Bombenbauer bleibt unbekannt
Von Henning von StoltzenbergIm Prozess um den Bombenanschlag auf das Linke Zentrum in Oberhausen im Juli 2022 wurde am Dienstag nachmittag nach nur zwei Verhandlungstagen das Urteil gesprochen. Beide Angeklagte wurden wegen Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und Sachbeschädigung verurteilt.
Der 50jährige Thomas L. wurde zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Seine Mittäterin Nina S. erhielt eine Strafe von zwei Jahren und vier Monaten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Haftbefehl wurde vom Gericht aufgehoben, da bei den geständigen Neonazis keine Fluchtgefahr bestehe. Beide müssen sich nun zweimal wöchentlich auf dem Polizeirevier in der Oberhausener Innenstadt melden, das sich in unmittelbarer Nähe zum Anschlagsort und den neuen Räumlichkeiten der Partei Die Linke sowie der Ratsfraktion Die Linke Liste befindet.
Die Staatsanwältin wertete die »gefestigte rassistische und antisemitische Gesinnung« als strafverschärfend. Sie hielt den Angeklagten ihre einsilbige Distanzierung von der Tat zugute und die Ankündigung, an einem Aussteigerprogramm teilnehmen zu wollen. Zudem hätte S. umfangreiche Aussagen getätigt, die ihren Lebensgefährten schwer belasten.
Für einige Überraschung sorgte das Ergebnis der Auswertung weiterer Asservaten, die bei der Hausdurchsuchung vor ihrer Festnahme Anfang Februar beschlagnahmt worden waren.
Hierbei kam zutage, dass es sowohl im Februar als auch im Juli 2020 bereits zwei Anschlagsversuche der Angeklagten gegen das Linke Zentrum gegeben hatte, die jedoch unentdeckt blieben. Von beiden geplanten Angriffen existieren Aufnahmen, die sowohl L. als auch S. eindeutig identifizieren. Bei einer der nächtlichen Aktionen war zudem eine mutmaßlich dritte, nicht identifizierte Person zu sehen. Bei einem der Anschlagsversuche hält L. eine Bombentasche vor die Kamera und spricht von einem »Bild des Versagens«. An einen ebenfalls bisher Unbekannten namens »Basem« gerichtet, beschwert er sich über die mangelhafte Zündschnur und ergänzt: »Uns wäre das nicht passiert.« Die Aussage ist insofern interessant, als dass beide Angeklagte im Prozess angaben, niemals selbstständig Sprengsätze gebaut zu haben. In der Wohnung der beiden wurde jedoch das für Sprengsätze verwendete Kaliumperchlorat gefunden.
Auf einem weiteren Video, das Explosionen zeigt, brüstet sich S.: »Sowas baue ich selber, so was feier ich.« Eine weitere Person namens »Leon« fragte per Chat, ob er nicht ebenfalls Zutaten für den Bombenbau erhalten könne. S. sicherte zu: »Ich frage mal den, der mir die Sachen immer gibt.« Ob es sich dabei um den bereits inhaftierten Bombenbauer Kevin C. handelt, dessen Anklage fallengelassen wurde, geht aus den Nachrichten nicht hervor. Für Gericht und Staatsanwaltschaft schienen weder diese Frage noch die Identität von »Basem« und »Leon« von Belang zu sein.
Damit bleibt nach Ende des Verfahrens unklar, wer die »Blitz- und Knallvorrichtung« gebaut hat. Ebenso bleibt offen, ob die Angeklagten auch mit einem Sprengstoffanschlag auf das Autonome Zentrum Mühlheim in Verbindung zu bringen sind.
Bis zuletzt versuchte die Verteidigung, das neonazistische Weltbild ihrer Mandanten wie auch die Tat selbst herunterzuspielen. Das fiel sichtlich schwer, denn neben Hakenkreuzfahnen und Hitlerportraits wurden auf den Computern neben Bombenbauanleitungen auch Verzeichnisse gefunden mit Namen wie »Alles über Juden«, »Werwolf« und »Personalamt des Heeres – Wofür kämpfen wir (1944)?«.
Yusuf Karaçelik, Vorsitzender der Ratsfraktion von Die Linke, kann über den Prozessverlauf nur den Kopf schütteln. »Positiv ist, dass es eine Verurteilung gab. Ebenfalls, dass Gericht und Staatsanwaltschaft klargestellt haben, dass es sich bei den Tätern um Faschisten handelt, was am Anfang der Ermittlungen öffentlich in Frage gestellt wurde«, so der Politiker im Gespräch mit jW. »Dass unsere Nebenklage abgelehnt wurde, bleibt ein Skandal. Völlig unbekannt bleibt, wie viele Mittäter und Mitwisser es gibt.« Es müsse von »einem militanten braunen Netzwerk« ausgegangen werden. »Das hätte ein Verfahren wegen wiederholtem Rechtsterrorismus sein müssen, nicht wegen Sachbeschädigung.«
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