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Aus: Ausgabe vom 22.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kulturlandschaft

Schnecken, Wein und viele Tote: Burgund

Von Marc Hieronimus
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Wo der feine Wein herkommt: Chablis in Burgund

Es gibt Orte, die man nicht besuchen kann, oder wenn man es doch tut, wird man nicht das finden, was man dachte – un- oder umdefinierte Regionen, die in der Vorstellung viel pracht- und geheimnisvoller sind als in der schnöden geographischen Wirklichkeit. Burgund ist so ein Beispiel. Nach Karl dem »großen« Sachsenschlächter führte Ludwig der Fromme das Frankenreich bis zu seinem Tod 840 weiter, dann teilten seine Söhne es im Vertrag von Verdun auf: Karl der Kahle bekam den Westen, also grob gesehen Frankreich, Ludwig der Deutsche, man ahnt es, kriegte den Osten, und Lothar den ansehnlichen Rest in der Mitte.

In Verdun sollte sich 1.100 Jahre später noch einmal europäische Geschichte ereignen. Das Königreich Burgund jedenfalls reichte von Marseille über Lyon und Genf, Straßburg, Lüttich bis nach Friesland, also vom Mittelmeer bis zur Nordsee, Norditalien nicht zu vergessen.

Heute kennen Gourmets Bourgogne als Schneckenart und vom Wein her: Burgund ist eine französische Anbauregion mit dem Senfzentrum Dijon, allerdings auch eine Reb- und Weinsorte, weshalb ausgezeichnete Grau- und Weißburgunder aus der Pfalz kommen können, die nie zu Burgund gehörte. Schwarzburgunder (Pinot Noir) wird sogar weltweit angebaut.

Ähnlich anders Böhmen. Erdkundlich Zweidrittel-Tschechien, man denkt an Biere, Knödel, Dvořák, Hašek oder deutschsprachige Künstler wie Mahler, Kafka oder Ernst Mosch und seine Egerländer. »La Bohème« aber ist eine Oper von Puccini über arme Künstler im Pariser Quartier Latin um 1900. Der Zusammenhang? Ursprünglich waren mit Bohèmiens ärmliche, aber lebensfrohe Roma aus Böhmen gemeint, die als Musiker durch Europa zogen. In den 1990ern hat sich schließlich der »Bobo« herausgebildet, der bourgeoise Bohèmien. »Der Lebensstil der Bobos führt zusammen, was bisher als unvereinbar galt: Reichtum und Rebellion, beruflicher Erfolg und eine nonkonformistische Haltung, das Denken der Hippies und der unternehmerische Geist der Yuppies«, heißt es im Klappentext von David Brooks einschlägigem Buch über dieses widerliche Volk.

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