»Verkörpert Tradition des deutschen Militarismus«
Von Kristian StemmlerMit einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist am Donnerstag der wiederaufgebaute Turm der Garnisonkirche in Potsdam eingeweiht worden. Empfinden Sie das als Niederlage für Ihre Initiative?
Nein, wir sehen das nicht als Niederlage. Wir müssen die Gegebenheiten natürlich hinnehmen, aber der Turm ist ja noch längst nicht vollständig. Und er sollte eigentlich schon 2010 eröffnet werden, ursprünglich sogar noch früher. Der Widerstand, den wir vor Ort seit über 30 Jahren leisten, hat dazu geführt, dass er erst viel später in Nutzung geht. Und es steht nur ein Aussichtsturm mit Gebetsanschluss. Wenn schon die »Stiftung Garnisonkirche Potsdam« darüber nachdenkt, nie das Kirchenschiff zu bauen, dann ist das ja eigentlich ein riesiger Erfolg.
Wir haben es geschafft, dass selbst die evangelische Kirche anfängt, sich von dem Projekt zu distanzieren. Was im Grunde völlig absurd ist: Man baut einen Turm, um sich dann von diesem und seiner Geschichte zu distanzieren. Diese Debatte ist aber nur dem Widerstand zu verdanken. Hätten wir nicht die Plattform »Lernort Garnisonkirche« mit dem wissenschaftlichen Beirat ins Leben gerufen, wäre es gar nicht zu inhaltlichen Debatten gekommen.
Sie halten es also für sinnvoll, den Kampf gegen das Projekt fortzusetzen?
Ganz klar. Am Donnerstag hat die Bürgerinitiative eine Kundgebung gegenüber der Kirche organisiert. In den Folgetagen werden wir die Besucher des Turms mit informativen Handzetteln »begrüßen«.
Im Demoaufruf ist die Rede von einer »über 30jährigen Geschichte eines gesellschafts- und geschichtspolitischen Desasters«. Ursprünglich initiiert wurde das Projekt doch von rechts.
Von ganz rechts. Ein Initiator war der rechte Iserlohner Oberstleutnant Max Klaar, der 1984 in der Zeitschrift Soldat im Volk zu Spenden für einen Teilnachbau des Potsdamer Glockenspiels aufrief. Als 1987 der Nachbau eingeweiht wurde, war das ein Schaulaufen von früheren Wehrmachtsoffizieren. Später griff die evangelische Kirche, allen voran der damalige Brandenburger Bischof Wolfgang Huber, die Idee auf. Und immer wieder waren es paradoxerweise SPD-Politiker, die dieses rechte Projekt salonfähig gemacht haben.
Sehen Sie einen Zusammenhang zur Militarisierung der Republik?
Absolut. Das Land soll »kriegstüchtig« werden und wieder mehr »Verantwortung in der Welt« übernehmen, wie formuliert wird. Das Projekt Garnisonkirche passt ins Bild. Sie verkörpert wie wenige andere Bauwerke die Traditionen des deutschen Militarismus, diente über 200 Jahre lang der Indoktrination von Soldaten. In dieser Kirche wurden sie gesegnet, bevor sie auf Feldzüge geschickt wurden, etwa gegen die aufständischen »Boxer« in China oder die Herero und Nama in Namibia. In der Weimarer Republik war die Kirche Pilgerstätte für antidemokratische und rechtsextreme Kräfte.
Huber rechtfertigte das Projekt mit dem Argument, man wolle sich in der Ausstellung mit der »schwierigen Geschichte« der Kirche auseinandersetzen.
Das hat aber bisher noch gar nicht stattgefunden. In der Onlineausstellung findet man dazu gar nichts. Und wenn man sich wirklich mit der Geschichte der Kirche beschäftigt hätte, dann kann man doch nicht an diesem Feldaltar, der damals benutzt wurde, um Soldaten zu segnen und ihnen den Marschbefehl zu geben, den ersten Gottesdienst feiern, wie es bei der Eröffnung der Kapelle an Ostern des Jahres geschehen ist.
Fürchten Sie, dass die Kirche wieder ein Pilgerziel für Reaktionäre wird?
Das ist sie doch schon. Es ist, wie Huber in einem Interview gesagt hat: Die Garnisonkirche ist ein wichtiges Symbol für die Stadt. Genau das sagen die AfDler und Faschisten auch. Potsdam ist ja generell nicht arm an neurechten Figuren, die Stadt ist ein Anziehungspunkt für Preußenfans und Militaristen. Letztendlich die Law-and-Order-Politik und den Militarismus salonfähig zu machen – darum geht es hier ja letztlich.
Carsten Linke ist Vorstand des Vereins zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam und aktiv bei der Initiative »Potsdam ohne Garnisonkirche«
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