8.2024)

Sie versammelten sich in Jena, um mit Anti-AfD-Losungen sowie ihrer Präsenz auf der Straße den Auftritt des Faschisten Björn Höcke zu verhindern. Das war dem Protest am Dienstag abend gelungen, doch der Landes- und Fraktionschef der AfD Thüringen genoss Polizeischutz. Durch »Maßnahmen wie den Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken sowie Faustschlägen ins Gesicht kam es zu Verletzten«, teilte das liberale Bündnis »Rechtsruck stoppen« am Mittwoch mit. Dessen Aufruf zum Protest gegen Höckes Auftritt »und seiner menschenfeindlichen Hetze« waren nach ersten Schätzungen der Polizei rund 2.000 Menschen gefolgt. Die Veranstalter sprachen am Dienstag von 3.000.

Auf ihren Plakaten waren Forderungen zu lesen wie »FCK AFD«, »Höcke stoppen!!!« oder »AfD-Verbot jetzt!«. Protestierende verkündeten per Transparent in bunten Farben: »Stabil für Menschenwürde«, selbstgebastelte Kreuze erklärten: »Für Vielfalt – Kreuz ohne Haken«. Wie Aufnahmen des WDR dokumentieren, verlief die Kundgebung friedlich. Dennoch habe es mindestens zehn Leichtverletzte gegeben, wie die Ostthüringer Zeitung am Mittwoch unter Berufung auf Angaben der Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss (Die Linke) berichtete. Die Gewalt ging demnach von der Polizei aus, die gegen eine Gruppe von AfD-Gegnern Reizgas und Knüppel zückte. Auch sei König-Preuss zufolge eine gefährliche Situation entstanden, als ein SUV aus dem Konvoi von Höcke mit erhöhter Geschwindigkeit auf Gegendemonstranten zugefahren sei.

Der AfD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 1. September hatte geplant, im Stadtteilzentrum »LISA« in Jena-Lobeda ein sogenanntes Bürgergespräch abzuhalten. Doch das sei der Polizei zufolge in Absprache mit Höckes persönlichem Personenschutz »aufgrund der Vielzahl an Personen und der unübersichtlichen Lage vor Ort« kurzerhand abgeblasen worden. »Erst versuchte Höcke mehrmals, mit dem Auto zu seiner geplanten Veranstaltung zu kommen«, teilte das Bündnis am Mittwoch auf X mit. Dies sei »durch massenhafte Sitzblockaden an verschiedenen Orten erfolgreich verhindert« worden. Schließlich sei der »letzte Versuch« des AfD-Politikers gescheitert, »mit dem LKA durch eine angemeldete Versammlung geboxt zu werden«.

Aus Sicht der Polizei diente ihr Einsatz der »Absicherung der Veranstaltung sowie der Versammlungen und zur Wahrung der Grundrechte aller Beteiligten«. In einer Mitteilung vom späten Dienstag abend spricht die Landespolizeidirektion Jena von »mehreren Sitzblockaden sowie auch strafbaren Handlungen«. Insgesamt sei ein Dutzend Straftaten und eine Ordnungswidrigkeit bis zu diesem Zeitpunkt registriert worden.

Laut »Rechtsruck stoppen« konnten viele Zufahrten zum Stadtteilzentrum »durch einzelne Kundgebungen erfolgreich blockiert werden«. So habe Höcke »schließlich über einen Radweg zu einem Hinterhof geschleust werden« müssen. Von den Protestierenden sei »keine Eskalation« ausgegangen. Personen sei der Zugang zu »der bereits längere Zeit im Voraus angemeldeten Kundgebung direkt vor dem LISA verwehrt und so zunächst Protest in Sicht- und Hörweite unterbunden« worden.

Dabei sei es die Politik des AfD-Landesvorsitzenden, die die öffentliche Sicherheit bedrohe, warnte Bündnissprecherin Anna Salinski in einer Mitteilung vom Dienstag abend. »Die AfD plant die massenhafte Deportation von Menschen sowie die massive Einschränkung der Grundrechte von Personen, die nicht in das völkisch-nationalistische Weltbild der Partei passen.« Zugleich würde die AfD »Subventionen wie die der Landwirtschaft streichen sowie die Steuerlast erhöhen«.

Am 1. September zähle Salinski zufolge »jede Stimme, die nicht an die AfD geht«. Forsa-Ergebnissen vom Dienstag zufolge erzielt die Höcke-Partei in Umfragen derzeit 30 Prozent Zustimmung der Befragten, dahinter die CDU mit 21 Prozent. Die Christdemokraten dulden de facto die Regierungskoalition von Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, welche gemeinsam laut Forsa-Institut auf 24 Prozent kommen. Die dieses Jahr gegründete Partei Bündnis Sahra Wagenknecht vereint demnach 18 Prozent auf sich.

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