Vorfreude auf ein Happyend
Von Marc BebenrothDie Selbstauflösung der Linkspartei setzt sich mit dem jüngst erklärten Rücktritt der Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan fort. Doch an ihnen soll es nicht gelegen haben, wie der langjährige Linke-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken am Donnerstag gegenüber junge Welt erklärte. »Gerade bei den wichtigen gesellschaftlichen Debatten gab es sehr widersprüchliche öffentliche Aussagen von der Partei.« Dies sei ein Fehler gewesen, aber keiner der bisherigen Vorsitzenden Wissler und Schirdewan, sagte van Aken, der als Nachfolger kandidieren will.
Der frühere Bundestagsabgeordnete ist derzeit bei der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung tätig und sieht die Verantwortung nicht nur in einer inkonsistenten Außenkommunikation, sondern bei denen, »die den Spaltpilz genährt haben und nun gegangen sind«. Damit steht van Aken in einer Reihe mit denjenigen aus dem Parteiapparat, die vor allem das Lager um Sahra Wagenknecht für den Niedergang der Linkspartei verantwortlich machen. »Das ist jetzt vorbei«, sagte der Nachfolgekandidat in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem MDR. Jetzt sei die »ganz große Chance, dass wir wieder vereint auftreten können«. So habe van Aken in Thüringen vielerorts »so viel Energie« wahrgenommen. »Alle ziehen gemeinsam an einem Strang«, sagte er dem Sender optimistisch.
Für die dortige Vizefraktionschefin gibt es nur Entweder-oder: »Die Linke muss entscheiden, ob sie in den Parlamenten Politik machen oder eine Protestpartei sein will«, sagte die Thüringer Landtagsabgeordnete Katja Maurer im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom Donnerstag. Maurer sieht die Zukunft ihrer Partei erwartbar »in den Parlamenten«. Den schlechten Zustand ihrer Partei machte die Thüringer Politikerin auch am Spitzenpersonal fest. »Wir haben unsere Führungsfiguren so lange verschlissen, bis wir keine mehr hatten«, sagte sie der FAZ. Erfolgreich könne Die Linke Maurer zufolge »nur am linken politischen Rand sein, nicht in der Mitte«. Es brauche »nicht noch eine sozialdemokratische Partei«.
Das können offenbar viele so unterschreiben. In Thüringen wird am 1. September der neue Landtag gewählt. Die Linkspartei erzielt im Freistaat aktuell Umfragewerte um die 15 Prozent, weniger als die Hälfte des Ergebnisses der vorherigen Wahl. In Sachsen, wo ebenfalls am 1. September gewählt wird, und in Brandenburg sieht es noch düsterer aus. Dort geht es für Die Linke jeweils um den Einzug in den Landtag. Im Vergleich: Der SPD ergeht es in Sachsen und Thüringen kaum besser. Auch sie muss hier um Landtagsmandate zittern. Nur in Brandenburg, wo sie mit Dietmar Woidke den Ministerpräsidenten stellt, werden die Sozialdemokraten in Umfrageergebnissen von Anfang August mit 20 Prozent Zustimmung registriert.
Die Lage seiner Partei sei »wie in so einem guten Hollywood-Film«, erklärte van Aken im MDR. »Kurz vorm Happyend, kurz vorm Schluss gibt es noch mal so einen kleinen Downer – da sind wir jetzt durch, und jetzt geht’s nach vorne.« Auch gegenüber junge Welt verbreitete er (Zweck-)Optimismus: »Ab jetzt heißt es, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Bei den Menschen, mit denen und für die wir Politik machen.« Damit meine er diejenigen, die »das Land am laufen halten und am Ende des Monats immer verzweifelter sind, weil die Inflation und die Miete ihnen alles wegfrisst«, sowie alle, für die »Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte« sei. In »zentralen gesellschaftlichen Fragen« und der Friedensfrage werde die Linkspartei van Aken zufolge »klare Haltung zeigen«.
Unabhängig von ihm will auch Ines Schwerdtner, ehemalige Chefredakteurin des deutschsprachigen Ablegers des Magazins Jacobin, als Parteivorsitzende kandidieren. »Ich habe mich entschieden, auf dem kommenden Parteitag in Halle für den Vorsitz unserer Partei zu kandidieren«, teilt die 1989 in Sachsen geborene Publizistin auf ihrer Internetseite mit. Wie van Aken ist auch sie derzeit für die Rosa-Luxemburg-Stiftung tätig. Beide Nachfolger in spe kommen damit aus dem erweiterten Parteiapparat, der mit weiteren Wahlniederlagen um seine Existenz fürchten muss.
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Leserbrief von René Osselmann aus Magdeburg (23. August 2024 um 11:27 Uhr)Erstmal ist es wichtig, das die Linke versucht wieder auf die Beine zu kommen, aber eins sollte auch klar sein, sich weiter an Sahra Wagenknecht und ihrem BSW abzuarbeiten und nicht mal selbst bei sich auf Fehlersuche zugehen dürfte nach Hinten losgehen. Nur wer bereit ist auch bei sich nach Fehlern zu suchen und wer überlegt, was ist da schiefgelaufen, dass es soweit gekommen ist und die Linke fast nur noch als Splitterpartei wahrgenommen wird, dem kann ein Neuanfang in der politischen Landschaft gelingen! Nach meiner Meinung sollte die Linke zum Beispiel in der Friedensfrage wieder mehr Profil zeigen, in dem sie sich deutlich gegen Aufrüstung, Waffenlieferungen, NATO-Osterweiterung und Kriege stellt, wir brauchen diesbezüglich zum Beispiel ein klares Nein, wenn es um die neue Stationierung von US-Raketen hierzulande geht! Die Linke sollte sich aber wieder ganz deutlich als Anti-Kapitalistisch zeigen und nicht diesen Kapitalismus etwas sozialer gestalten wollen. Im Allgemeinen sollte in der Linken auch klar sein, dass auf absehbarer Zeit weder die Grünen noch die SPD auf Bundesebene Partner sein können, denn sie habe den Weg von früher, wie sie mal waren, schon längst verlassen und fungieren unter dem Motto »wessen Brot ich es, dessen Lied ich sing«!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (23. August 2024 um 12:42 Uhr)In der Politik ist es nicht ausreichend, Wünsche formulieren zu können. Es kommt darauf an, Kräfte und Gegenkräfte nüchtern einzuschätzen und daraus realistische Strategien abzuleiten. Wer alles in der Linken den Weg des Opportunismus gegangen ist und welche Machtpositionen er einnimmt, ist eigentlich gut zu erkennen. Wie aber ist es um die Gegenkräfte konkret bestellt, die erst die Opportunisten verjagen und dann die Partei auf eine neue Grundlage stellen müssten? Sie konnten die absehbaren Veränderungen in der PdL zwar oft noch kritisieren, abwenden konnten sie sie nie. Jetzt von ihnen eine Generalveränderung zu erwarten, ist Träumerei.
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