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Aus: Ausgabe vom 22.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Renten müssen rauf

Beinahe jeder fünfte Rentner ist arm. Gastkommentar
Von Matthias W. Birkwald
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Wer im Arbeitsleben wenig verdient, kann auch im Alter weiter schuften müssen – um die mickrige Rente aufzubessern

Neben ihrer Rente arbeiten 1,4 Millionen Rentnerinnen und Rentner weiter – einige aus Freude an der Arbeit, aber für viele ist ein Zusammenhang mit dem von der herrschenden Politik heruntergewirtschafteten Rentensystem nicht mehr zu leugnen. Wer behauptet, Armut – und insbesondere Altersarmut – sei in Deutschland nur ein Randphänomen, wird wieder eines Besseren belehrt: In Deutschland lebten im Jahr 2023 18,6 Prozent aller über 65jährigen in Armut, 2010 waren es 12,1 Prozent.

Besonders erschreckend: Von fast acht Millionen Rentnerinnen und Rentnern, die eine Rente mit langen Versicherungszeiten von über 40 Jahren beziehen, erhielt mehr als ein Drittel nur eine Rente unter 1.250 Euro (vor Steuern!) ausgezahlt. Von niedrigen Löhnen und Gehältern werden dementsprechend niedrige Beiträge in die gesetzliche Rente eingezahlt: Ich bezweifle stark, dass die große Mehrheit der Betroffenen diese Lücken mit betrieblicher Altersversorgung oder betrieblicher Altersvorsorge oder gar mit privater Vorsorge ausgleichen könnte.

Wer aber nur niedrige Verdienste erzielt, dem wird auch das Geld für nahezu alle anderen Formen der Vorsorge fehlen. Bezeichnend ist auch, dass der Anteil der Renten nach langer Versicherungszeit unter 1.250 Euro besonders im Osten sehr hoch ist. Der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen Ost und West liegt immer noch bei 17 Prozent und wird dieses Problem auch in Zukunft verschärfen. Die Folgen der hohen Arbeitslosigkeit und des Billiglohnlandes, das die SPD-Agenda-Politik aufgebaut hat, werden sich erst noch zeigen.

Das deutsche Rentensystem muss endlich reformiert werden. Wir brauchen große Schritte hin zum österreichischen. Dort sind Renten der Männer durchschnittlich fast 1.200 Euro höher und die der Frauen immerhin noch fast 350 Euro. Ich fordere, das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anzuheben. Dort lag es, bevor SPD und Grüne es Anfang der 2000er Jahre in den Keller schickten. Dann würden alle Renten sofort, einmalig und zusätzlich, um zehn Prozent erhöht werden. Geld, das bei den anhaltenden Preisexplosionen dringend benötigt wird.

Für die Rentnerinnen und Rentner gab es nämlich nur ein mickriges Energiegeld von 300 Euro, während die Beamten bis zu 3.000 Euro Inflationsgeld erhielten. Mit solchen Ungerechtigkeiten muss endlich Schluss sein! Auch deshalb fordert Die Linke eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle Menschen mit Erwerbseinkommen einzahlen mögen. Anfangen sollten die Bundestagsabgeordneten, wie wir Linken es bereits 2020 im Bundestag gefordert hatten – lange vor AfD und BSW. Neben zahlreichen weiteren Reformen braucht es als letzte Sicherung vor Altersarmut eine einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente von aktuell 1.250 Euro netto für Alleinstehende plus Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Statt Altersarmut: Renten rauf!

Matthias W. Birkwald ist Renten- und Alterssicherungspolitischer Sprecher von Die Linke im Bundestag

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  • Leserbrief von Elvira Liebmann (27. August 2024 um 11:31 Uhr)
    Meine Meinung dazu ist, dass die Renten nicht nur erhöht, sondern nicht mehr besteuert werden dürften, da mit der Rentenerhöhung auch die Preise explodieren, die Krankenkassen, Stromanbieter, Mieterhöhungen usw. Dies alles muss bezahlt werden, egal wie. Ich kann in diesem wie jedem anderen Fall auch, dem ich jeden Tag gegenüberstehe, nicht auf die Politik vertrauen. Solange dieses bundesdeutsche Sozialsystem besteht, wird sich für uns Rentner nichts ändern.
    Wir werden alle zur Kasse gebeten, es sei denn man wird als Millionär geboren. Von den Scheinheiligen werde ich wohl nie eine gerechte Rente bekommen, denn ich glaube schon lange nicht mehr an Märchen.
  • Leserbrief von Joachim Becker aus Eilenburg (23. August 2024 um 11:02 Uhr)
    Die Altersarmut ist nicht nur in den Großstädten der BRD sichtbar. Pfandflaschen suchende und Abfallbehälter durchwühlende Rentnerinnen und Rentner finden sich auch in den Kleinstädten. Besonders von Altersarmut betroffen sind viele Rentnerinnen und Rentner im Osten der BRD. Nach der Konterrevolution wurden viele Fabriken (volkseigene Betriebe) von den westdeutschen Kapitalisten platt gemacht. Tausende DDR-Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellte verloren dadurch ihre Arbeit. Viele davon blieben über mehrere Jahre arbeitslos. Und genau das wirkte und wirkt sich negativ auf die Rente aus. Ich schreibe dies aus eigener Erfahrung. Ja, die Renten müssen rauf! Aber dazu erfordert es den massenhaften Protest der Rentnerinnen und Rentner. Von allein wird sich diese Regierung nicht zur Rentenreform bewegen.
  • Leserbrief von René Osselmann aus Magdeburg (23. August 2024 um 11:00 Uhr)
    Irgendetwas läuft falsch in der BRD, anstatt von einer zügigen Erhöhung der Rente zu reden, melden sich immer mehr Politiker'innen wie Frau Gitte Connemann (CDU) und diverse Wirtschaftsweise zu Wort, das Renteneintrittsalter zu erhöhen und wer vorzeitig mit 63 in Rente gehen will, soll noch höhere Abschläge in Kauf nehmen! Hier wird nach dem Motto verfahren: Für eine sichere Rente, arbeiten bis zum Umfallen! Herr Matthias W. Birkwald hat somit recht, die Renten müssen rauf, ab das wird wohl kaum so kommen, denn wie heißt es so schön »die Rentenkasse ist leer«. Aber warum zahlen nicht alle in die gesetzliche Rentenversicherung ein, also auch Beamte und sogenannte Berufspolitiker, weil diese Politiker sich natürlich in diesem Fall selbst am nächsten sind! Und von diesen Personen kommt denn natürlich der Vorschlag Arbeiten bis zum Ende oder Abzüge damit kaum noch was übrig bleibt!
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (21. August 2024 um 19:47 Uhr)
    »Und dann war Krieg«, eine Standard-Redewendung der »Alten«, als wir noch Kinder waren. Auf einmal war er da, so als ob niemand ihn hatte kommen sehen. Und nun plötzlich ist sie da, die Armut. Und sogar die PdL ist völlig überrascht. Wie konnte das nur geschehen?

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