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Aus: Ausgabe vom 22.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Bestechlichkeit

Myanmars korrupte Junta

Putschisten beherrschen ganze Branchen – und lassen schon mal regimetreue Promis in Ungnade fallen
Von Thomas Berger
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Seit einem Monat von der Bildfläche verschwunden: Serge Pun beim Börsengang einer seiner Firmen im März 2016

Serge Pun, eine der schillerndsten Gestalten im Wirtschaftsleben Myanmars, wird von der Militärregierung (offiziell: State Administration Council, SAD) der Geldwäsche, der Veruntreuung staatlicher Gelder und weiterer Finanzverbrechen angeklagt. Offizielle Stellungnahmen gibt es dazu bisher nicht, doch The Irrawaddy, das renommierteste Newsportal des Landes, will das aus seinem engeren Umfeld erfahren haben. Gleichlautende Anklagen sollen gegen vier leitende Mitarbeiter der zu Puns Firmenimperium gehörenden Yoma Bank erhoben worden sein, teilte das Nachrichtenportal am 16. August mit.

Yoma ist die zweitgrößte Privatbank Myanmars. Die jüngste Meldung zu dem Magnaten scheint belastbar angesichts der Tatsache, dass Pun im Juli vorübergehend festgenommen worden war, offiziell nur zu »Befragungen« und ohne eine formelle Anklage. Seit einem Monat ist er von der Bildfläche verschwunden.

In den letzten Julitagen war noch von diversen Medien berichtet worden, Pun habe offiziell die Leitung der an der Börse in Singapur gelisteten Yoma Strategic Holdings Limited aufgegeben. Dabei handelt es sich um das Dach der Yoma Group, zu der in einem schwer zu durchschauenden Geflecht über 100 verschiedene Unternehmen gehören.

Bisher galt der 71jährige, der chinesischer Abstammung ist, als ausgesprochen wendig und bestens vernetzt. Die politischen Verwerfungen der vergangenen drei Jahrzehnte vermochten ihm nichts anzuhaben. Er ging daraus nicht nur unbeschadet hervor, sondern stieg in den Wirren zu einem der reichsten Männer des südostasiatischen Landes auf. Im großen Stil begann Pun seine Firmen aufzubauen, als die zweite Militärjunta, angeführt von Senior General Than Shwe, in den frühen 1990er Jahren einen wirtschaftlicheren Liberalisierungskurs durchsetzte. Die Zeit der politischen Öffnung ab 2011, einschließlich der kurzen demokratischen Phase ab 2016, bot Pun Gelegenheiten, sein Imperium auszubauen.

Er nutzte viele davon, machte Immobiliengeschäfte, engagierte sich in der wichtigsten Sonderwirtschaftszone (über seine Thilawa Special Economic Zone Holdings), investierte im Gesundheitssektor und im Gastrobereich – eine seiner Firmen wurde zum Franchisenehmer von Kentucky Fried Chicken (KFC) in Myanmar. Über einen ihm gehörenden Golfplatz in der Wirtschaftsmetropole Yangon, der auch von hohen Militärs frequentiert wird, war er nach dem Putsch 2021 mit den neuen Machthabern um Senior General Min Aung Hlaing in gutem Kontakt. Was genau Pun nun in Ungnade hat fallen lassen, ist noch unklar.

Selbstbereicherung und Korruption sind aus Myanmar kaum wegzudenken – und die aktuellen Verhältnisse sind keineswegs dazu angetan, dem einen Riegel vorzuschieben. Schließlich sind die regierenden Militärs selbst mächtige Wirtschaftsakteure, viele Firmen stehen unter der Leitung von Verwandten hoher Regimevertreter. Eine im vergangenen Jahr gestartete Antikorruptionskampagne kam auch deshalb kaum über symbolische Akte hinaus. Am ehesten noch die Verhaftung von Generalleutnant Moe Myint Tun und dessen rechter Hand, Brigadegeneral Yan Naung Soe, im vergangenen Oktober. Die beiden wurden zu jeweils 20 Jahren Haft verurteilt. Sie hatten zum engsten Vertrauenskreis um Min Aung Hlaing gehört, Tun war zeitweise als potentieller Nachfolger des Führers der Putschisten gehandelt worden. Vor der Entmachtung verantwortete Tun die Wirtschafts- und Finanzpolitik des SAC. Er stand der nationalen Investitionskommission vor und leitete die staatlichen Gremien für Handelsausbau und Devisenkontrolle.

Die Kinder des obersten Machthabers, Aung Pyae Sone und seine Schwester Khin Thiri Thet Mon, haben etwa beim lukrativen Import von Elektroautos ihre Finger im Spiel. Von der Junta kontrollierte Medien rühren die Werbetrommel für den klimafreundlichen Individualverkehr. Die von den Geschwistern geleiteten Firmen sind Nummer zwei und drei der Branche. Söhne weiterer ranghoher Amtsträger der jetzigen und der früheren Junta gehören zu den Anteilseignern. Darum entfallen bei den Importen die sonst so strikten Genehmigungsverfahren. Die Tochter des Militärregierungschefs leitet zudem eine Filmproduktionsfirma.

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