Acker mit Ertragsloch
Von Oliver RastSie haben alles an Werkzeugen, haben hochmotorisierte, PS-starke Landmaschinen: Traktoren, Mähdrescher, Grubber etwa. Zum Ziehen von Arbeitsgeräten, zum Ausdreschen von Getreide- und Samenkörnern und »Ausspucken« von Stroh, ferner zum Pflügen und Umgraben von landwirtschaftlichen Böden. Ein ertragreiches Ackern der Bauern. Zumeist jedenfalls.
Diesmal aber nicht. Denn die Getreideernte hierzulande falle »stark unterdurchschnittlich aus«, vermeldete der Deutsche Bauernverband (DBV) am Donnerstag in seiner »Erntebilanz 2024«. Zumal die 40-Millionen-Tonnen-Marke beim Getreide geknackt worden sei; nach unten, versteht sich. Landwirte holten in diesem Jahr rund 39,3 Millionen Tonnen an Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais und Hirse ein. Im Vorjahr waren es noch knapp 42 Millionen Tonnen. »Damit setzt sich der seit zehn Jahren anhaltende Abwärtstrend der Erntemengen bei Getreide fort«, so der DBV. Problematischer noch: Die Qualität der Ernte habe in einigen Regionen unter wiederkehrenden und teils sehr starken Niederschlägen »massiv gelitten«.
Besonders betroffen der Weizen, die wichtigste Kultur. Nur 18 Millionen Tonnen konnten landwirtschaftliche Betriebe in Silos füllen, ein Minus von mehr als drei Millionen Tonnen im Vorjahresvergleich. Ein Grund: Wegen mieser Witterung zur Aussatzeit im vergangenen Herbst sei die Anbaufläche von Winterweizen um rund 330.000 Hektar zurückgegangen, ermittelte der DBV.
Unter dem Strich belegten Ernteeinbußen »einmal mehr die deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels«, wurde DBV-Präsident Joachim Rukwied in der Mitteilung zitiert. Martin Schulz stimmt zu. Klimatisch bedingte Wetterextreme könnten auf Sicht die hiesige Versorgungslage ernsthaft gefährden, sagte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) am Donnerstag zu jW. Rukwied ärgert noch etwas: Gesetzesvorgaben, die seien oft »verfehlt«. Praxisferne und unpraktikable Gesetze müssten gestrichen werden. Rukwied: Es könne nicht sein, »dass Qualitätsweizen nachgefragt wird, wir Landwirte aber aufgrund immer neuer Vorschriften – etwa bei der Düngung – nur noch Futterweizen erzeugen können«. Gutes Stichwort, findet Schulz. Eine Novellierung des Düngegesetzes sei nötig, um vom »pauschalen System der ›Roten Gebiete‹ wegzukommen«. Veursachergerecht, bürokratiearm, vor allem aber umwelt- und gewässerschonend müsse eine Düngepolitik sein.
Eine kleine Erfolgsmeldung gibt es dann doch. Herbstkulturen wie Zuckerrüben, Kartoffeln und Gemüse konnten laut DBV »größtenteils von den Niederschlägen profitieren.« Ah, doch nicht ganz. Kraut- und Knollenfäule befielen vor allem Kartoffeln. Und der »Infektionsdruck bei Pilzkrankheiten« nehme stetig zu, zeige auch, wie wichtig es sei, Pflanzen besser zu schützen, betonte Rukwied. »Effektiver Pflanzenschutz ist eine zwingende Voraussetzung für sichere und gesunde Lebensmittel.«
Ertragsloch bei der Ernte, die Freien Bauern melden sich gleichfalls zu Wort. »Dass ich in einem besonders nassen Jahr weniger Getreide in schlechterer Qualität einbringe, gehört zum Berufsrisiko«, sagte Thomas Frenk von deren Bundesvertretung am Donnerstag gegenüber jW. Frenk bewirtschaftet im badischen Nonnenweier einen Ackerbau- und Milchviehbetrieb und kann infolge des Dauerschauers einzelne Flächen nicht befahren: »Aber wenn wir alle weniger ernten, bedeutete das bisher, dass die Preise anziehen und die Mindererträge zumindest teilweise ausgeglichen werden.« Bloß, das passiert nicht. Kann es auch nicht, wenn Einfuhrzölle auf ukrainisches Getreide weiterhin unterbleiben. Die Exporte aus der Ukraine seien auf Rekordniveau, weiß der 46jährige Landwirtschaftsmeister. Folgenlos bleibt das nicht.
Die »hochkonzentrierten Agrarhandelskonzerne« in Deutschland drücken die Erzeugerpreise. Frenk hat ein Beispiel: Der Brotpreis an der Ladentheke ist in den zurückliegenden vier Jahren um mehr als ein Drittel gestiegen. Der Getreidepreis stagniert aber – nach kurzer Preisrallye 2022 – auf dem Niveau von vor vier Jahren. »Das bedeutet, dass sich einzelne Marktteilnehmer auf Kosten von Bauern und Verbrauchern bereichern.« Die Konsequenz: Die Monopole in Lebensmittelindustrie und Lebensmitteleinzelhandel müssen zerschlagen, vornehmer ausgedrückt: entflochten werden, fordert Frenk.
Soweit will der Großagrarier Rukwied nicht gehen. Eingestehen muss er aber: Preisverfall in Kombination mit hohen Betriebsmittelkosten machten einen wirtschaftlichen Getreideanbau in Deutschland aktuell kaum noch möglich. Wenn das so ist, würden bald die schweren Arbeitsvehikel eingemottet werden, oder was?
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 17.06.2024
Flucht nach vorn
- 25.05.2024
Karotten für Esel
- 04.05.2024
Expansiver Ehrgeiz
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Vorfreude auf ein Happyend
vom 23.08.2024 -
In der Sache einig
vom 23.08.2024 -
Knapp ein Drittel bricht ab
vom 23.08.2024 -
»Schluss machen mit dem Investitionsbremsenfetisch«
vom 23.08.2024