Rechenkünstler des Tages: Handelsblatt
Von Arnold SchölzelDie Zitate, die Winston Churchill zugeschrieben werden, aber nicht nachweisbar sind – »Wir haben das falsche Schwein geschlachtet« (1945), »No sports« auf die Frage, wie er trotz reichlich Zigarren, Whisky und Champagner 90 Jahre alt werden konnte – bilden eine eigene Literaturgattung. Zu ihr zählt auch: »Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe.«
Meint: Verkaufende Halsabschneider aller Länder – siehe Haushaltsentwurf der Ampel – rechnen gern alternativ: eins plus eins ist drei. Am Mittwoch verkündete so zum Beispiel das Handelsblatt, es habe in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, den Niederlanden und Großbritannien die Preise für einen Einkauf von 32 Produkten vergleichen lassen und herausgekommen sei: Deutschland ist die »Billigrepublik«. Die Handelsblatt-Erklärung: Wichtigster Grund dafür ist die »Geiz-ist-geil-Mentalität der Verbraucher«. Nicht etwa der zumeist niedrige Kontostand oder die Gier der vier deutschen Nahrungshauptausgabestellen – Edeka, Rewe, Aldi und Lidl. Pech fürs Handelsblatt: Ende Juli hatte das Ifo-Institut vorgerechnet, seit Anfang 2021 seien die Lebensmittelpreise um 32,5 Prozent gestiegen, der gesamte Verbraucherpreisindex aber »nur« um 19,3 Prozent. Die Handelsblatt-Statistik beginnt einfach Anfang 2022, und schon sind es mehr als zehn Prozent weniger Teuerung für Lebensmittel als bei Ifo – »so gering wie ein keinem anderen Land«. Die Deutschen greifen demnach zudem mehr als andere zu billigen, also chemisch verseuchten Fertigprodukten. Die Südeuropäer mögen Verarbeitetes weniger, da greift aber auch der Staat bei den Preisen ein.
Es bleibt also beim Wort des Dichters Peter Hacks: In der hiesigen Marmelade ist kein Obst, in der Wurst kein Fleisch, der deutsche Mittelstand hat im Grunde nichts zu essen. Statistik überflüssig.
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