Renten müssen rauf
Von Matthias W. BirkwaldNeben ihrer Rente arbeiten 1,4 Millionen Rentnerinnen und Rentner weiter – einige aus Freude an der Arbeit, aber für viele ist ein Zusammenhang mit dem von der herrschenden Politik heruntergewirtschafteten Rentensystem nicht mehr zu leugnen. Wer behauptet, Armut – und insbesondere Altersarmut – sei in Deutschland nur ein Randphänomen, wird wieder eines Besseren belehrt: In Deutschland lebten im Jahr 2023 18,6 Prozent aller über 65jährigen in Armut, 2010 waren es 12,1 Prozent.
Besonders erschreckend: Von fast acht Millionen Rentnerinnen und Rentnern, die eine Rente mit langen Versicherungszeiten von über 40 Jahren beziehen, erhielt mehr als ein Drittel nur eine Rente unter 1.250 Euro (vor Steuern!) ausgezahlt. Von niedrigen Löhnen und Gehältern werden dementsprechend niedrige Beiträge in die gesetzliche Rente eingezahlt: Ich bezweifle stark, dass die große Mehrheit der Betroffenen diese Lücken mit betrieblicher Altersversorgung oder betrieblicher Altersvorsorge oder gar mit privater Vorsorge ausgleichen könnte.
Wer aber nur niedrige Verdienste erzielt, dem wird auch das Geld für nahezu alle anderen Formen der Vorsorge fehlen. Bezeichnend ist auch, dass der Anteil der Renten nach langer Versicherungszeit unter 1.250 Euro besonders im Osten sehr hoch ist. Der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen Ost und West liegt immer noch bei 17 Prozent und wird dieses Problem auch in Zukunft verschärfen. Die Folgen der hohen Arbeitslosigkeit und des Billiglohnlandes, das die SPD-Agenda-Politik aufgebaut hat, werden sich erst noch zeigen.
Das deutsche Rentensystem muss endlich reformiert werden. Wir brauchen große Schritte hin zum österreichischen. Dort sind Renten der Männer durchschnittlich fast 1.200 Euro höher und die der Frauen immerhin noch fast 350 Euro. Ich fordere, das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anzuheben. Dort lag es, bevor SPD und Grüne es Anfang der 2000er Jahre in den Keller schickten. Dann würden alle Renten sofort, einmalig und zusätzlich, um zehn Prozent erhöht werden. Geld, das bei den anhaltenden Preisexplosionen dringend benötigt wird.
Für die Rentnerinnen und Rentner gab es nämlich nur ein mickriges Energiegeld von 300 Euro, während die Beamten bis zu 3.000 Euro Inflationsgeld erhielten. Mit solchen Ungerechtigkeiten muss endlich Schluss sein! Auch deshalb fordert Die Linke eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle Menschen mit Erwerbseinkommen einzahlen mögen. Anfangen sollten die Bundestagsabgeordneten, wie wir Linken es bereits 2020 im Bundestag gefordert hatten – lange vor AfD und BSW. Neben zahlreichen weiteren Reformen braucht es als letzte Sicherung vor Altersarmut eine einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente von aktuell 1.250 Euro netto für Alleinstehende plus Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Statt Altersarmut: Renten rauf!
Matthias W. Birkwald ist Renten- und Alterssicherungspolitischer Sprecher von Die Linke im Bundestag
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