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Aus: Ausgabe vom 22.08.2024, Seite 6 / Ausland
Westafrika

Umbruch im Senegal

Neue Staatsführung hat Feuerprobe bestanden. Parlament droht Auflösung
Von Georges Hallermayer
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Trotz aller Schikanen wurde mit Bassirou Diomaye Faye ein Kandidat mit panafrikanischer Agenda ins Präsidentenamt gewählt (Dakar, 24.3.2024)

Der Countdown für »Gaindesat-1A« war erfolgreich. Der erste Erdbeobachtungssatellit Senegals ist vergangenen Freitag vom US-Weltraumzentrum Vandenberg in Kalifornien in die Erdumlaufbahn gestartet. Er soll bei der Prävention von Katastrophen, in der Landwirtschaft und beim Ressourcenabbau helfen. Doch die Nationalversammlung des westafrikanischen Landes bleibt weiter angezählt. Ihre Auflösung steht drohend im Raum. Die Blockadepolitik des mittlerweile bröckelnden einstigen Regierungsbündnisses des mit Frankreich verbandelten Expräsidenten Macky Sall, das im Parlament nach wie vor die Mehrheit hat, hätte damit ein Ende.

Mit Blick auf die erwartete Parlamentsauflösung ist auch der mediale Lärm zu verstehen, der um die »Declaration de politique génerale«, die politische Grundsatzerklärung, gemacht wird, die der neue Premier Ousmane Sonko in einem Stadion vor der Bevölkerung statt vor der Nationalversammlung abgeben möchte. Der angekündigte Ort und das bisherige Ausbleiben der Erklärung seien »antirepublikanisch«, so die der ehemaligen Regierungskoalition angehörende Abgeordnete Adji Mbergane Kanouté am Wochenende in der Tageszeitung Senogo. Wofür sie in der Kommentarspalte allerdings ausschließlich Spott erntete.

In den ersten Monaten hatte die vom neugewählten Präsidenten Bassirou Diomaye Faye eingesetzte Regierung alle Hände zu tun, die Ernährungskrise abzufedern. Hungerdemonstrationen wie in anderen Ländern konnten durch Subventionierung, Verhandlungen mit Importeuren und Kontrollen staatlich festgesetzter Preise vermieden werden. 78 Millionen Euro Kredit der Afrikanischen Entwicklungsbank wurden im Juni allein zur Entwicklung der Rinderzucht bereitgestellt.

Was Tourismuskonzernen und Immobilienhaien nicht gefallen dürfte: Die Regierung verfügte im Mai die Aussetzung von Pachtanträgen und die Einstellung von Bauarbeiten insbesondere in den großen Städten. In den vergangenen Wochen legte sie sich dann mit der Presse an. Dabei geht es um wechselseitige Korruptionsvorwürfe zwischen der staatlichen Wasserbehörde und dem zuständigen Minister sowie die gegen die neue Regierung gerichtete Berichterstattung. Außerdem stehen Steuerprivilegien der Presse im Visier der Behörden.

Eine geplante Justizreform liegt dem nun in der Opposition befindlichen Sall-Lager schwer im Magen. Kritisiert wird, dass der Präsident im »Obersten Rat der Richter und Staatsanwälte« Sitz und Stimme haben soll. Unterschlagen wird jedoch, dass dies in anderen Rechtssystemen ebenso der Fall ist. Im französischen Verfassungsgerichtshof haben sogar alle ehemaligen Staatsoberhäupter Sitz und Stimme. Dass die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft verstärkt werden sollen, um die Finanzkriminalität zu bekämpfen, wird wohl ebenso Konflikte hervorrufen. Ein weiteres Konfliktfeld tut sich mit dem im Juli gegründeten Komitee zur Überprüfung strategischer Verträge auf, das ein Audit der Sektoren Bergbau, Öl- und Gasförderung durchführen wird, um vor allem über Bergbaulizenzen neu zu verhandeln und so höhere Staatseinnahmen zu erreichen.

Noch sind Schulferien. Dazu hat der Jugendverband der panafrikanisch ausgerichteten neuen Regierungspartei PASTEF »Subbotniks« auf dem Land organisiert. »Baye ndundé« (»Produziere, was du isst« auf wolof), das ist das Motto der »Patriotischen Ferien«, die von den PASTEF-Frauen in Zusammenarbeit mit dem Erziehungs- und Jugendministerium in Dutzenden Farmen auf die Beine gestellt werden. Auch die Kampagne zur Aufforstung des Landes wird auf diese Weise unterstützt. Wenn auch langsam, ist also einiges in Bewegung im Senegal.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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